Wäre am kommenden Sonntag Europawahl, dann erhielten die Sozialdemokraten aktuell 21 Prozent. Im Vergleich zum Vormonat verlieren sie einen weiteren Prozentpunkt. Damit setzen die S&D-Parteien ihren Abwärtstrend der letzten Monate weiter fort. Besonders stark sind die Verluste aktuell in Spanien. Interne Machtkämpfe in der Partei, die zum Sturz des Parteivorsitzenden führten, sowie eine gescheiterte Regierungsbildung mit Linken und Liberalen haben dem Ansehen der spanischen Sozialisten massiv geschadet. In Staaten wie Griechenland, Polen oder Irland liegen die Parteien der S&D-Fraktion im einstelligen Bereich. Der sozialdemokratische Stammwähler – Arbeiter, Arbeitslose und Geringverdiener – wenden sich zunehmend rechten und linken Randparteien zu. Exemplarisch für die Verkleinerung der Wählerschaft der Mitte-Links-Parteien steht auch die Parlamentswahlen in Litauen in diesem Monat, wo die sozialdemokratische Partei von 19 auf 15 Prozent Wähleranteil abrutschte.
Die Christdemokraten erreichen mit 23 Prozent europaweit ebenfalls einen neuen Tiefstwert. In Lettland, Estland und Dänemark liegen einstige christdemokratische Traditionsparteien bei unter zehn Prozent. In allen südosteuropäischen Staaten dagegen liegen die Mitte-Rechts-Parteien bei über dreißig Prozent. Bei den Parteien der EPP-Fraktion wandern die Wählern in erster Linie zu konservativen, liberalen und rechtspopulistischen Parteien ab.
Auf dem dritten Rang läge bei einer Europawahl heute die ENF-Fraktion um Marine Le Pen und die ECR-Fraktion der eurokritischen Konservativen, die im Kern aus den britischen Torys und der polnischen PiS bestehen. Beide Fraktionen erhielten heute bei einer Wahl wie schon im Anfang Oktober neun Prozent.
Gemeinsam auf dem fünften Rang liegt die Linksfraktion (GUE/NGL) und die Fraktion der Liberalen (ALDE). Beide erhielten bei einer Wahl heute acht Prozent der Stimmen. Damit fällt die ALDE abermals um einen Punkt im Vergleich zu Anfang Oktober zurück. Die Linke lag schon im letzten europeanmeter bei acht Prozent. Die euroskeptischen Populisten um Nigel Farage (EFDD-Fraktion) erreichen wie schon im Vormonat sieben Prozent. Die Grünen können einen Punkt zulegen und erreichen nun fünf Prozent. Die NI-Fraktion erreicht weiter drei Prozent. Die Parteien, die noch keiner Fraktion angehören, legen zwei Prozentpunkte zu und erreichen nun sieben Prozent.
Die Veränderungen des Wähleranteils schlagen sich auch in der Sitzverteilung nieder. Heute erhielten die Christdemokraten 191 Sitze (-20 Sitze im Vergleich zur Europawahl 2014). Die S&D-Fraktion erhielte heute 171 Sitze (-20). Damit hätten Sozial- und Christdemokraten 362 aus 751 Sitzen. Für eine Mehrheit wären 376 Sitze notwendig. Mehrheitsbeschaffer wären hier die Liberalen, die aktuell auf 75 Sitze kämen (+8). Das Kabinett von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hätte damit weiterhin eine komfortable - wenn auch deutlich geschrumpfte Mehrheit - von 437 Abgeordneten im Parlament hinter sich.
Größte de facto Oppositionspartei wäre aktuell die ECR-Fraktion mit 73 Sitzen (+3). Die linke GUE/NGL liegt mit 71 Sitzen (+19) knapp dahinter. Marine Le Pens Rechtspopulisten würden 61 Abgeordnete ins Europaparlament entsenden. Nigel Farages EFDD-Fraktion würde 41 Sitze (-7) erreichen, die Grünen und Separatisten erhielten statt wie bisher 50 nur noch 30 Sitze.
1. Am 31. Oktober 2016 um 14:23, von mister-ede Als Antwort Muskelschwund der Volksparteien in der EU
Muskelschwund ist eine schlimme Krankheit. Insofern suggeriert der Artikel ja regelrecht, dass der EVP-Politiker Viktor Orbán eine gesunde Politik macht, denn immerhin schafft er es, diesen Muskelschwund zu verhindern. Mensch, ich dachte, ihr wollt pro-europäisch sein. Dann darf man doch nicht einfach die kranke und gegen europäische Werte gerichtete Orbán-Politik locker flockig als „Mitte-Rechts“ bezeichnen. Das ist ein Hohn für jeden echten Pro-Europäer.
Liebe JEF, liebes Treffpunkteuropa, nehmt doch dazu Stellung und erklärt Euch. Oder ist das zu viel verlangt?
2. Am 31. Oktober 2016 um 15:24, von Tobias Gerhard Schminke Als Antwort Muskelschwund der Volksparteien in der EU
Lieber mister-ede,
Danke für deinen Beitrag!
Die Partei Viktor Orbans ist die ungarische Fidesz. Diese ist Mitglied der European Peoples Party (EPP). Die EPP wird unter anderem von Wikipedia als Mitte-Rechts-Partei eingeordnet. An diesem Vorschlag habe ich mich bei meinem Artikel orientiert.
Beste Grüße
Tobias
3. Am 31. Oktober 2016 um 16:11, von mister-ede Als Antwort Muskelschwund der Volksparteien in der EU
Lieber Tobias,
es stimmt, dass die Fidesz in der EVP (Europäische Volkspartei bzw. EPP / Europeans People‘s party) Mitglied ist und Orbán sogar ihr Vizepräsident.
Gleichwohl fordert eine Vielzahl von Pro-Europäern, z.B. der SPD-Fraktionsvize Axel Schäfer, schon lange, dass die EVP die Fidesz ausschließt. Auch Wolfgang Böhm schreibt für DiePresse.com, „die Führung der Europäischen Volkspartei, der Orbáns Fidesz angehört, steckt ganz tief ihren Kopf in den Sand.“ Und EU-Experte Eric Bonse kommt zum selben Schluss genauso wie Daniel Cohn-Bendit, der schon 2013 fragte, „wie lange sie [die EVP] dem Treiben Orbáns noch tatenlos zusehen wird.“
Nachdem Ihr Artikel ja nicht einfach Umfrageergebnisse darstellt, sondern durchaus ein Meinungsbeitrag ist, finde ich es deshalb zumindest ungeschickt, dass dies dabei ausgeblendet wurde.
Hier sind die Quellenangaben zu den oben zitierten Aussagen:
http://europeonline-magazine.eu/spd-fraktionsvize-schaefer-evp-muss-orban-partei-ausschliessen_485828.html
http://diepresse.com/home/meinung/kommentare/4720424/Die-EVP-sollte-Orban-ausschliessen
http://lostineu.eu/03-11-15-krieg-um-fluechtlinge/
http://www.zeit.de/politik/ausland/2013-05/ungarn-orban-nazi-vergleich
4. Am 1. November 2016 um 13:06, von mister-ede Als Antwort Muskelschwund der Volksparteien in der EU
Es stimmt, dass die Fidesz in der EVP (Europäische Volkspartei bzw. EPP / Europeans People‘s party) Mitglied ist und Orbán sogar ihr Vizepräsident.
Gleichwohl fordert eine Vielzahl von Pro-Europäern, z.B. der SPD-Fraktionsvize Axel Schäfer, schon lange, dass die EVP die Fidesz ausschließt. Auch Wolfgang Böhm schreibt für DiePresse.com, „die Führung der Europäischen Volkspartei, der Orbáns Fidesz angehört, steckt ganz tief ihren Kopf in den Sand.“ Und EU-Experte Eric Bonse kommt zum selben Schluss genauso wie Daniel Cohn-Bendit, der schon 2013 fragte, „wie lange sie [die EVP] dem Treiben Orbáns noch tatenlos zusehen wird.“
Nachdem Ihr Artikel ja nicht einfach Umfrageergebnisse darstellt, sondern durchaus ein Meinungsbeitrag ist, finde ich es deshalb zumindest ungeschickt, dass dies dabei ausgeblendet wurde.
Kommentare verfolgen: |