Beobachterrolle für Petro Poroschenko
Da die Eurasische Union oft als Inbegriff von Wladimir Putins Nostalgie für die frühere Sowjetunion betrachtet wurde, ist sie weitestgehend vom Westen ignoriert worden. Tatsächlich löste der Gipfel der Eurasischen Union im August 2014 in Minsk die Proteste in Kiew im letzten Winter aus. Putin traf den ukrainischen Präsident Petro Poroschenko, dessen Vorgänger Viktor Janukowytsch den Beitritt der Ukraine in den Zusammenschluss befürwortet hatte und damit eine Übereinkunft mit der EU ablehnte. Eine Wirtschaftsunion zwischen Kasachstan, Russland und Weißrussland bildete die Ausgangsbasis. Kirgisistan steht ebenfalls im Fokus. Kürzlich kündigte der armenische Präsident Sersch Sargsjan an, sein Land werde beitreten. Dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko wird hingegen nur die Rolle des Beobachters zugeschrieben.
Besonders das wirtschaftliche Potential wird von den russischen Staatsvertretern hervorgehoben. Dieses soll alle Industriezweige - vom Schwermaschinenbau in Weißrussland bis zum Rindfleisch aus Kasachstan - mit einschließen. Weiter unterstreichen sie den wachsenden Güteraustausch innerhalb der Eurasischen Union, der seit 2011 um 30 Prozent angestiegen ist. Dmitri Trenin, der Direktor der Moskauer Denkfabrik Carnegie Moscow Cente, stellt die wirtschaftlichen Vorteile einer Expansion in Frage. Das jährliche Handelswachstum liegt bei kaum mehr als 1,5 Prozent. Zudem wurde der anfängliche Zusammenbruch nach dem Aufheben der Handelsschranken Anfang 2011 ignoriert. Auch der Wirtschaftsminister der Union, Andrej Slepnew, glaubt nicht, dass die Union Russlands Wirtschaft aus der Rezession helfen könnte. Bei diesen negativen Prognosen stellt sich die Frage, aus welchen Gründen es die Eurasische Union dann überhaupt gibt.
Russlands Rolle in der Eurasischen Union
Laut dem ehemaligen armenischen Außenminister Alexander Arsumanjan möchte Russland die Vorherrschaft über kleinere Mitgliedsstaaten und den „Wiederaufbau“ der Sowjetunion sicherstellen. Slepnew besteht jedoch darauf, dass Russland keine Kontrolle über andere ausübt. Es scheint, als rühre Slepnews Kommentar daher, dass im Juni Weißrussland und Kasachstan Widerspruch einlegten, gegen russisches Bemühen, die Eurasische Union dazu zu bringen, zollfreie Importe aus der Ukraine zu blockieren. Darüber hinaus musste Russland sein Bemühen um den Aufbau eines eurasischen Parlaments nach Kasachstans Widerspruch aufgeben. Laut Konstantin Sonin von der Moskauer Higher School of Economics, wollen die kleineren Staaten von den wirtschaftlichen Vorteilen der Union profitieren, vor allem in Form von geringeren Energiepreisen von russischen Produzenten wie Gasprom und Rosneft. Ohne solche Lockmittel, sagt er, würden sich Länder wie Weißrussland eher der EU zuwenden, ähnlich wie es die Ukraine seit dem letzten Winter tut. Abgesehen von Putins tatsächlichem Ziel, würde ein eurasischer Staatenblock in wirtschaftlicher Hinsicht bedeutenden Einfluss ausüben.
Putin möchte kleine Staaten vor westlichem Einfluss „bewahren“
Trotz der fehlenden Vorteile für Moskau, mag Putins Wunsch nach einer etablierten Integration Eurasiens jedoch verwunderlich erscheinen. Einige Experten behaupten, dass Russland in Ländern wie der Ukraine und Armenien Fuß fassen möchte, sie jedoch nicht kontrollieren sondern vor westlichem Einfluss „bewahren“ möchte. Zudem wolle Moskau in der Eurasischen Union nicht so viel Macht ausüben, vielmehr soll es dem Anschein nach viel Macht besitzen.
Da Russland jeglichen Erfolg des Westens als eigene Niederlage betrachtet, wird es weiterhin sein Wunschziel verfolgen („A brief primer on Vladimir Putin´s Eurasian dream“, in The Economist, 23 August 2014). Abgesehen von Putins eigentlichen Zielen, würde ein eurasischer wirtschaftlicher Staatenbund einen bedeutenden Einfluss ausüben. Die ECU, aktuell aus drei Staaten bestehend, stellt einen Absatzmarkt für ungefähr 165 Millionen Menschen dar, einschließlich Kirgisistan und Armenien als voraussichtliche Mitgliedstaaten.
Zwischen politischem Erfolg und wirtschaftlichem Scheitern
Der vorausgesagte Erfolg der Eurasischen Union reicht bisher nicht aus, um für andere im Gebiet attraktiv zu werden. Dennoch ziehen Aserbaidschan und Moldawien mit Hinblick auf eine zukünftige Mitgliedschaft in der EU und wahrscheinlich auch die Zentralasiatischen Republiken Usbekistan, Turkmenistan und Tadschikistan das Projekt aus Moskau in Betracht. Zusätzlich halten Georgiens Krieg mit Russland 2008 und die Euromaidan Bewegung in der Ukraine diese ehemaligen UdSSR-Republiken davon ab, einer von Moskau geführten Union beizutreten.
Einige Experten bezweifeln, dass der Druck aus dem Kreml diese Staaten überzeugen kann, beizutreten. Andere, wie zum Beispiel Weißrussland, wiegen eine wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit mit Russland gegen eine wirtschaftlich weniger attraktive Alleinherrschaft auf. Es ist unklar ob die Russen selbst jeden begrüßen, verglichen mit einer EU inspirierten Eurasischen Union und die daraus folgende Zuwanderung von ausländischen Arbeitern.
„Die eurasische Zusammenarbeit ist eine Illusion des postsowjetischen Archipels, in welchem autoritäre Führer sich gegenseitig zur jeweiligen Machterhaltung benutzen“, schrieb die Autorin von „Putin´s Russia“ kürzlich. Der Wirtschaftswissenschaftler Anders Aslund geht noch weiter indem er Präsident Putins Projekt als ein „neo-imperialistisches Loch“ bezeichnet, in welches sich Russland „immer tiefer eingräbt.“
Bringt die Zukunft eine postsowjetische Rache?
Es wird sich zeigen, welche Ziele Russland mit der Eurasischen Union verfolgt. Ein Versuch den Westen mit einem „multipolaren“ Lösungsansatz zu provozieren? Die Schaffung einer Wirtschaftsunion, die eine verstärkte Eingliederung und Zusammenarbeit zum Ziel hat oder eine „moderne“ Version der UdSSR, während gleichzeitig das wirtschaftliche Wachstum der EU zurückgeht und diese dadurch an politischen Einfluss verliert.
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