PARLAMENTSWAHL IN BULGARIEN: FRAGEN UND ANTWORTEN

, von  Florian Rahn

PARLAMENTSWAHL IN BULGARIEN: FRAGEN UND ANTWORTEN
Am 04. April wählen die Bulgar*innen das neue Parlament. Foto: Pixabay/Sapviktor/Lizenz

Am 4. April sind 6,7 Millionen Bulgar*innen ab 18 Jahren dazu aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Hier findet ihr die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick!

Wer oder was wird gewählt? Das bulgarische Parlament hat 240 Sitze. Es wird für eine Legislaturperiode von vier Jahren gewählt, die Wahlen finden turnusmäßig im April statt. Dieses Jahr treten 22 Parteien und acht Koalitionen an. Um in das Parlament einzuziehen, müssen die jeweiligen Parteien oder Koalitionen die Sperrklausel von 4% erreichen.

Neben den zahlreichen Wahllokalen in Bulgarien gibt es mehr als 470 Auslandswahllokale in 76 Staaten, darunter sieben in Deutschland. Schon der Wahlkampf war von der Corona-Pandemie geprägt, Wahlkampfveranstaltungen sollten möglichst ohne größere Menschenansammlungen stattfinden.

Eine generelle Möglichkeit zur Stimmabgabe per Briefwahl gibt es trotz Corona nicht. Vor und in den Wahllokalen gelten Maskenpflicht und Abstandsregelungen, außerdem sollen Oberflächen regelmäßig desinfiziert und in den Räumlichkeiten gelüftet werden, um so die Ausbreitung des Virus zu minimieren. Positiv getestete oder sich in Quarantäne befindende Personen können bis einschließlich dem 1. April eine Stimmabgabe per Briefwahl bei der zentralen Wahlkommission (Central Election Commission) beantragen. Diese holen die Stimmzettel persönlich bei den Bürger*innen ab.

Welche Parteien gelten als Favoriten? Seit 2017 regiert die konservative Partei GERB (Bürger für eine Europäische Entwicklung Bulgariens) mit Ministerpräsident Bojko Borissow in einer Koalition mit dem nationalistischen Wahlbündnis der Vereinigten Patrioten. Das Wahlbündnis bildet sich aus drei Parteien: Die IMRO (Bulgarische Nationale Bewegung), die NFSB (Nationale Front für die Rettung Bulgariens) und die Ataka, ebenfalls eine nationalistische Partei. Unterstützt wird die Regierung von der populistischen Partei Wolja.

Trotz großflächigen Protesten im vergangenen Jahr, die vor allem gegen die anhaltende Korruption und die herrschenden politischen Strukturen gerichtet war, konnte die konservative Partei GERB sich aus ihrem Umfragetief erholen. Derzeit deuten die Wahlumfragen auf einen erneuten Sieg der Konservativen hin, die nach aktuellem Stand mit 29% zwar leichte Verluste einfahren würde, aber dennoch stärkste Partei bliebe. Die stärkste oppositionelle Partei, die Sozialistische Partei Bulgarien BSP, bliebe mit 24% an zweiter Stelle, ebenfalls mit leichten Verlusten. Am stärksten würden der Koalitionspartner der GERB, die Vereinigten Patrioten, verlieren, die von 9,1% (2017) auf nur noch 4% abfallen würden und damit sogar um den Verbleib im bulgarischen Parlament zittern müssten. Die Partei Wolja würde mit nur noch 2% (2017: 4,2%) sogar sicher das Parlament verlassen müssen. Starke Zugewinne und neu im Parlament vertreten wäre die neu gegründete Partei ITN (dt.: “Es gibt ein Volk”) von Fernsehmoderator Slawi Trifonow, die mit 13% drittstärkste Kraft werden könnte.

Schwierig könnte jedoch die Bildung einer neuen Regierung nach den Wahlen werden. Die neu gegründete ITN will weder mit GERB noch mit BSP eine Regierungsbeteiligung eingehen. Da die bisherigen Koalitionspartner der GERB entweder aus dem Parlament ausscheiden oder stark geschwächt sein könnten, ist die Suche nach neuen Koalitionspartnern jedoch unausweichlich. Offen bleibt somit, ob es je nach Wahlausgang eher GERB oder doch den aktuell oppositionellen Sozialisten gelingt, eine stabile Regierungsmehrheit zu bilden.

Welche Themen stehen im Fokus? Auch wenn die regierende GERB sich nach den Protesten im vergangenen Jahr in den Umfragewerten weitestgehend stabilisieren konnte, wird die Bekämpfung der Korruption weiterhin die politische Landschaft Bulgariens prägen. Da die regierende GERB wohl auf eine neue Koalition setzen muss, könnten neue Akteur*innen Veränderungen in diesem Bereich fordern.

Natürlich spielt auch die Corona-Pandemie eine wichtige Rolle im Wahlkampf. Erst Mitte März hat die Regierung einen neuen Lockdown mit strengeren Maßnahmen angekündigt. So mussten die meisten Geschäfte, Restaurants, Indoor-Sportstudios und auch Schulen wieder schließen. Nachdem zunächst Lockerungen in Bulgarien vorgenommen wurden stiegen die Mortalitätsrate, wie auch die Zahl der Neuinfektionen zuletzt wieder stark an.

Was bedeutet die Wahl europapolitisch? Seit vielen Jahren beobachtet die Europäische Union die Entwicklung der Korruptionsbekämpfung in Bulgarien mit Sorge. Im Bericht der Kommission zur Entwicklung des Korruptions- und Kontrollverfahrens in Bulgarien von 2019 legt die Kommission dar, dass wichtige Schritte von Seiten Bulgariens etwa zur nationalen Überwachung und Konsultation von Interessenträger*innen eingeführt wurden und sich die allgemeine politische Situation zunehmend stabilisiert habe. Ein neu eingerichteter Rat zur Nachbereitung soll nach Abschluss des Kontrollverfahrens diese Aufgaben fortführen und würde damit auch als Ansprechpartner für die Europäische Union zur Verfügung stehen.

Im Wahlkampf wurden jedoch bereits Vorwürfe laut, dass der bulgarische Ministerpräsident Bojko Borissow Steuergelder dazu genutzt haben soll, um mit einem SUV Wahlkampf im Land zu machen und dabei gezielt die Opposition angegriffen zu haben, was ein Verstoß gegen das bulgarische Wahlrecht wäre. Das Thema der Korruptionsvorwürfe scheint damit weiterhin nicht ausgeräumt zu sein und wird die Europäische Union weiter beschäftigen.

Auch in der Pandemiebewältigung hat Bulgarien mit Problemen zu kämpfen. Ein Bericht zu den Effekten der Pandemie auf den Arbeitsmarkt und die Erwerbstätigenquote in den EU-Mitgliedstaaten zeigte, dass Bulgarien EU-weit am schlechtesten im Umgang mit den bisherigen Auswirkungen der Corona-Pandemie agierte. Auch die Situation der Pressefreiheit in dem Land wird kritisiert und zeigt sich unter anderem im World Press Freedom Index 2020, wo Bulgarien auf Rang 111 weltweit und damit an letzter Stelle unter den EU-Mitgliedstaaten landete.

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