Ein nachhaltiges Europa: Klima und Umwelt
Im zweiten Teil der Debatte drehte sich alles um Klima und Umwelt. Zu Beginn ging es um die Frage, ob die Kandidat*innen die Fridays for Future Proteste unterstützten, was alle außer Zahradil bejahten.
Jan Zahradil kritisierte die EU dafür, neue Klimaziele festzulegen, während die alten Ziele noch nicht erreicht sind. Ein realistischeres Vorgehen sei nötig. Er erklärte, dass vorschnelles Handeln der jungen Generation Marktnachteile bringen könnte. Als Beispiel führte er die Gelbwesten Bewegung in Frankreich an, die sich formte, nachdem Macron eine Benzinsteuer in Erwägung zog. Es müssten nachhaltige Lösungen gefunden werden, welche kein wirtschaftliches Desaster nach sich zögen.
Im gegensatz dazu rief Violeta Tomic zur raschen Bekämpfung des Klimawandels auf. Pflichtbewusst hielt sie sich an die offizielle Linie ihrer Partei und sagte, sie glaube nicht, dass sich Umweltschutz in den neoliberalen Kapitalimus integrieren lasse, da dieser sich nur nach Profiten und nicht nach dem Wohlergehen von Mensch und Umwelt richte. Tomic zufolge sind auch die Lobbyisten in Brüssel eines der Hauptprobleme.
Guy Verhofstadt fand, dass wir statt unserer defensiven Herangehensweise an den Klimaschutz eine offensivere Strategie brauchen. Umweltstandards für Handelsabkommen und Investments in Zukunftstechnologien wie Batterien seien notwendig. Es entstand ein kurzer aber interessanter Schlagabtausch, als Eickhout Verhofstadt daran erinnerte, dass ALDE für Verhandlungen über ein neues Handelsabkommen mit den USA gestimmt hat, obwohl diese aus dem Pariser Klimaabkommen zurückgetreten sind. Er forderte Verhofstadt dazu auf, den Worten auch Taten folgen zu lassen.
Bas Eickhout stellte fest, dass während alle Politiker*innen heutzutage zwar über den Klimawandel redeten, sie lieber handeln sollten. Er betonte, dass Klimaschutzmaßnahmen Investitionen in vielen Bereichen benötigen, zum Beispiel für neue Jobs, in die Wirtschaft und für den Transport. Sein stärkster Punkt war wohl, dass die EU Kommission weiterhin fossile Brennstoffe subventioniert, während wir längst ein „Verschmutzter müssen zahlen“-Prinzip bräuchten. Es gibt einen Bedarf an Regulierung, der von der Kommission erfüllt werden müsse, sagte Eickhout.
Frans Timmermans sprach über die Verantwortung, die Ziele für nachhaltige Entwicklung der UN einzuhalten. Die Haltung des aktuellen US Präsidenten zum Klimawandel kritisierte Timmermans stark, und sagte, er sei der Meinung, dass die einzige Region, die bereit und willens ist, sich dem Thema zu stellen. Er hielt junge Menschen dazu an, wählen zu gehen, wenn ihnen die Klimafrage am Herzen liege – denn nur so werden wir MEPs und eine*n Kommissionspräsitent*in bekommen, die klimafreundliche Politik unterstützen.
Die Zukunft Europas: Gleichberechtigung, soziale Themen und Solidarität
So wie der zweite Teil, begann auch der dritte Abschnitt der Debatte mit einer Abstimmung. Alle Kandidat*innen sprachen sich per Handzeichen dabei dafür aus, als Kommissionspräsident*in die Kommission je zur Hälfte mit Frauen und Männern zu besetzen.
Zum Thema Arbeitsmarktpolitik erinnerte Jan Zahradil das Publikum daran, dass die EU Kommission keine Arbeitsplätze aus dem nichts erschaffen kann, dass sie aber Konditionen schaffen kann und sollte, in der die Anzahl der Arbeitsplätze steigt. Allerdings sei es schwierig, die Sozialsysteme zu vereinheitlichen, was daran liege, dass die Wirtschaftslage in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich sei.
Bas Eickhout betonte, es sei notwendig, bei allen Maßnahmen eine grüne Agenda voranzutreiben, um soziale Gerechtigkeit herzustellen. Guy Verhofstadt ging auf einen Bedarf an erhöhter Arbeitsmobilität in Europa ein, da es in Europa nicht an freien Stellen mangele. Weiterhin sei er für ein Mindestmaß an sozialer Sicherheit, welches EU-weit gelten solle.
Frans Timmermans ging ebenfalls darauf ein und erklärte, die EU habe bereits 24 Gesetzesentwürfe im Bereich Sozialpolitik beschlossen. Es gebe also Fortschritte, diese seien aber nicht schnell genug. Um Sozialsysteme fair zu gestalten, müssten die Gewerkschaften mehr macht erhalten, und in allen EU Staaten solle ein Mindestlohn in Höhe von 60% des jeweiligen Medianeinkommens eingeführt werden.
Violeta Tomic beklagte die hohe Jugendarbeitslosigkeit und erklärte, dass auch sie einen europäischen Mindestlohn für wichtig halte. Sie glaube außerdem, dass der Aufstieg rechts-extremer Parteien damit zu tun habe, dass diese die instabile ökonomische Lage nutzten, um weitere Unterstützer hinter sich zu versammeln und die Bürger gegen die EU in Stellung zu bringen. Deshalb solle sich die EU darauf fokussieren, Armut und Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und Vollbeschäftigung und soziale Gerechtigkeit herzustellen.
Schluss-Statements
Die Spitzenkandidat*innen zeigten sich offen für das Publikum und lieferten für ihre Vorschläge stets Fakten und Zahlen. Dieser demokratische, intellektuelle und kommunikative Ansatz zeigt, dass an den europakritischen Behauptungen, dass normale Bürger*innen in der EU nichts zu sagen hätten, während „nicht gewählte Bürokraten“ Entscheidungen treffen, nichts dran ist. Dennoch ist dieser Irrglaube sehr verbreitet und zeigt, wie präsent Fehlinterpretationen dieses komplexen, aber dennoch demokratischen, Entscheidungsverfahrens in der EU sind.
Am Ende der Maastricht Debatte, beantworteten die Kandidat*innen eine Frage aus dem Publikum, die wissen wollte, welches die gewagteste Idee ihrer Partei sei. Von seinen Wählern inspiriert, warb Zahradil für eine lockerere und flexiblere Europäische Union, die ihren Mitgliedstaaten genug Raum lasse, ihre eigenen Gesetze zu erlassen, wo immer es notwendig sei.
Bei Eickhout und Tomic ging es um Wirtschaftsthemen. Eickhouts wolle die Bekämpfung von Armut und die Ziele nachhaltiger Entwicklung in allen Politik Bereichen, auch in der Handelspolitik, zum Maßstab machen. Tomic erklärte, die EU solle sich als größter Binnenmarkt gegen Kinderarbeit, Sklaverei und Umweltzerstörung positionieren und diesbezüglich striktere Importkontrollen einführen.
Verhofstadt und Timmermans diskutierten Migrationspolitik, wobei Verhofstadt das Fehlen europäischer Einwanderungsgesetze kritisierte. Populisten und Nationalisten würden dies nutzen, um mehr Wähler zu gewinnen. Timmermans richtete sich an die Jugend und sagte, die Zukunft Europas liege in der Kooperation und mit Afrika, sowohl beim Umgang mit Migrationsbewegungen, ohne unsere Menschlichkeit zu verlieren, als auch bei der gemeinsamen Entwicklung der Kontinente.
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