Neapel, die Mafia und der Müll

Kolumne „Europa im Blick“

, von  Stéphanie-Fabienne Lacombe

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Neapel, die Mafia und der Müll
Auf den Straßen Neapels. Foto: privat, zur Verfügung gestellt für treffpunkteuropa.de

Seit Jahren ist das Müllproblem Neapels nicht gelöst. Nun mischt sich der Europäische Gerichtshof ein und verurteilt die Region zu einer Geldbuße von 20 Millionen Euro und 120 000 Euro pro Verzugstag seit dem Urteil von 2010. Doch auch hier hat die Mafia ihre Finger im Spiel.

Brennende Müllberge in der Innenstadt, in Naturschutzgebieten lagernde Müllladungen, ein unvollständiges Entsorgungs- und Recyclingsystem. „Rifiuti“ sind ein herausforderndes Thema der Stadt im Süden Italiens. Das Problem der Entsorgung erstreckt sich auf die ganze Region Kampanien. Die negativen Auswirkungen auf die Gesundheit der Anwohner (die Gegend im Norden Neapels hat eine auffällig hohe Krebsrate), die Schadstoffbelastung der Umwelt, sowie mangelndes Recycling und schädenmindernde Entsorgung begründen das Urteil dieser Woche, das noch unter den eigentlichen Forderungen der EU-Kommission nach 56 Millionen Euro Bußgeld und einer tägliche Verzugszahlung von 257000 Euro wegen Nicheinhaltung der europäischen Maßstäbe verlangte. Ein eindeutiges Signal an die Region, etwas an der Situation zu ändern.

Schon für die Zeit 2002-2010 wurde bereits eine Strafe verhängt, wobei ein besonderes Augenmerk auf die rund 900 Tonnen von bisher nicht entsorgten, sondern jediglich vorrübergehend gelagerten Abfallmassen gelegt wurde. Der Präsident der Region Kampanien, Vincenzo De Luca (Demokratische Partei), kommentierte die Entscheidung: „In den letzten fünf Jahren hat sich wenig für die Problemlösung der Müllentsorgungsschwierigkeiten getan. Wir müssen Initiativen zur Problemlösung beschleunigen und damit anfangen, die über die Jahre gelagerten Müllberge zu entsorgen. Wir versuchen Zeitnah mit der EU ein Programm zu erarbeiten, dass unsere verlorene Glaubwürdigkeit wiederherstellt.“

Die Bewegung „Terra dei Fuochi“

Seit mehr als 15 Jahren ist die Entsorgungsinfrastruktur defizitär und wird von den Europäischen Institutionen angeprangert. Seit 10 Jahren setzt sich die « Bewegung brennendes Land » « Movimento Terra dei Fuochi » auf regionaler Ebene gegen die illegalen Mülldeponien- und verbrennung ein. Bei den nächsten Kommunalwahlen wollen sie mit einer Liste antreten. Sie kartieren auf ihrer Webseite toxische Mülllagerstätten und die Verbreitung giftiger Gase, erstatten Anzeige, versuchen zu vermitteln und aufzuklären. Ihre Aktionen zeigen Erfolge, zehntausende Demonstranten kamen zu den Kundgebungen.

Doch das Müllproblem beschränkt sich nicht auf die städtische Entsorgung. Stattdessen reicht die Mißwirtschaft 30 Jahre zurück. Denn das Vergraben von giftigem Müll ist lange ein lukratives Geschäft für die kampanische Mafia, die „Camorrah“ gewesen. Details wurden in den letzten Jahren durch Carmine Schiavone publik, der jahrelang das Beseitigen des Mülls organisierte und nun mit der Justiz zusammenarbeitet. Insbesondere die Firmen aus dem wirtschaftlich starken Norden Italiens sind es, die die Beseitigungsdienste für chemische Abfälle oder auch Atomschlamm nutzten. Momentan laufen Ermittlungen, um herauszufinden welche anderen europäischen Länder involviert sind. Die Böden in der Region sind teilweise sehr stark verseucht, und das darauf angebaute Gemüse gesundheitsschädlich. Heute wird trotz der Proteste der Bewegung und öffentlicher Stellungnahme des Journalisten Roberto Saviano, Autor des Buches „Gomorrah“ mit dem Verbrennen weiter gemacht, wobei giftige Gase freigesetzt werden. Saviano klagt ebenfalls die alltägliche private Verbrennung aller Arten von Müll, inklusive Hausmüll, Plastik und Medikamenten an. Die Politik zeigte sich lange gleichgültig. Die Kausalität zwischen Krebsrate und Mülldeponien wurde zurückgewiesen, und Schiavones Stellungname von 1997 blieb lange unbeachtet. Doch mit dem steigenden öffentlichen Druck, sollen jetzt Präventionsprogramme finanziert und sogar Soldaten in die Region geschickt werden, um gegen die Müllmafia zu kämpfen. Ob eine Europäische Lösung gefunden werden kann, bleibt abzuwarten.

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