Die besondere Bedeutung des diesjährigen Nelson-Mandela-Tags

„Es liegt jetzt in euren Händen“

, von  Gianina Lotto

„Es liegt jetzt in euren Händen“
Nelson Mandela setzte sich für das Ende des Apartheidregimes in Südafrika ein und wurde damit zum weltweiten Symbol der Freiheit. Foto: Unsplash / Ashim D’Silva / Unsplash Lizenz

Seit 2009 feiert die Welt jährlich am 18. Juli den von den Vereinten Nationen beschlossenen Internationalen Nelson-Mandela-Tag. Am Geburtstag des südafrikanischen Friedensnobelpreisträgers finden Benefiz-Veranstaltungen, Konzerte und soziale Aktionen statt. Doch der Gedenktag hat noch eine tiefergehende Bedeutung.

Der nicht immer unumstrittene Nelson Rolihlahla Mandela, auch Madiba genannt, war Aktivist und Politiker in Südafrika. Über Jahrzehnte setzte er sich gegen Unrecht, insbesondere gegen das Apartheidsregime, sowie für Frieden und Freiheit ein. Trotz 27 Jahren politischer Gefangenschaft wegen Widerstands gegen das Apartheidregime, war Mandelas politische Arbeit anschließend von Vergebung, Toleranz und Versöhnung mit den politischen Feinden geprägt. Für die Einleitung dieses friedlichen Übergangs von der Apartheid in ein demokratisches Staatssystem in Südafrika, erhielt er 1993 den Friedensnobelpreis. Ein Jahr später wurde er zum ersten schwarzen Präsidenten Südafrikas gewählt.

Nelsons Taten und Europas Erbe

Mandelas Vermächtnis wird seit 2009 am 18. Juli ganz bewusst gedacht. In Deutschland gab es anlässlich des Internationalen Nelson-Mandela-Tags zuletzt etwa Festkonzerte. Hierbei wurde daran erinnert, wie wichtig der Dialog und wie gefährlich soziale Ausgrenzung, sowie die Zunahme von Populismus und Radikalisierung sind. Deutschland wolle darüber hinaus eine neue Afrikapolitik einleiten: Bei Menschenrechtsverletzungen nicht mehr wegzusehen und die soziale Dimension stärker berücksichtigen, hieß es seitens der Bundesregierung bereits 2013.

Andere europäische Staaten arbeiten mit dem Mandela-Day auch die eigene Kolonialgeschichte auf. Beispielsweise die Niederlande, die die ersten Kolonist*innen Südafrikas waren. Trotz der historischen Verbundenheit mit Südafrika, begannen Debatten über die Menschenrechtsverletzungen des Apartheidregimes in den Niederlanden erst einige Jahre nach dessen Errichtung. Obwohl das Regime moralisch nicht unterstützt wurde, wurde zunächst auch nicht aktiv dagegen vorgegangen. So wurde etwa nie das zweite UN-Anti-Apartheidabkommen unterzeichnet und das Apartheidsregime als inländische Angelegenheit eingestuft. Grund dafür waren in erster Linie die Angst vor wirtschaftlichen Einbußen. Erst mit dem Ende der Apartheid endete auch die niederländische Zurückhaltung zu dem Thema. Der Mandela-Tag wird daher heute auch als Inspiration gesehen, mit neuen Ansichten, aber auch mit Leid und Ängsten umzugehen.

Auch Großbritannien teilt seine koloniale Vergangenheit mit Südafrika. Mandela wuchs selbst noch unter britischer Kolonialherrschaft auf. Zwar hatte auch die britische Regierung das Apartheidregime kritisiert, wollte anfangs jedoch keine Sanktionen erlassen und damit die Beziehungen mit Südafrika verschlechtern. Darüber hinaus wurde die Gewaltbereitschaft der Apartheid-Gegner*innen kritisiert. Dennoch forderten Anti-Apartheid-Aktivist*innen in Großbritannien die Freilassung Mandelas. Gegen Ende der Apartheid wurden schließlich zunehmend Sanktionen gegen Südafrika erlassen. Mit dem Mandela-Tag wird daher in Großbritannien auch der Erfolg der Anti-Apartheid-Bewegung sowie deren Unterstützer*innen im eigenen Land gefeiert. Neben dem Gedenktag am 18. Juli, gibt es nach Mandela benannte Straßen, städtische Gebäude oder Studentenverbindungen.

Chancen und Grenzen von Aktions- und Gedenktagen

Ein Aktionstag wie der Internationale Nelson-Mandela-Tag bietet viel Potential für historische Aufarbeitung und das kollektive Gedächtnis Europas. Doch unbegrenzt ist dieses Potential nicht. Einerseits wird durch die sozialen Aktionen und Veranstaltungen zwar an große Taten wie die von Nelson Mandela erinnert, andererseits wird diese Art des Gedenkens immer wieder als künstlich kritisiert. Dabei wird auch vor einer Heroisierung gewarnt und angeführt, dass diese Form der Erinnerungskultur zu einer Verzerrung der Geschichte beitrage. Dennoch ist das gemeinsame Erinnern und Wiedererleben von Geschichte besonders sinnvoll, gerade wenn es darum geht, bestimmte Bevölkerungsgruppen zu unterstützen, die nur schwer für sich selbst einstehen können, etwa weil sie unterdrückt werden. Mit Gedenk- und Aktionstagen wie dem Mandela-Tag, rückt ihre Situation in den gesellschaftlichen Fokus.

Mandela-Day, Black Lives Matter und warum wir es in der Hand haben

Das erleben wir vor allem in diesem Jahr, in dem der Mandela-Tag vor dem Hintergrund der internationalen Black-Lives-Matter-Bewegung stattfindet. Die Bewegung richtet sich in erster Linie gegen staatliche Ungerechtigkeit und Gewalt gegenüber schwarzen Menschen etwa durch übermäßig hohe Verhaftungen, Verteilungsraten oder auffällig harte Strafen. Aber auch grundlegend gegen Racial Profiling und Rassismus in der Gesellschaft.

Führt man sich noch einmal das Vermächtnis Mandelas vor Augen, sieht man, dass die Black-Lives-Matter-Bewegung in seinem Sinne gewesen wäre. In den „Mandela Day focus areas and goals 2019-2029“ der Nelson Mandela Foundation findet sich entsprechend die Zielformulierung, „öffentliche Teilnahme und aktive Stimmen hinsichtlich der Auslöschung von Armut und Ungleichheit zu fördern“. Wenn sich also in diesem Jahr Tausende im Nelson-Mandela-Park in den Niederlanden zu Protesten für Black-Lives-Matter zusammenfinden, hätte Mandela das unterstützt. Er hätte aber auch dazu aufgerufen, auf die Widersacher*innen zuzugehen, ihnen zu vergeben, verfeindete Gruppen zu versöhnen und Wandel auf friedliche Weise herbeizuführen.

Der diesjährige Mandela-Tag hat daher das besondere Potential, Inspiration für uns alle zu sein. Indem wir uns daran erinnern, welche sozialen Ungerechtigkeiten die europäischen Gesellschaften in ihrer Geschichte bereits überwunden haben, aber auch mit welchen wir heute noch konfrontiert sind. Am Nelson-Mandela-Tag sollten wir darüber nachdenken, wie wir ihnen in Zukunft begegnen möchten. Oder wie Mandela sagen würde: Es liegt nun in euren Händen.

Ihr Kommentar
Vorgeschaltete Moderation

Achtung, Ihre Nachricht wird erst nach vorheriger Prüfung freigegeben.

Wer sind Sie?

Um Ihren Avatar hier anzeigen zu lassen, registrieren Sie sich erst hier gravatar.com (kostenlos und einfach). Vergessen Sie nicht, hier Ihre E-Mail-Adresse einzutragen.

Hinterlassen Sie Ihren Kommentar hier.

Dieses Feld akzeptiert SPIP-Abkürzungen {{gras}} {italique} -*liste [texte->url] <quote> <code> et le code HTML <q> <del> <ins>. Absätze anlegen mit Leerzeilen.

Kommentare verfolgen: RSS 2.0 | Atom