Europas Spitzenkandidaten

, von  David Zajonz

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Europas Spitzenkandidaten
Foto: © Europäische Kommission 2014

Die Europawahlen stehen vor der Tür und die Parteien bringen sich in Stellung. Ein halbes Jahr vor der Wahl sind die ersten Entscheidungen bereits getroffen. Wer sind die Männer und Frauen, die in den nächsten Monaten um Stimmen kämpfen werden? Ein Überblick von David Zajonz

Die europäischen Sozialdemokraten (PES) haben sich bereits festgelegt. Der Deutsche Martin Schulz soll den Sprung vom Parlaments- zum Kommissionspräsidenten schaffen. Schulz sitzt seit fast 20 Jahren ununterbrochen im Europaparlament - davon lange Zeit als Vorsitzender der sozialdemokratischen Fraktion. Von den 32 Mitgliedsparteien der PES haben sich 22 für Schulz als Kandidaten ausgesprochen.

Alles offen bei den Konservativen, Twitter-Verwirrung um ALDE

Bei den Konservativen ist die Lage weniger eindeutig - ein Spitzenkandidat ist noch nicht gekürt. Und selbst wenn sich die EPP auf eine Person festlegt, bedeutet das nicht, dass diese bei einem Wahlsieg auch tatsächlich Kommissionspräsident wird. Es gäbe keinen Automatismus, hat die deutsche Kanzlerin Angela Merkel klargestellt. Als aussichtsreichste Kandidaten galten Polens Premierminister Donald Tusk und die luxemburgische Vizepräsidentin der EU-Kommission Viviane Reding. Ersterer hat aber bereits Gerüchte über eine mögliche Kandidatur zurückgewiesen. Letztere plädierte kürzlich für eine dritte Amtszeit des amtierenden Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso. Siegen die Konservativen, bleibt also womöglich alles beim Alten. Die Liberalen werden mit hoher Wahrscheinlichkeit den Belgier Guy Verhofstadt aufstellen. Per Twitter hatte das Europäische Parlament bereits etwas voreilig seine Kandidatur verkündet. ALDE (Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa) dementierte umgehend, entschieden werde erst im Februar. Den durchaus amüsanten Meinungsaustausch zwischen dem Europaparlament und der liberalen Fraktion kann man hier nachlesen.

Primaries bei den Grünen, Tsipras für die Linke

Einen Vorwahlkampf im US-amerikanischen Stil führen gerade die Grünen mit den “Green Primaries” durch. Vier Kandidaten stehen zur Wahl - der Franzose José Bové, die Italienerin Monica Frassoni sowie die beiden Deutschen Rebecca Harms und Ska Keller. Bis zum 28. Januar nächsten Jahres kann online über sie abgestimmt werden. Wahlberechtigt sind nicht nur Parteimitglieder, sondern alle Europäer über 16 Jahre. In den Wochen vor der Abstimmung diskutieren die Spitzenkandidaten miteinander und mit Bürgern vor Ort. Übertragen werden die Debatten im Netz.

Die Europäische Linke setzt auf den Griechen Alexis Tsipras. Der 39-Jährige hatte im Sommer vergangenen Jahres einen Triumph gefeiert, als er mit seinem Links-Bündnis SYRIZA zweitstärkste Kraft im griechischen Parlament wurde. Tsipras ist ein entschiedener Kritiker der Sparpolitik der Troika, hat sich aber mehrfach für den Verbleib Griechenlands in der EU und in der Eurozone ausgesprochen.

Europagegner als Königsmacher

Die große Unbekannte bei diesen Wahlen sind die Euroskeptiker. In Umfragen für die Europawahl in Frankreich liegt der nationalistische Front National derzeit vor allen anderen Parteien. Zusammen mit dem Niederländer Geert Wilders hat Parteichefin Marine Le Pen die „Europäischen Allianz für die Freiheit“ gegründet und will - so merkwürdig das klingen mag - im Europaparlament eine Fraktion der Europagegner gründen.

Ein erfolgreiches Abschneiden des neuen Rechts-Bündnisses könnte weitreichende Folgen haben, nicht nur, weil dadurch Mehrheiten bei Abstimmungen innerhalb des Parlaments schwieriger werden. Falls die euroskeptischen Kräfte im Parlament genügend Stimmen bekommen, hätte keiner der beiden pro-europäischen Blöcke eine alleinige Mehrheit. Dann könnte es zu einer großen Koalition aus Sozialdemokraten und Konservativen kommen. Für die Postenvergabe entscheidend wäre in einem solchen Fall, welche dieser beiden Fraktionen mehr Sitze hat. Umfragen zufolge liegen beide nahezu gleichauf. Die Wahl wird spannend.

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