Flüchtlingskrise erschüttert politische Stimmung in Europa

europeanmeter 09/2015: Politische Stimmung in der EU

, von  Tobias Gerhard Schminke

Flüchtlingskrise erschüttert politische Stimmung in Europa
Die Parteien der rechtspopulistischen Fraktionen EFDD und ENF legen in diesem Monat im Zuge der Flüchtlingskrise zu Foto: treffpunkteuropa.de

Das europeanmeter des Monats September 2015 zeigt, dass die Verschärfung der Flüchtlingskrise die politische Stimmung in ganz Europa verändert. Die Hauptprofiteure in dieser Situation sind rechtspopulistische Parteien.

Rechtspopulisten gewinnen

Die gemäßigen Rechtspopulisten der EFDD-Fraktion legen einen Prozentpunkt zu und liegen nun bei 5 Prozent. Einige Umfragen in Schweden sehen die dortige EFDD-Partei „Schwedendemokraten“ erstmals auf dem ersten Platz im Parteienranking. Schweden nimmt besonders viele Flüchtlinge auf. In Italien erreicht die ebenfalls der EFDD angehörige „Fünf-Sterne-Bewegung“ mit rund 26 Prozent einen neuen Höchstwert.

Die radikaleren Rechtspopulisten von Marine Le Pen liegen in Frankreich, den Niederlanden und in Österreich teils mit signifikantem Abstand vor den anderen Parteien. In Österreich wird eine Regierungsbildung ohne die Le-Pen-Freunde zunehmend schwierig, wie es die Regionalwahl in Oberösterreich in diesem Monat eindrucksvoll gezeigt hat. Die Parteien von Le Pens ENF-Fraktion liegen europaweit aktuell bei 6 Prozent (+1) und erreichen damit einen neuen Höchststand. Rechtsextreme Parteien erhalten weiterhin 1 Prozent aller Wählerstimmen in der EU. Ausländerfeindliche Parteien stehen damit bei rund 13 Prozent europaweit. Dies entspricht einem neuen und nie dagewesen Rekordwert.

Erstmals seit 1999: S&D und EPP gleich stark

Ebenfalls historisch ist der Gleichstand der beiden europäischen Volksparteien EPP (Christdemokraten) und S&D (Sozialdemokraten). Die EPP verliert in diesem Monat einen Punkt und liegt damit bei 26 Prozent mit den Parteien der S&D-Fraktion (unverändert) gleichauf. Zuletzt lag die S&D-Fraktion bei einer Europawahl 1999 vor der EPP-Fraktion. Vor allem in Deutschland, aber auch in Österreich, Schweden und Italien hatten die Christdemokraten im September moderat federn lassen müssen. Auch Viktor Orbans Partei Fidesz ist Teil der EPP. Er konnte im Zuge seiner restriktiven Flüchtlingspolitik deutlich zulegen und den Aufstieg der rechtsextremen Jobbik stoppen.

Liberale als Gegengewicht zu Asylkritikern

Die neue liberale Partei „.N“ in Polen gewinnt kräftig hinzu, was sich positiv auf das gesamteuropäische Ergebnis der Liberalen auswirkt: Die ALDE-Frakion erreicht mit 11 Prozent (+1) den besten Wert seit der Europawahl 2014. .N kann als Gegenbewegung zur restriktiven Ausländerpolitik in Polen betrachtet werden. Die Grünen und die konservative ECR-Fraktion verlieren einen Punkt und landen bei 4 bzw. 10 Prozent. Andere Parteien erhalten unverändert drei Prozent.

Europa wächst mehr und mehr zusammen. Politische Phänomene wie Arbeitslosigkeit oder die Reaktion der Bürger auf ein Atomunglück wie das von Fukushima treten vermehrt in mehreren EU-Ländern zeitgleich auf. Dies wirkt sich auch auf das Wahlverhalten aus - es entsteht ein gesamteuropäisches Wahlverhalten. Deshalb macht es Sinn ein politisches Stimmungsbarometer für die EU28 zu entwerfen. Die Resultate basieren auf den Ergebnissen nationaler repräsentativer Umfragen aller EU28-Staaten. Stichtag ist jeweils der 30. Tag eines Monats. Statistisch weist dies natürlich deshalb Mängel auf, weil nicht immer Umfragen zur Europawahl, sondern nur zu nationalen Wahlen erhältlich sind. Hintergründe zu den verwendeten Umfragen erfahren Sie auf Anfrage unter tschmink(at)students.uni-mainz.de. Details zu anderen regelmäßig erhobenen Analysen unter europeanmeter.wordpress.com.
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