Europa braucht eine gemeinsame Sprache

, von  Eve-Marie Chamot-Galka, übersetzt von Stéphanie-Fabienne Lacombe

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Europa braucht eine gemeinsame Sprache

Die größte Hürde für einen paneuropäischen Föderalismus ist das Fehlen einer gemeinsamen Zweitsprache, die jeder einfach lernen und verstehen kann. Eine solche lingua franca würde die nationalen und regionalen Sprachen nicht ersetzen, sondern wäre eine zusätzliche Verständigungsmöglichkeit. Auch wenn Englisch de facto diese Rolle eingenommen hat, heißt das nicht, dass es nicht bessere Alternativen gäbe.

Ein Mix aus Altniederländisch, Altnordisch und Altfranzösisch, das viele Wörter aus anderen Sprachen ausgeliehen hat sowie eine sehr unregelmäßige Grammatik und Rechtschreibung aufweist ist paradoxerweise zur lingua franca Europas geworden. Englisch hat eine im Gegensatz zu modernem Niederländisch oder Altgriechisch sehr komplizierte Aussprache und ist für die meisten Europäer schwer zu erlernen. Ein weitaus besseres gemeinsames Sprachkonzept stammt von Dr. Giuseppe Peano aus dem Jahr 1903. Der Professor aus Turin entwickelte ein 1931 publiziertes Sprachsystem, das „Latino Sine Flexione“, später „Interlingua“ genannt. Eigentlich Mathematiker, forschte und publizierte Peano nebenbei zu Hilfssprachen, die den Menschen die Verständigung über Sprachfamilien hinweg erleichtern würde. „Interlingua“ ist eine vereinfachte Form des Lateins, die Deklinationen weglässt, aber die Ausdruckstärke der Sprache behält. Diese Sprache wäre einfacher zu lernen und Peano setzte sich für sie als lingua franca in verschiedenen Feldern der Wissenschaft ein.

Eine US-amerikanische Forschungsgruppe, die IALA, wollte eine Kunstsprache entwickeln, die die Kommunikation für mathematische Publikationen revolutionieren sollte. Dabei wurden einige Ideen Peanos wiederaufgenommen und weiterentwickelt und 1951 unter dem Namen „Interlingua“ publiziert.

Heute wirken Peanos Ideen dennoch schlüssig. Warum also nicht seinen Gedanken aufgreifen und sich an dieses paneuropäische Projekt wagen? Man könnte die Sprache „Europeana“ nennen, sie wäre einfacher zu lernen als Englisch, wäre leichter auszusprechen und zu schreiben und würde die Vielfalt des Lateins wiedergeben, die eventuell größer wäre als die des Englischen. Europeana wäre zudem frei von politischen und nationalistischen Andeutungen, wenn man bedenkt, dass Latein von Lissabon bis Moskau und von Helsinki bis Athen wenn auch nicht gesprochen, aber immer noch gelehrt wird.

Hinzu kommt: das klassische Latein wurde etwa zur Zeit von Julius Cäsar in Rom gesprochen und ist bis heute offizielle Sprache der katholischen Kirche, auch wenn sich deren Kenntniss sogar unter Bischöfen nach und nach verliert. „Latina nova“, das „moderne Latein“, auf dem „Europeana“ basiert, entwickelte sich in Mittelalter und Moderne. Das Vokabular wurde um neue Begriffe erweitert, die es ermöglichen die Gegenwart adäquat zu beschreiben. Einige Wörter veränderten auch ihre Konnotation, zum Beispiel wurde das altlateinische Wort „novus“ (neu) in Rom mit Unzuverlässigkeit assoziiert, während es heute eher mit Innovation und Fortschritt konnotiert wird.

Einige Verfechter von Peanos Ideen versuchen die Idee unter dem Namen „Europeano“ wiederzubeleben (wobei die Bezechnung „Europeano“ auch „der Europäer“ heißen, und somit verwirren kann, daher wurde hier von „Europeana“ gesprochen). Auch die JEF könnte sich daran wagen, ein Sprachmagazin in „Europeana“ herauszugeben, eine Petition für eine „Academia de Europeana“ zu starten, in der die Sprache gelehrt würde, die Europäische Kommission aufzufordern, sprachliche Standards zu entwerfen und die Nutzung der Sprache als paneuropäisches Verständigungsmittel zu fördern.

Auch wenn dies eine gute Idee wäre, um die vielen Missverständnisse aus dem Weg zu räumen, liegt es letztendlich an den Sprechern und an jedem einzelnen von uns, zu erwägen, ob sie die Idee unterstützen und Europeana lernen wollen, so bizarr dies auf den ersten Blick auch erscheinen mag.

Ihr Kommentar
  • Am 22. Juni 2016 um 17:53, von  Politico Als Antwort Europa braucht eine gemeinsame Sprache

    Der Artikel ist unscheinbar ein wichtiger Schritt hier im Forum in der Debatte nach der europäischen Sprache schlechthin. Als Alternative zur lingua franca Englisch und zum Multilinguismus (Eng, Fra, Deu) des Sprachregimes der EU wird in diesem Forum oftmals auf Esperanto bzw. Latein verwiesen. In der Tat wollte Peano das bereits eingeführte Vokabular des Lateinischen mit der rationalen Grammatik einer Plansprache verbinden.

    Falsch ist hingegen in diesem Artikel die Darstellung der historische Einordnung von „Latino sine flexione“ in der Interlinguistik.

    Peano hatte seine Sprache 1903 unter dem Namen „Latino sine flexione“ vorgestellt. Schon 1908 wurde er zum Direktor der „Academia pro Interlingua“ bestellt. Ursprünglich wurde der Begriff „Interlingua“ als Gattungsbegriff für internationale Plansprachen verwendet. Erst später wurde Interlingua zum Synonym für „Latino sine flexione“.

    1924 wurde in New York die International Auxiliary Language Association (IALA; deutsch: Internationale Hilfssprachengesellschaft) gegründet. Sie hatte sich zum Ziel gesetzt, die wissenschaftliche Basis für die Auswahl einer bestehenden Plansprache, darunter „Latino sine flexione“, bzw. die Fusion bereits bestehender Plansprachen zu schaffen. Nachdem diese wissenschaftliche Vereinigung keine der untersuchten Plansprachen für geeignet hielt bzw. die Vertreter der verschiedenen Plansprachen sich nicht auf eine gemeinsame Plansprache einigen konnten, beschloss die IALA 1934 selbst, eine eigene Plansprache zu entwickeln, die 1951 unter dem Namen Interlingua veröffentlicht wurde. Die Namensnutzung geschah mit Genehmigung der „Academia pro Interlingua“. Sprachhistorisch betrachtet ist somit Interlingua/IALA die anerkannte Weiterentwicklung von Peanos „Latino sine flexione“.

    Daher lohnt es sich, sich mit Interlingua/IALA zu befassen. Interlingua ist keineswegs im Sande verlaufen. Sie ist neben Esperanto die wichtigste internationale Plansprache und wird täglich zur internationalen Kommunikation genutzt. Interlingua knüpft an das lingustische Erbe der europäischen Sprachen an und kann zur Europäische Identität beitragen.

    Interlingua es un lingua complete perfecte pro communication international a causa de su vocabulario international e un grammatica totalmente regular – sin exceptiones. Centos de milliones comprende Interlingua a prime vista. Interlingua functiona in casa, in scholas, in officios - in omne locos, ubi on necessita communication sin frontieras. Il ha multe materiales – sur papiro e electronic: litteratura original o traducite, belletristic o professional, magazines o brochures, e-libros, sitos in Internet. Le avantages es numerose.

    Quellen:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Interlingua

    https://fr.wikipedia.org/wiki/Interlingua_(IALA)

  • Am 4. Juli 2016 um 10:32, von  Stéphanie-Fabienne Lacombe Als Antwort Europa braucht eine gemeinsame Sprache

    Vielen Dank für diese Ergänzungen! Ich habe die Informationen der Autorin zukommen lassen und sie in die Übersetzung integriert!

  • Am 4. Juli 2016 um 21:22, von  Politico Als Antwort Europa braucht eine gemeinsame Sprache

    Vielen Dank!

    Die Weltunion für Interlingua hatte 2004 in einem internationalen Projekt den „Entwurf zu einem Verfassungsvertrag für Europa“ in Interlingua übersetzt. Hier kann man sich einen Eindruck von der Ausdrucksfähigkeit, Präzision und Verständlichkeit von Interlingua verschaffen:

    http://www.interlingua.com/archivos/Tractato%20de%20un%20Constitution%20pro%20Europa_0.pdf

    Welche Position vertritt eigentlich JEF zu internationalen Plansprachen?

    p.s.: bzgl. der Diskussion im thread „the disunited kingdom“. Ein posting über Interlingua im italienischen Thread über Sprachenpolitik wurde auch nicht veröffentlicht.

  • Am 6. Juli 2016 um 14:53, von  Marcel Wollscheid Als Antwort Europa braucht eine gemeinsame Sprache

    Lieber Politico,

    danke für den Hinweis. Es könnte sich dabei schlicht um ein Missgeschick handeln, sofern die Moderation im Content Management vorgeschaltet ist. Dadurch können Kommentare manchmal unabsichtlich übersehen werden. Gegebenenfalls lohnt sich auch der direkte Draht zur Redaktion zB auf Facebook: https://www.facebook.com/treffpunkteuropa.de/?ref=bookmarks

    Beste Grüße Marcel Wollscheid

  • Am 3. Oktober 2020 um 10:47, von  Christa Muth Als Antwort Europa braucht eine gemeinsame Sprache

    Das scheint mir eine sehr gute Idee ! Also, wann machen wir vorwärts? Zumindest war der kleine Mustertext für mich problemlos verständlich. Nächste Etappen sind Förderung, Entwicklung von ersten Benutzergruppen, Umsetzung mittels moderner Spachpädagogik. Ich bin dabei ...

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