Glaskugel 2016

Glaskugel 2016
Blick in die Glaskugel: Was wird Europa im Jahr 2016 bewegen? © trombone65 Flickr/ CC BY-ND 2.0-Lizenz

Zwei unserer Autoren wagen einen Blick in das Jahr 2016. Jeder auf seine Weise.

Die Union braucht (neue) Regeln

Marcel Wollscheid - Chefredakteur von treffpunkteuropa.de

Um gute Vorsätze für ein neues Jahr zu formulieren, ist ein Rückblick auf das angebracht, was in der Vergangenheit schief lief. 2015 kann in dieser Betrachtung nicht als Erfolgsjahr für die Europäische Union gelten.

Wie Rainer Hank in der FAZ korrekt darlegt, wird der politische und rechtliche Ausnahmezustand in der Union langsam zum „new normal“. Die Maastricht-Kriterien werden weiterhin von mehreren Euro-Staaten nicht eingehalten; Griechenland erhielt nach monatelangen Querelen mit einer neuen Regierung aus Links- und Rechtspopulisten das mittlerweile dritte Hilfspaket im Umfang von 86 Milliarden Euro. Das Dublin-Verfahren erwies sich angesichts des Flüchtlingsstroms nach Europa als vollkommen ungeeignet. Die Mitgliedsstaaten missachteten das Verfahren nach Belieben - gerade Deutschland spielte mit einem unilateralen und gleichermaßen unkalkulierbaren Vorgehen eine unrühmliche Rolle. In der Folge zogen die Staaten ihre Binnengrenzen wieder hoch. Dies ist zwar im Schengen-Abkommen temporär vorgesehen, jedoch eine einschneidende Abkehr von jenem Europa der offenen Grenzen, von dem die Bürger wirtschaftlich und kulturell so sehr profitieren. All das wurde jedoch erst notwendig, weil die Mitgliedsstaaten den Schutz der EU-Außengrenze - wie im Schengener Abkommen vereinbart - nicht gewährleisten konnten.

Die Lehre aus 2015: Wenn Willkür und Misstrauen zwischen den europäischen Staaten herrscht, besteht keine Grundlage für politische Integration. Damit 2016 ein besseres Jahr wird, braucht es in Fällen wie der Asyl- und Flüchtlingspolitik neue gemeinsame Regeln und Institutionen in der EU. In anderen Fällen würde eine tatsächliche Umsetzung der bestehenden Rechtsordnung reichen, um Verlässlichkeit zwischen den europäischen Staaten wiederherzustellen und politische Ergebnisse zu erzeugen, die das Vertrauen der Bürger in die Handlungsfähigkeit der EU stärken. Abseits frommer Wünsche wäre das das beste Rezept gegen Populisten und Separationsbewegungen in Europa.

Es wird ein Kampf

Martin Samse - Autor für treffpunkteuropa.de

Kampf um die Demokratie: Das Jahr 2015 endet mit einem Etappensieg: Ein zu befürchtender Triumph des Front National bei den Regionalwahlen in Frankreich konnte vorerst abgewendet werden. Es war ein Sieg auf Kosten des politischen Pluralismus: Innerhalb linker Parteien wurde dazu aufgerufen, die konservativen Kandidaten in den Regionen zu stärken, um zumindest einen Sieg der Rechtsextremen zu verhindern. Dass im demokratischen Parteienlager zu diesen Mitteln gegriffen werden muss ist bedauerlich - in Zeiten der politischen Polarisierung aber unvermeidlich. Auch 2016 muss der Kampf gegen das braune Übel weitergehen: In Osteuropa, wo der Populismus gegen die EU sich immer weiter ausbreitet. In den Niederlanden, wo auch 2016 mit Geert Wilders ein rechtspopulistischer Shootingstar ins Rennen für die Parlamentswahl gehen wird. Und auch in Deutschland, wo das rechtskonservative Milieu mit rassistischen Entgleisungen weiter ihre eigenen Grenzen austestet.

Kampf um die Währungsunion: Alexis Tsipras ist ein Phänomen: Zum Jahresbeginn 2015 als Regierungschef Griechenlands ins Amt gewählt, um den Kampf mit den Eurorettern aufzunehmen, vollführte er im Sommer eine 180-Grad-Wendung und versucht nun in Griechenland eine Konsolidierungspolitik im Sinne der Geldgeber durchzusetzen. Dass er dabei bisher den Rückhalt der Bevölkerung nicht verloren hat ist erstaunlich. Denn auch im fünften Jahr der Sparpolitik in Griechenland hat sich die Ausgangslage nicht geändert: Die Arbeitslosigkeit ist unverändert hoch, die soziale Lage prekär und die Schuldenlast des Staates untragbar. Grexit, Graccident, Parallelwährung, Schuldenschnitt – alles ist noch drin. 2016 wird Griechenland wieder auf die Agenda kommen und der Kampf um die europäische Währungsunion weitergehen.

Kampf gegen den Terror: Nach den Anschlägen von Paris vom September 2015 rief Frankreichs Präsident Francois Hollande zum „Krieg gegen den Terror“ auf. Er schart europäische Partner um sich: Mit Frankreich, Großbritannien und Deutschland beteiligen sich somit europapolitische Schwergewichte unmittelbar am Luftkrieg in Syrien. Das Ziel: die Terroristen des IS in Syrien zu besiegen ohne dabei den syrischen Diktator Assad zu unterstützen. Ohne Assads Bodentruppen ist gemäß von Expertenmeinungen ein Sieg gegen den IS allerdings kaum möglich. Assad zu stärken ist wiederum das Ziel Putins, der ebenfalls Bomben auf Syrien wirft. Aber hatte man nicht mit dem noch etwas wegen dieser Geschichte in der Ukraine zu klären? Ist er jetzt wieder unser Freund? Und was hat Saudi-Arabien in Syrien vor? Sehr verwirrend... Klar ist: 2016 wird in Syrien gekämpft. Wer mit wem zusammen, gegen welche Truppen und für welches Ziel ist nicht ganz klar – doch Opfer wird es geben, auch auf europäischer Seite.

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