ESC 2016: Keine Stimme für Armenien

Ein Brief an die armenische ESC-Vertreterin Iveta Mukuchyan

, von  Tobias Gerhard Schminke

ESC 2016: Keine Stimme für Armenien
Eurovision Song Contest Myeongji Shin / Flickr/Creative Commons CC BY 2.0

Diese Woche schreibt Tobias Gerhard Schminke den Brief an Europa. Er adressiert ihn an Iveta Mukuchyan, die Teilnehmerin des Eurovision Song Contests 2016 für Armenien. Er erklärt ihr, warum er hofft, dass sie nicht gewinnt.

Liebe Iveta Mukuchyan,

du sprichst Deutsch, wie ich vernommen habe, denn du lebst in Deutschland. Du sagst von dir selbst, du seist eine Internationale, die den Frieden will. Das finde ich grundsätzlich schon einmal eine super Einstellung. Und das Lied, mit welchem du beim diesjährigen Eurovision Song Contest 2016 für Armenien antrittst, finde ich auch nicht schlecht. „LoveWave“ heißt es. Du willst Liebeswellen über den Kontinent schicken. Die Wetten prognostizieren für dich Platz Sechs in diesem Jahr. Vielleicht hätte ich, als treuer Anrufer beim ESC, ja auch für dich gestimmt. Gespielt habe ich mit dem Gedanken.

Leider hast du durch deine Aktion im Halbfinale meine Stimme leider verloren. Du hast die Flagge von Bergkarabach in die Kameras gehalten, nicht die von Armenien. Außerhalb der Kaukasusregion weiß kaum ein Europäer, warum das problematisch sein sollte. Bergkarabach ist ein Gebiet, welches völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehört. Armenien und die armenische Bevölkerung in Bergkarabach kontrollieren das Gebiet völkerrechtswidrig. In den vergangenen Monaten kam es zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen Aserbaidschan und Armenien. Beide Länder nehmen am Contest teil.

In diesem Kontext es ist irrelevant, ob im Konflikt selbst Armenien oder Aserbaidschan recht hat. Man kann für Frieden werben. Dafür gibt es bereits eine Flagge, die nach meinem Wissen nicht deckungsgleich ist mit der von Bergkarabach. Deine Aktion war, ob beabsichtigt oder nicht, eine nationalistische Provokation. Es geht darum, dass du ein klares politisches Statement im falschen Rahmen gesetzt hast. Die russische Kunstsponsorin Irina Prokhorova hat mir einmal gesagt, dass Kunst dort Brücken zwischen Menschen schlägt, wo kein politischer Dialog mehr möglich ist. Und gerade in diesen Zeiten auf unserem Kontinent ist dies auch die Aufgabe des Eurovision Song Contests. Du hast diese Brücke torpediert. Und deshalb gibt es heute von mir keine Stimme und ich hoffe, viele werden es mir gleich tun.