Der Emissionshandel in Europa seit 2013
Das ETS arbeitet nach dem „Cap & Trade“ Prinzip. Das bedeutet, dass in jedem Jahr eine feste Obergrenze – ein „Cap“ – für Treibhausgasemissionen aus Anlagen im Geltungsbereich des ETS festgesetzt wird. Diese Obergrenze bestimmt die maximale Menge an Kohlenstoffdioxid und anderen Treibhausgasen, die im jeweiligen Jahr emittiert werden darf. Unternehmen, die Treibhausgase erzeugen, müssen für jede Tonne emittiertes CO2 eine Emissionsberechtigung vorweisen können. Diese Berechtigungen zur Emission werden von Unternehmen gekauft und verkauft – es findet Emissionshandel, oder „Trade“, statt. Seit einer Neuausrichtung des ETS zum Jahr 2013 wird die Obergrenze europaweit festgelegt und jährlich herabgesetzt. So werden die Emissionen der Anlagen im ETS von Jahr zu Jahr gesenkt. Vor 2013 wurden ein Großteil der Emissionsberechtigungen kostenlos zugeteilt, seit der Neuausrichtung wird jedoch die Anzahl der kostenlosen Zuteilungen jährlich reduziert und somit immer weiter zu einer Auktionierung der Berechtigungen übergegangen. Heute reguliert das ETS CO2-Emissionen aus Energieerzeugung, der energieintensiven Industrie und der innereuropäischen Luftfahrt, sowie Emissionen anderer Treibhausgase aus bestimmten industriellen Produktionsprozessen. Geographisch erstreckt sich der Geltungsbereich des ETS auf die 28 Mitgliedsstaaten der EU sowie Island, Liechtenstein, und Norwegen.
Wie effektiv ist das ETS wirklich?
Es gibt einige Kritiken am europäischen Emissionshandel als Klimaschutzmaßnahme. Aufgrund der historischen hohen Menge kostenloser Zuteilungen und wegen der aktuellen Wirtschaftslage zurückgehender Emissionsraten war der Preis für Emissionsberechtigungen seit der Schöpfung des ETS über lange Strecken sehr niedrig. Teilweise betrug er unter 5 Euro pro Tonne CO2. Kritiker*innen bemängeln, dass zu geringe CO2-Preise das ETS daran hindern, seine volle Lenkungswirkung zu entfalten. Inzwischen hat sich der Preis allerdings dank eines Abbaus des Zertifikatsüberschusses und einer schnelleren Reduktion der ausgegebenen Zertifikate erholt und liegt bei etwa 25 Euro pro Tonne CO2. Dies ist im globalen Vergleich, wo vielerorts noch immer fossile Energien subventioniert werden, ein guter Wert. Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, müsste der Preis nach konservativen Schätzungen aber wohl mindestens bei 40€ pro Tonne liegen. Außerdem wird kritisiert, dass Unternehmen in einigen Teilsektoren ihren gesamten Bedarf an Emissionsberechtigungen noch immer kostenlos erhalten. Dies sind insbesondere solche Unternehmen, von denen die EU befürchtet, sie würden ohne diese kostenlose Zuteilung ihre Produktion ins Ausland verlegen. Dort würden nicht nur europäische Arbeitsplätze und Wirtschaftsleistung verloren gehen, sondern die fraglichen Unternehmen würden sich gänzlich der Kontrolle durch Klimaschutzmaßnahmen der EU entziehen. Diese Problematik wird als Emissionsverlagerung oder „Leakage“ bezeichnet.
Ein Grenzausgleich für effektiveren Emissionshandel
Das derzeitige System der Subvention von wettbewerbs- und emissionsintensiven Industrien durch freie Zertifikatsvergabe ist keine befriedigende Lösung des Leakage-Problems, da es die Anreize zur Emissionsvermeidung schmälert. Als Alternative gibt es die Idee eines Grenzausgleichs. Idealerweise sollten Importeure bei der Einfuhr von Produkten aus dem Nicht-EU-Ausland, in dem keine CO2-Bepreisung geschieht, einen Zoll auf die bei der Produktion verursachten Emissionen bezahlen. Ein solcher „Klimazoll“ würde für fairen Wettbewerb sorgen und ökonomische Vorteile für Länder ohne Klimaschutzmaßnahmen beenden. Länder mit angemessener CO2-Bepreisung müssten keinen Zoll bezahlen, wodurch zudem ein Anreiz für weltweite Klimaschutzanstrengungen gesetzt würde. In der Praxis steht diese Idee allerdings vor einigen Umsetzungshürden, da die Bemessung der CO2-Emissionen im Ausland schwierig umzusetzen und die Erhebung von Zöllen durch Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) eingeschränkt ist. Deshalb ist eine Beschränkung auf besonders emissionsintensive Produkte und eine Orientierung an Richtwerten wahrscheinlich. Die Ausgestaltung des „Klimazolls“ muss außerdem stets eine Gleichbehandlung ausländischer Produzenten garantieren, um nicht gegen WTO-Regeln zu verstoßen. Mit dem notwendigen politischen Willen sind diese Hürden aber überwindbar. Kommissionspräsidentin von der Leyen hat sich in ihrer Vision für Europa bereits dafür ausgesprochen.
Ehrgeizige Reduktionsziele
Für von der Leyens ambitioniertes Ziel, eine Emissionsreduktion von 50 bis 55 Prozent bis 2030 zu erreichen, ist zudem schlicht eine Ambitionssteigerung durch eine geringere Menge an neu ausgegebenen Zertifikaten notwendig. Die bisherige Reduktion der Emissionsberechtigungen um 1,74 Prozent pro Jahr ist nicht ausreichend zur Erreichung der Pariser Klimaziele und sollte nach Empfehlung des Umweltbundesamtes auf mindestens 2,6 Prozent gesteigert werden. Dadurch würde auch der CO2-Preis auf ein höheres Niveau ansteigen. Neben stärkerer Mengenreduktion gibt es die Idee eines Mindestpreises im ETS, der in Zukunft starken Preisverfall der Emissionszertifikate verhindern und damit auch den Unternehmen mehr Investitionssicherheit geben würde. Dieser wird unter anderem vom französischen Präsident Macron gefordert und könnte beispielsweise bei 35 Euro pro Tonne liegen.
Der Weg zu einer umfassenden, globalen CO2-Bepreisung
Auf dem Weg in Richtung des Ideals eines weltweiten, umfassenden Preises auf Treibhausgas-Emissionen ist in Europa zunächst die Ausweitung des Emissionshandels auf möglichst viele Sektoren wünschenswert. Emissionen durch Benzin- und Dieselfahrzeuge sind bisher nicht erfasst, ebenso wenig wie Öl- und Gasheizungen. Hier verhindern derzeit hauptsächlich soziale Erwägungen und gesellschaftliche Widerstände eine angemessene Bepreisung. Wie wir allerdings bereits in anderen Artikeln gezeigt haben, ist eine soziale Gestaltung der CO2-Bepreisung mit einer Rückverteilung der Einnahmen aus Zertifikatsauktionen gut umsetzbar. Neben dem Einbeziehen neuer Sektoren ist das Linking verschiedener ETS-Systeme eine attraktive Option. Dies beschreibt das Verbinden von ETS-Systemen, sodass Unternehmen aus einem System auch Zertifikate des anderen verwenden dürfen. Dadurch wird eine Angleichung und höhere Stabilität der Preise und eine effizientere Emissionsreduktion möglich. Geplant ist bisher das Linking des ETS mit dem Schweizer Emissionshandel für 2020. In der Zukunft ist auch die Verbindung mit weiteren ETS-Systemen, die sich derzeit global zunehmend verbreiten, denkbar. Die EU war mit der Einführung ihres Emissionshandelssystems 2005 globaler Vorreiter – mit den notwendigen Reformen und gesteigerter Ambition kann sie auch weiterhin Vorbild bleiben.
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