Gipfel der Eurogruppe – neuer Präsident, alte Austeritätspolitik?

, von  Théo Boucart, übersetzt von Etienne Höra

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Gipfel der Eurogruppe – neuer Präsident, alte Austeritätspolitik?
Der portugiesiesche Finanzminister (in der Mitte) ist mittlerweile Präsident der Eurogruppe. © EU2016 SK / Flickr/ Creative Commons 0-Lizenz

Es war nicht irgendein Treffen der Eurogruppe, das am 4. Dezember stattfand, denn es ging darum, einen neuen Vorsitzenden der Eurogruppe zu wählen. Am Ende konnte sich der portugiesische Finanzminister Mário Centeno durchsetzen, unter anderem mit der Unterstützung Deutschlands und Frankreichs. Schafft er es trotzdem, den Austeritätskurs zu revidieren, der in den anderen Ländern Südeuropas herrscht, vor allem in Spanien, Griechenland und Zypern? Die wirtschaftliche Lage dieser Länder war ebenfalls Gegenstand des Treffens.

Die Eurogruppe ist ein seltsamer Auswuchs der europäischen Institutionenlandschaft. Das Gremium wird von den Finanzministern der 19 Länder der Eurozone gebildet. Ähnlich wie der Europäische Rat ist die Eurogruppe eigentlich eine informelle Zusammenkunft, die aber für die Koordination der Wirtschaftspolitik der einzelnen Euroländer eine zentrale Rolle spielt. Die Eurogruppe ist so wichtig geworden, dass sie das Treffen des Ministerrats für Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN) der EU längst in den Schatten stellt. Dabei ist dieser explizit in den europäischen Verträgen verankert. Das Treffen der Eurogruppe vom 4. Dezember war aus zwei Gründen noch bedeutender als die vorherigen. Die versammelten Finanzminister haben die wirtschaftliche Lage in drei südeuropäischen Ländern im Rahmen des Europäischen Stabilitätsmechanismus bewertet, ein richtungsweisender Schritt für die wirtschaftliche Zukunft dieser Länder. Mit Mário Centeno, dem Finanzminister, der wesentlich für das neue „portugiesische Wirtschaftswunder“ seit 2015 verantwortlich ist, hat sich das Organ außerdem einen neuen Präsidenten gewählt.

Bestandsaufnahme des Reformprogramms für Griechenland

Die Lage in Griechenland war ein wichtiger Punkt auf der Tagesordnung des Gipfels. Im Einzelnen ging es um den Stand der Implementation des dritten Reformpakets, das seit August 2015 in Kraft ist. Griechenland ist das Land, das am meisten unter der europäischen Schuldenkrise gelitten hat. Um die enormen Schulden abtragen zu können, hat die griechische Regierung Mitte 2015 eine erneute Finanzhilfe beantragt. Der ESM hat Zahlungen in Höhe von 86 Milliarden Euro freigegeben, im Austausch gegen ein radikales Reformpaket, das eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und eine Senkung der öffentlichen Ausgaben beinhaltet.

Dieses Programm läuft planmäßig bis August 2018. In seiner letzten Pressekonferenz als Chef der Eurogruppe hat Jeroen Dijsselbloem betont, dass es „gute Nachrichten“ bei der Umsetzung der Strukturreformen gebe. Ein ausführlicher Report zu den Reformen wird im Januar 2018 erscheinen. Es ist allerdings nicht leicht, weiter die Vorteile in der gleichen Sparpolitik zu sehen, die seit vielen Jahren in Griechenland angewandt wird. Zwischen 2008 und 2015 ist das griechische BIP laut Eurostat um 37,5% geschrumpft, die öffentlichen Schulden liegen weiterhin bei 181% des BIP. Zwar gibt es einen Außenhandelsüberschuss, dieser lässt sich aber vor allem auf einen massiven Einbruch des inländischen Konsums zurückführen.

Nachsorge in Spanien und Zypern

Die wirtschaftliche Lage in Spanien und in Zypern wurde ebenfalls untersucht. Diese ist zwar deutlich weniger dramatisch, bleibt aber im Ganzen wenig beneidenswert. Nach ähnlichen Reformprogrammen in beiden Ländern wurden Überwachungmissionen entsandt, die deren Fortschritt beobachten. Die Europäische Kommission und die EZB haben die Ergebnisse dieser Überwachungsmissionen auf dem Gipfel vorgestellt. Dijsselbloem bescheinigt beiden Ländern hervorragende Fortschritte und relativ hohe Wachstumsraten. Für 2018 sind in Spanien bis zu 3%, in Zypern 2,3% Wachstum vorhergesagt. Die beiden Länder haben 2012 (Spanien) bzw. 2013 (Zypern) Hilfe von der EU angefordert. Trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs bleiben die öffentlichen Schuldenstände seit der Umsetzung der Programme bei etwa 100% des BIP. Die Sparprogramme haben außerdem tausende, oft junge und gut ausgebildete Spanier und Zyprioten gezwungen, ihr Land zu verlassen, was langfristig wiederum negative Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum haben wird.

Welchen Handlungsspielraum hat Mário Centano?

Der neue Präsident der Eurogruppe und derzeitige portugiesische Finanzminister tritt seinen Posten im Januar an. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie: ein südeuropäischer Minister, der eine Politik verfolgt, die den gängigen Sparzwängen zuwiderläuft, aber trotzdem von Deutschland unterstützt wird. Über welchen Handlungsspielraum verfügt Centano? Für die Presse in seinem Land scheint die Antwort klar: keinen. Laut dem Observador, einem eher rechtsgerichteten Medium, werde die Wirtschaftspolitik der Eurozone zuerst in Berlin, dann in Paris entschieden. Der Vorsitzende der Eurogruppe sei lediglich ein Sprachrohr der neoliberalen Politik dieser Institution. Das zentristische Blatt Diário de Noticias stellt fest, dass es nie von Vorteil sei, mehrere Ämter gleichzeitig auszuüben, vor allem, wenn die nationalen Wahlen immer näher rücken.

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