Was ist Philosophie?
Am 21. November dieses Jahres findet der UNESCO-Welttag der Philosophie statt, der 2005 ins Leben gerufen wurde und auf philosophische Fragen sowie die Bedeutung der Philosophie aufmerksam machen soll. Dabei ist die Frage danach, was Philosophie genau ist, selbst schon eine philosophische Frage. Entsprechend unterschiedlich fallen auch die Antworten aus. Am leichtesten kann man sich der Philosophie nähern, indem man Fragen betrachtet, die typischerweise von Philosoph*innen diskutiert werden. Einige dieser Fragen haben eine besondere Berühmtheit in der Philosophiegeschichte erlangt - zum Beispiel die drei Fragen, die Immanuel Kant am Ende seines Hauptwerkes, der Kritik der reinen Vernunft, auflistet: Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Andere Fragen, mit denen sich Philosoph*innen beschäftigen, werden häufig schon von Kindern gestellt: zum Beispiel die Frage danach, warum eine Person morgen noch ein und dieselbe Person wie heute ist. Deshalb kann man - nicht ganz frei von Ironie - sagen, dass Philosophieren das Nachdenken über Kinderfragen im Erwachsenenalter ist: das sagt zum Beispiel auch der Philosoph Dieter Birnbacher.
Das Schweigen der Philosophie in der Öffentlichkeit?
Neben diesen Fragen nach dem Schönen, Wahren und Guten, die seit der Antike besprochen und diskutiert werden, gibt es auch solche, die eine unmittelbare gesellschaftliche oder politische Relevanz haben und oft Gegenstand kontrovers geführter, öffentlicher Debatten sind: Kann es einen gerechten Krieg geben? Wie verhalten sich Organspende und persönliche Freiheit zueinander? Wie ist aktive Sterbehilfe moralisch zu bewerten? Gerade Philosoph*innen, die sich hauptberuflich mit diesen Fragen beschäftigen, könnten die öffentlichen Debatten über diese Fragen mit eigenen Wortbeiträgen prägen und mitgestalten. Tatsächlich gibt es in Form der zahlreichen Ethikräte und -kommissionen eine Institutionalisierung der philosophischen Expertise, die politische Entscheidungsträger oder öffentliche Institutionen in ethischen Fragen berät. Dennoch lässt sich beobachten, dass gerade Philosoph*innen, die hauptberuflich an Universitäten arbeiten und forschen, in den letzten Jahrzehnten in öffentlichen Debatten deutlich unterrepräsentiert waren. Dies brachte der akademischen Philosophie nicht selten den Vorwurf der Isolierung ein – und wurde intensiv diskutiert.
Für diese Tendenz lassen sich mehrere Gründe anführen: Zum einen ist eine zunehmende Spezialisierung der universitären Philosophie zu beobachten. Zum anderen lassen sich die philosophischen Tugenden der klaren Argumentation und des gründlichen Nachdenkens selten mit der Geschwindigkeit und Oberflächlichkeit öffentlicher Debatten vereinigen. Wenn Politiker*innen schnell auf Vorwürfe reagieren oder anderweitig Entscheidungen treffen müssen, bleibt meist wenig Zeit für die Expertise von Philosoph*innen.
Trotz dieser Erklärungsansätze, stellt das Schweigen der Philosophie in der Öffentlichkeit einen bedauerlichen Umstand dar. Philosoph*innen könnten öffentliche Debatten bereichern und eine konstruktivere Diskussionskultur bewirken. Das ist ein Missstand, der von den Fachvertreter*innen selbst als solcher erkannt worden ist: Seit einiger Zeit bemühen sich deshalb die größten Dachverbände der Philosophie in Deutschland, die Deutsche Gesellschaft für Philosophie einerseits und die Gesellschaft für analytische Philosophie andererseits, die von Philosoph*innen behandelten Themen in die Öffentlichkeit zu tragen. Aber auch alternative Formate versuchen, die Philosophie für ein breites Publikum zu öffnen: Ein besonders gelungenes Beispiel ist die phil.cologne, ein internationales Festival für Philosophie, das dieses Jahr bereits zum siebten Mal stattfand und philosophische Diskussionen der breiten Öffentlichkeit präsentiert.
Philosophieren kann jede*r
Doch nicht nur eine größere Präsenz von Philosoph*innen in der Öffentlichkeit ist wünschenswert. Gerade das Grundrüstzeug zum Philosophieren - die Klärung und Analyse von wichtigen Begriffen, das kritische Hinterfragen von Annahmen sowie das durchsichtige und um Verständnis bemühte Argumentieren – kann erheblich dazu beitragen, öffentliche und private Diskussionen in Zeiten von „Fake News“-Vorwürfen und Filterblasen zu verbessern. Diese intellektuellen Tugenden sind nicht nur unverzichtbar für den*die akademisch arbeitende*n Philosoph*in, sondern sollten Kernbestand des täglichen Miteinanders werden. In diesem Sinne lässt sich nur hoffen, dass der Tag der Philosophie einen Beitrag dazu leistet, das Interesse an der Philosophie und die Lust am Philosophieren zu wecken.
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