„Was denkst du über Europa?“, fragte ich am Anfang meines Aufenthaltes in Israel einen Freund auf einer Stadttour durch Tel Aviv im August 2015. Mein Bekannter ist Israeli, universitär hochgebildet, Familienvater, religiös moderater Jude, politisch liberal und gehört der oberen Einkommensklassen an. Er fühle sich Europa in keiner Weise nah. Dort gebe es eine judenfeindliche und anti-israelische Stimmung. In der europäischen Gesellschaft gebe es die konsensuale Meinung, Israel sei als Aggressor einzustufen. Das Storytelling sei in der Bevölkerung dort häufig einseitig: Israel ist eine grausame Bestatzungsmacht. Regierungschef Netanyahu sei verrückt geworden, ein Kriegsnarr, nicht ernst zu nehmen. Die Palästinenser würden als eine verarmte, unverschuldet in ihre Situation geratene, leidtragende Bevölkerung dargestellt. Er stimmte einen Chor an, in den all jene einstimmten, die ich mit dieser Frage in Israel konfrontierte. Die Anschuldigung: Europäische Einseitigkeit.
Nicht alle Israelis, die durch Messerattacken, mit fliegenden Steinen oder mit fehlgelenkten Fahrzeugen angegriffen werden, sterben; die Angreifer werden dagegen meist durch Sicherheitskräfte erschossen. Deshalb übersteigt die Zahl der Attentäter die Zahl der israelischen Opfer. Die europäische Presse wiegt diese Zahlen auf, verweist auf die niedrige Opferzahl bei den Israelis und berichtet von erschossenen Palästinensern. Mit der Bezeichnung „Palästinenser“ wird nicht nur eine Nation diffamiert, sondern ein Wort unnötig umgangen: Attentäter. Die Frage, warum das Militär zur Waffe gegriffen hat, wird verschwiegen oder verschwindet meist in den hinteren Zeilen der inhaltlich flachen Artikeln.
Ausgeblendet wird auch, dass Israel ein Rechtsstaat ist, während die Hamas eine grausame Diktatur führt. Aus diesen Gründen geraten viele Europäer in die Versuchung, die Politik von Hamas und Co zu rechtfertigen. Und davor warne ich eindringlich.
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