Kenias EU-Export: Gut für Europäer, schlecht für Kenianer

, von  Bob Koigi | EurActiv.de | Übersetzt von: Jule Zenker

Kenias EU-Export: Gut für Europäer, schlecht für Kenianer
Kenia: Auf dem Weg zur Zwei-Klassen-Wirtschaft? © CIAT / Flickr / CC BY-SA 2.0 - Lizenz

In Kenia braut sich eine Gesundheitskrise zusammen. Während afrikanische Landwirte qualitativ hochwertige Produkte für den europäischen Markt erzeugen, setzen sie bei Frischwaren zum lokalen Verkauf auf schädliche, kostengünstige Pestizide.

Europas Markt gibt strenge Standards für importierte Produkte vor. Viele Exporteure sind auf die Vorgaben nicht ausreichend vorbereitet. Kenia ist einer der größten Produzenten von Frischwaren für die EU. Das Land exportiert 40 Prozent seiner Erzeugnisse, muss nun jedoch die Zeche für beanstandete Produkte zahlen. Die Gemeinschaft verbietet Waren mit hohen Pestizid- und Schwermetallrückständen, die sie für gesundheits- und umweltschädlich befindet.

Kenia exportiert vor allem Blumen, Gemüse, Obst, Bohnen und Fisch in die EU. Die Union hat das afrikanische Land genau im Blick als einen der Exporteure, deren Produkte einen zehnprozentigen Anstieg an Reststoffen aufweisen. Die Rückstandshöchstwerte der EU legen die maximal zulässigen Pestizidkonzentrationen in oder auf Lebensmitteln fest. Durch diese Klassifizierung soll sichergestellt werden, dass Verbraucher so wenig Rückständen wie möglich ausgesetzt sind. Elf kenianische Exportunternehmen dürfen ihre Produkte bereits nicht mehr an die EU verkaufen, da diese den europäischen Standards nicht entsprechen.

Bemühungen um den EU-Exportmarkt

Doch die etwa 15.000 kenianischen Landwirte, die Gartenbau für den EU-Export betreiben und zehn Prozent aller Hortikulturbetriebe ihres Landes ausmachen, passen sich immer mehr an die Anforderungen des europäischen Marktes an. Sie nutzen Pestizide wohlüberlegt und halten sich an die Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes, zu denen auch eine biologische Schädlingsbekämpfung und nachhaltige Erntezeiten zählen. Um die EU-Verbote zu lösen, bietet Kenia vermehrt Training für Landwirte an und beauftragt Institutionen wie die staatseigene Pflanzenschutzaufsicht KEPHIS (Kenya Plant Health Inspectorate Services), stichprobenartig Inspektionen vorzunehmen.

„Wir haben bis tief in die Nacht gearbeitet, um dafür zu sorgen, dass zumindest einige unserer Produkte auf den Exportmarkt kommen“, betont Dr. Casper Akumu von der Abteilung Agrarbetriebe des Ministeriums für Landwirtschaft, Viehzucht und Fischerei. „Bisher konnten wir die Absagen halbieren. Unsere Landwirte halten sich an nachhaltige Agrarpraktiken. Auch Institutionen wie KEPHIS wurden gestärkt, um einen Überblick zu bekommen, welche Produkte das Land verlassen und an den Exportmarkt gehen. Wir wollen sicherstellen, dass sich all unsere Exporteure streng an die Prinzipien des Handelspaktes mit der EU halten, denn dieser Markt ist für uns enorm wichtig.“

Margaret Mwireri ist Mitarbeiterin der Direktion Gartenbau, einer staatlichen Behörde, verantwortlich für die Regulierung und Weiterentwicklung der Hortikultur in Kenia. „Wenn auch nur ein Exporteur vermahnt oder abgelehnt wird, schadet das dem Ruf der gesamten Branche und Tausende Landwirte müssen darunter leiden. Daher haben wir uns ernsthaft mit dem Kapazitätenausbau und den Technologien beschäftigt, mit denen wir das Problem anpacken können“, erklärt sie. „Wir freuen uns, dass es funktioniert. Auch der europäische Markt hat sich zufrieden gezeigt mit unserem Umsetzungstempo und den Ergebnissen.“

„Tickende Zeitbombe“

Die Tatsache, dass sich das Land so sehr am Exportmarkt orientiert, birgt jedoch ein anderes schwerwiegendes Problem, welches Verbraucherverbände und Ärzte als „tickende Zeitbombe“ bezeichnen: Die auf dem Exportmarkt meist aus gesundheitlichen Gründen abgelehnten Produkte finden ihren Weg zurück in lokale Verkaufsstände. Hier sind die Kontrollen sehr lax. Wenn ein Exporteur erfährt, dass seine Ware kurz vor dem Markteintritt beanstandet wird, spricht er sich oft mit unseriösen Händlern ab. Diese nehmen seine Produkte zurück zum lokalen Markt und verkaufen sie dort.

Lokal angebotenes Obst und Gemüse weisen oft eine hohe Metall- oder Pestizidbelastung auf, warnt der Interessenverband COFEK (Consumer Federation of Kenya), der sich für die Verbraucherrechte in Kenia einsetzt. Besonders alarmierend sei, dass viele Kenianer diese Produkte kaufen, ohne von deren gesundheitsschädigender Wirkung zu wissen. „Wir sprechen hier von Frischwaren, die zum Teil schwerste Metalle wie Blei oder andere krebserregende Stoffe enthalten. Womöglich lassen sich auf diese Weise die steigenden Krebszahlen im Land erklären“, kritisiert der Mediziner Dr. Muli Musau. Er führt aktiv Tests und Studien über die Lebensgewohnheiten in Ostafrika und ihren Beitrag zu Krebserkrankungen durch.

Oftmals nutzen Landwirte für den Anbau von Erzeugnissen, die für den lokalen Markt bestimmt sind, gefälschte Pflanzenschutzmittel oder aber für den Export unzulässige Substanzen. Eine dieser Chemikalien ist das hochgradig gefährliche Dimethoat. Auf die Empfehlung mehrerer Studien hin untersagte die kenianische Regierung vor drei Jahren die Verwendung des Stoffes beim Obst- oder Gemüseanbau. Doch die einzigen, die sich daran halten, sind die EU-Exporteure. Eine landesweite Stichprobenkontrolle in Läden für Agrar- und Viehzuchtprodukte zeigte, dass Dimethoat noch immer überall frei erworben werden kann. Bei den kenianischen Landwirten ist es aufgrund seines günstigen Preises besonders beliebt. „Das ist wirklich traurig. Wenn etwas auf dem EU-Exportmarkt wegen gesundheitlicher Bedenken abgelehnt wird, sollte es auch hier verboten werden“, so Musau.

Während die 930 Millionen Euro schwere Industrie versucht, sich an die dynamischen Märkte anzupassen, stellen sich die größten Branchenakteure auch weiterhin die schwierige Frage, wie man verhindern kann, dass die hausgemachte Gesundheitskrise weiter außer Kontrolle gerät.

Dieser Artikel ist zuerst bei unserem Medienpartner EurActiv erschienen.

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