EU-weites freies WLAN? Bitte nicht!

, von  Michal Jarski, übersetzt von Jagoda Pokryszka

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EU-weites freies WLAN? Bitte nicht!
Freies WLAN für alle EU-Bürger*innen? Free Wifi by Nick Youngson CC BY-SA 3.0 Alpha Stock Images

Schon seit einiger Zeit verspüre ich eine Abneigung zur Idee des „freien WLAN für alle“. Nicht, weil ich ein Antisozialist oder Anti-Linker wäre, sondern weil die Kapazität und Qualität des freien WiFi deutlich schlechter sind als jene der mobilen Netzwerke. Darüber hinaus sind öffentliche WLAN-Netzwerke weitaus weniger sicher und deutlich anfälliger für Cyberangriffe, die auf den Diebstahl sensibler Daten oder die Kontrollübernahme über Geräte oder sogar ganzer Netzwerke abzielen.

Seitdem die Roaming-Gebühren im Juni 2017 abgeschafft wurden, sollte es klar sein, dass die mobilen Netzwerke die Zukunft der europäischen Vernetzung sind. „Roam Like At Home“ (RLAH) ist da: wenn man innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums reist, kann man die heimischen Datenpakete kostenfrei nutzen. Um zu verstehen, warum es nun so funktioniert, gehen wir zwei Jahre zurück.

Einige historische Fakten

Es ist November 2015, ein paar Tage nach der Verabschiedung der EU-Vorschrift 2015/2120, deren Ziel die Abschaffung der Roaming-Gebühren in der EU war. Die europäischen Institutionen haben zwei Jahre gebraucht, um den Vorschlag der Europäischen Kommission zur Gründung des Digitalen Binnenmarkts umzusetzen. Europaweit sind die Menschen froh und warten gespannt, bis die Regelung im Juni 2017 in Kraft tritt.

15. Juni 2017, die Roaming-Gebühren gelten nicht mehr innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums, RLAH und die Fair-Use-Bestimmung sind verbindlich. Ein Monat später begebe ich mich auf die erste europäische Reise ohne mir Sorgen darum machen zu müssen, freies WiFi zu haben. Solange ich das mobile Netzwerk erreichen kann, habe ich auch den freien Internetzugang, der von meinem Mobilfunkbetreiber gewährleistet wird. Es gibt somit keinen Bedarf mehr für WLAN, solange ich die EU-Roaming-Grenze von 4,5 GB nicht überschreite, die normalerweise für meinen Urlaub ausreichen sollte.

Im Mai 2017 bestätigt die Europäische Kommission derweil die Einführung freier öffentlicher WLAN-Netze an 6.000-8.000 Stellen in ganz Europa bis 2020. Diese Entscheidung ist nicht nur unverständlich, sondern auch absurd. Die Roaming-Gebühren sollen in einem Monat abgeschafft werden, also warum schafft man dann öffentliches WiFi, wenn jeder das eigene mobile Netzwerk im Ausland verwenden kann? Nach einem Gespräch mit einem Bekannten habe ich herausgefunden, dass das Hauptargument ist, eine leistbare Internetverbindung für alle zu schaffen, auch für jene, die es sich nicht leisten können. Teilweise kann ich dieses Argument nachvollziehen, aber aus ökonomischer Perspektive macht das keinen Sinn.

Die mögliche Alternative

Der Plan der Europäischen Kommission berücksichtigt nicht, dass das WLAN in drei Jahren am überflüssig sein könnte. Zweitens wird das zu entwerfende Netzwerk wahrscheinlich weniger effizient und teurer sein, als die Signalgeber der Mobilfunkbetreiber zu errichten und freie Datennutzung über mobile Netzwerke zu ermöglichen. Die Signalgeber sind zudem schon da – ebenso wie das Geld der EU-Kommission, nicht jedoch die benötigte WiFi-Infrastruktur.

Warum also noch einmal bei null anfangen, wenn sowohl bessere Ergebnisse erzielt (ein derartiges WLAN-Netzwerk hätte eine schlechtere Bandbreite) als auch die Kosten verringert werden können? Es ist nicht nur, dass dieser Service nur von denen angewendet würde, die sich die Internetdatenmengen nicht leisten können. Sie haben sicher andere Sorgen als keinen WiFi-Zugang, gelind gesagt. Die Einführung eines dermaßen teuren Netzwerks würde ihre wahren Probleme nicht lösen.

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Ihr Kommentar
  • Am 5. Oktober 2017 um 15:55, von  Richarz Als Antwort EU-weites freies WLAN? Bitte nicht!

    Generell muss man ja mehrere Effekte gleichzeitig beobachten. Ein Angebot von frei zugänglichem W-Lan könnte ja auch nur ein weiteres Angebot darstellen und muss nicht gleich alle anderen Anbieter verdrängen. Es könnte als Versicherung gegenüber „schlechten Zeiten“ gelten und wäre damit etwas komplett anderes als hier vorgeschlagen wird.

    Ökonomisch ergibt vieles Sinn. Es kommt immer nur darauf an wie man argumentiert. Ein Ausbau durch staatliche Regulierung (also das staatliche Monopolangebot) könnte sogar Qualität steigern, da dieser Wettbewerb zu einem Markt bringt der eigentlich recht oligopolistisch aufgebaut ist.

    Das dies höchstwahrscheinlich nicht das Hauptproblem von Personen löst, welche sich kein Internet leisten können, ist schon verständlich, doch (meiner Meinung nach) nur ein Scheinargument. Wieso kann man nicht andere Probleme parallel lösen und die Gesamtwohlfahrt steigern? Ein Zugang zum Internet von armen Personen kann nicht nur zur Weiterbildung beitragen sondern auch den Zugang zum Jobmarkt erleichtern, da Kosten gesenkt werden.

  • Am 5. Oktober 2017 um 16:23, von  AO Als Antwort EU-weites freies WLAN? Bitte nicht!

    Ich lese immer nur, dass man Rücksicht auf Menschen nehmen will, die sich kein Internet leisten KÖNNEN. Bei der mobilen Internetverbindung kann durchaus ein WOLLEN dahinter stehen. Nicht jeder Smartphone-Nutzer hat einen Vertrag. Ein solcher Vertrag lohnt sich nämlich nicht für jeden. Es gibt immer noch eine Menge Leute, welche ihr Device via Prepaid betreiben. Damit ist aber oft ein recht geringes Datenvolumen verknüpft. Wenn dieses aufgebraucht ist, wird vom Provider die Geschwindigkeit gedrosselt, oft bis zur Unbenutzbarkeit. In solchen Fällen ist ein frei verfügbares WLAN unter Umständen Gold wert. Insofern plädiere ich für parallele Möglichkeiten wie eben Mobilfunk plus WiFi. Breitbandleitungen befinden sich ja zumindest in der Planung und würden für eine adäquate Schnelligkeit des Datenflusses sorgen.

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