Warum präsentiert die EU nun eine CCS Strategie?
Mit dem „Fit for 55“ Paket hat sich die EU ein sehr ambitioniertes Ziel zur Reduktion der Emissionen gesetzt. Um das Ziel bis 2030 zu erreichen, soll nun eine europäische Infrastruktur zum Transport und der Abspeicherung von CO2 entstehen. Auch der Weltklimarat geht mittlerweile davon aus, dass das 1.5 Grad Ziel nicht mehr ohne die Abspeicherung von CO2 erreicht werden kann. Mit der nun vorgestellten „Industrial Carbon Managment Strategy“soll Ausbau, Forschung und Entwicklung eben jener Kohlenstoffspeicherung koordiniert werden. Bis 2030 sollen CO2-Speicherkapazitäten in Höhe von mindestens 50 Millionen Tonnen pro Jahr, inklusive der dazugehörigen Transportinfrastruktur entstehen. Dass CO2 soll dafür größtenteils aus Industrien stammen, in der die CO2 Reduktion besonders herausfordernd ist, beispielweise in der Zementindustrie. Aus einem Bericht der Sitftung für Wissenschaft und Politik (SWP) geht hervor, dass das Abspeichern dieser sogenannten „hard to abate“ Emissionen entscheidend für das Erreichen des europäischen Klimazwischenziels im Jahr 2030 sei. Auch in Deutschland wird der Sektor der Beton und Zementindustrie maßgeblich über das Erreichen der Klimaziele entscheiden. Das hat auch Robert Habeck erkannt – als Umweltminister bisher strikter Gegner der Technologie, muss er nun als Bundesminister für Wirtschaft und Umweltschutz zwei Interessen unter einen Hut bringen. Wirksamen Umweltschutz bei gleichzeitigem Erhalt der Wirtschaft. Befürworter*innen von CCS sehen in der Technologie eine Vereinbarkeit dieser zwei konträr wirkenden Ziele. Unter ihnen nun auch Habeck. Bei der Vorstellung der deutschen CCS-Strategie bewarb er die Vorhaben mit den Worten: „Ohne CCS können wir unsere Klimaziele unmöglich erreichen.“ Doch wie funktioniert die Technologie?
CCS als Überlebensstrategie für fossile Konzerne?
Wirklich neu ist die Technik allerdings nicht. Vor der norwegischen Küste wird seit fast 20 Jahren CO2 in die Nordsee gepumpt. Mit dem Projekt Sleipner leistete der norwegische Ölkonzern Statoil Pionierarbeit. Seit 1996 wurden hier etwa 19 Millionen Tonnen CO2 unter die Nordsee gepumpt. Damit spart sich der Konzern hohe Umweltabgaben. Auch globale Ölkonzerne wie Shell und Total oder andere Energiekonzerne haben heute ein großes Interesse an der Technologie. Viele frühe CCS-Projekte wurden von Konzernen wie ihnen finanziert. Anstatt ihre Produktion auf erneuerbare Energien umzustellen, könnten sie mithilfe der CCS-Technologie weiterhin fossile Energien fördern und könnte ohne große Umstellungen vermeintlich klimaneutral produzieren. Durch die Gefahr von solchen Rebound-Effekten wurde die CCS-Technologie von der Politik lange stiefmütterlich behandelt. Vor zehn Jahren äußerte der deutsche Wirtschaftsminister, damals noch Umweltminister in Schleswig-Holstein: „Wir wollen in diesem Land kein CCS“. Seine Meinung hat er mittlerweile geändert und damit ist er nicht allein. Immer mehr europäische Staaten fördern nun CCS-Projekte, auch Deutschland. Europa zählt mittlerweile über 100 CCS-Projekt, die meisten sind allerdings noch im Entwicklungsstadium, lediglich vier sind bereits in Betrieb.
Notwendige Technologie oder Scheinlösung?
Der wissenschaftliche Kanon scheint sich, vor dem Hintergrund der Klimaziele, einig über die Notwendigkeit der Kohlenstoffspeicherung zu sein. Auch das SWP sieht in der Technologie die Chance einer „Gestaltung der Schnittstelle zwischen Industrie- und Klimapolitik“. Der Zielkonflikt zwischen Emissionsreduktion und Wirtschaftswachstum und Standortsicherung könne hier verhandelt werden. Die angepeilte Größenordnung von jährlich gespeicherten 50 Millionen Tonnen bis 2030 machen aber deutlich, dass CCS nur einen sehr kleinen Beitrag der Reduktion von den derzeit rund 3.6 Milliarden Tonnen CO2 Ausstoß der EU ausmachen wird. Zusätzlich zum vergleichsweise geringen Effekt besteht die Gefahr, dass es zu „Lock-in Effekten“ kommt und der Transformationsdruck auf fossile Infrastrukturen nachlässt. Das war auch der Grund für das lange Zögern der Politik bei Ausbau der Technologien und gleichzeitig das frühe Interesse fossiler Energiekonzerne. Ein breites Bündnis aus Umweltinitiativen hat sich daher vor der Veröffentlichung der deutschen CCS-Strategie gegen die energieintensive Technologie ausgesprochen. In einem von Greenpeace veröffentlichten Positionspapier heißt es: „CCS ist eine Scheinlösung, verhindert den Ausstieg aus fossilen Energien, blockiert die Energiewende und gefährdet den Umbau der Industrie hin zu einer ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft.“ Ferner könne es für Gaskonzerne, durch staatliche oder europäische Subventionen sogar profitabel sein, an CO2 intensiven Produktionen festzuhalten. Statt klimapolitischer Soforthilfe könnte sich die CCS-Technologie also als Bremsklotz bei der Emissionsreduktion herausstellen. Ein weiterer Kritikpunkt ist der enorme Energieaufwand, der mit der CCS-Technologie einhergeht. Der Ausbau einer CSS-Infrastruktur sowie die chemische Abspaltung des CO2 sind ein energieaufwändiges wie kostspieliges Unterfangen. Der Klima-Politikwissenschaftler und Autor des Industrie-Kapitels des 6. IPPC-Reports Chris Bataille sieht darin auch den Grund für das Scheitern zahlreicher CCS-Projekte. In einem Policy Papier empfiehlt er daher eine stärkere politische Förderung und Kontrolle und das Einführen höherer Standards von CCS-Projekten, um ineffiziente CCS-Schein Projekte zu verhindern und das Instrument CCS wirksamer einzusetzen.
One of the reasons CCS projects to date have underperformed is they’ve been jury rigged versions of standard gear. For 95% capture they will need to be designed from the ground up for it, e.g., using autothermal CH4 reforming & oxycombustion to produce near pure CO2 streams. https://t.co/KSEt3DgsMA
— Chris Bataille (@bataille_chris) December 12, 2023
Kontroverse Debatten um die Sicherheit
Neben den Zweifeln der klimapolitischen Wirksamkeit melden Wissenschaftler und Umweltverbände auch Zweifel an der Sicherheit und Umweltverträglich der Technologie an. Sollte es zu Lecks an den CO2 Endlagern kommen, droht das austretende CO2 die Meere zu versauern, was unter anderem Muscheln, Korallen und töten könnte. Dass die Zweifel nicht gänzlich unberechtigt sind, bewiesen Wissenschaftler des Helmholtz Instituts beim norwegischen Pionierprojekt Sleipner. Dort entdeckten sie Risse in der Deckschicht, die sich zu potenziellen CO2-Lecks entwickeln könnten. Allerdings liegen die Frakturen, etwa 25 km von der Injektionsstelle entfernt. Die Erkenntnisse zeigen daher vorallen eines: Der Nutzen der Technologie ist begrenzt und kann und sollte daher die endgültige Reduktion der Emissionen auch nicht verhindern.
CCS nur als Ergänzung sinnvoll
Der Blick auf die CCS-Debatte zeigt, dass die europäischen Klimaziele, ohne die Speicherung von CO2 ziemlich sicher nicht eingehalten werden können. Zumindest, wenn man das derzeitige Produktionsvolumen der Grundstoffindustrien nicht verringern möchte. Für den Erhalt der europäischen Wettbewerbsfähigkeit der Beton- und Zementindustrie, sowie für die Müllverbrennung wird CCS daher zukünftig vermutlich die Schlüsseltechnologie sein. Wie Beispiele vorangegangen CCS-Projekte gezeigt haben, gilt es dabei aber besonderes das Augenmerk auf die tatsächliche Umsetzung und Effizienz der Anlagen zu legen, um einen Greenwashing Effekt zu vermeiden. Eine einheitliche EU-Strategie kann dafür ein erster Schritt sein. Schließlich birgt die vermeintlich einfache Lösung der Kohlenstoffspeicherung die große Gefahr am Verharren an fossilen Industrien, anstatt tatsächlich emissionsfreie Innovationen zu fördern. Die tatsächliche und drastische Reduktion der Emissionen muss trotz der nun ausgerufenen EU-CCS Strategie im Mittelpunkt der zu erreichenden „Fit for 55“ Ziele stehen. Denn wie die fossilen Quellen einmal erschöpft sein werden, werden es im Zweifel auch deren CO2 Lagerkapazitäten eines Tages einmal sein.
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