Europas Fiskalpolitik und der Euro: Geschichte und Zukunft

Teil 2

, von  Chris Lisinski, übersetzt von Federico Permutti

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Europas Fiskalpolitik und der Euro: Geschichte und Zukunft
Erst vor wenigen Tagen haben die ersten Mitarbeiter der Europäischen Zentralbank die Räumlichkeiten im EZB-Neubau in Frankfurt am Main bezogen. Foto: „Frankfurt Skyline EZB 1“ © Frank Friedrichs / Flickr (https://www.flickr.com/photos/friedrichs/14153895259) / CC-BY-NC-ND 2.0-Lizenz (https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/)

Aus der Sicht des unbefangenen Durchschnittsbeobachters ist der finanzpolitische Rahmen der Europäischen Union recht kompliziert, besteht er doch aus Verträgen und Richtlinien, die sich oft überschneiden. Angesichts der turbulenten Zeiten, die die EU jüngst erlebt hat, lohnt es sich, einen genaueren Blick auf die Grundsätze der europäischen Fiskalpolitik zu werfen. Im zweiten Teil dieses Artikels wird auf die jüngsten Entscheidungen im Rahmen des Euro-Stabilitätspakts und den möglichen Ausblicken für die Eurozone eingegangen.

Reformen im Sechser- und Zweierpack

Im Zuge der Finanzkrise entwickelte die EU verschiedene Instrumente, um den Stabilitäts- und Wachstumspakt besser zu steuern. Zwei wichtige Maßnahmenpakete sind dabei das sogenannte „Six-Pack“ und das „Twin-Pack“.

Beim „Six-Pack“ handelt es sich um sechs europäische Rechtstexte, die im Dezember 2011 eingeführt wurden. Vier davon dienen einer verbesserten Finanzüberwachung durch verschärfte Vorgaben und strengere Strafen für Mitgliedstaaten, die ihre Haushaltsvorgaben nicht einhalten. Die anderen zwei Instrumente sollen dabei helfen, makroökonomische Ungleichgewichte zu verringern: Sie greifen also dann ein, wenn ein Mitgliedstaat in finanzielle Schwierigkeiten gerät und dies andere Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen droht. Auch enthält das „Six-Pack“ eine präzisere Definition von Staatsverschuldung. Dadurch soll schneller auf die sich ständig entwickelnden finanziellen Probleme der EU-Länder reagiert werden.

Dem „Six-Pack“ folgten anderthalb Jahre später, im Mai 2013, zwei weitere Instrumente zur besseren Überwachung der EU-Haushalte und Prävention weiterer Krisen. Die erste Komponente des „Two-Packs“ sieht vor, dass die Mitgliedstaaten bei der Aufstellung ihrer nationalen Haushalte ihr Engagement für die finanzpolitischen Ziele der EU unter Beweis stellen. Beim zweiten Teil liegt der Schwerpunkt auf einer verstärkten Überwachung von Mitgliedstaaten mit finanziellen Problemen. Das „Two-Pack“ ist eng mit dem Europäischen Semester verbunden – einem Zeitplan, dass es der EU-Kommission ermöglicht, die nationalen Haushaltsentwürfe frühzeitig zu überprüfen und gegebenenfalls korrigierende Maßnahmen zu empfehlen..

Mehr Stabilität, Koordinierung und Steuerung

Ein weiterer Reformschritt wurde 2012 eingeleitet, als die Staats- und Regierungschefs der Wirtschafts- und Währungsunion den „Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion“ unterzeichneten. Das auch „Europäischer Fiskalpakt“ genannte Abkommen, das am 1. Januar 2013 in Kraft trat, enthält keine neuen Rechtsinstrumente, sondern vertieft das bestehende Regelwerk.

Ziel ist es, für ausgeglichene nationalen Haushalte in den Mitgliedstaaten zu sorgen. Letztere sind nun gefordert, eine Schuldenbremse einzusetzen, sodass sie pro Jahr Schulden in Höhe von maximal ein Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) aufnehmen können – bei Länder mit einer Schuldenquote über 60 Prozent des BIP liegt die Obergrenze bei jährlich 0,5 Prozent. Darüber hinaus verpflichten sich die Mitgliedstaaten, einen Plan für die Reduzierung ihres Haushaltsdefizits zu erarbeiten, und andere Mitgliedstaaten umgehend über finanzielle Schwierigkeiten oder größere nationale Reformvorhaben zu informieren.

Trotz der strengeren Haushaltsvorgaben wird der Europäische Fiskalpakt kritisiert. Zum einen wird bemängelt, dass bei Verstößen nicht konsequent Strafmaßnahmen verhängt werden: Die Mitgliedstaaten könnten die Vorgaben demnach getrost ignorieren und sich auf die finanzielle Unterstützung der anderen Staaten verlassen. Zum anderen kritisieren die Gegner des Fiskalpakts, dass dieser keinen konkreten Rechtstext, sondern nur allgemeine Leitlinien enthalte. Zudem werde die EU letztendlich geschwächt, weil es sich um keine von der EU-Kommission initiierte Rechtsmaßnahme handle.

Welche Zukunft für den Euro?

Die allgemeinen Wachstumsprognosen für die EU gehen weiter zurück – daran wird das voraussichtlich stärkere Wachstum finanziell schwacher Staaten wie Irland und Griechenland wohl wenig ändern. Vor diesem Hintergrund ergibt sich die Frage, wie die Zukunft des Euros aussieht. Die Antworten der Volkswirten reichen dabei vom endgültigen Scheitern bis hin zu positiveren Szenarien, die eine geeignete Steuerung samt Wachstumsplänen und kleineren Hilfsmaßnahmen voraussetzen.

Einerseits ist für die europäische Währung die Tatsache problematisch, dass die Mitglieder der Eurozone unterschiedliche Inflationsraten aufweisen. Je höher die Inflation eines Landes, desto teurer werden dessen exportierte Güter. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, muss der Staat den Wechselkurs seiner Währung anpassen: Dies ist in der Eurozone nicht möglich.

Andererseits wird das Argument vorgebracht, dass eine Vertiefung der politischen Integration der EU-Staaten eine Lösung bieten würde, da die engere Zusammenarbeit zu einer erhöhten Stabilität führen könnte.

Bei aller Kritik bleibt der Euro jedoch eine fortschrittliche Idee, die einen wesentlichen Beitrag zu einem vereinten Europa leisten kann. Bei guter Konjunktur schafft die gegenseitige Abhängigkeit schließlich mehr Prosperität. Die Herausforderung besteht darin, gemeinsam den Risiken der schlechteren Zeiten entgegenzutreten.

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