Rechts regiert – das Klima verliert

Wie Rechtspopulisten Europas grüne Wende bremsen

, von  Theresa Beckmann

Rechts regiert – das Klima verliert

Im letzten Jahr wurde die 1,5-Grad-Schwelle zum ersten Mal überschritten – ein kritisches Limit, das im Pariser Klimaabkommen als Zielmarke festgelegt wurde. Mit Initiativen wie dem Green Deal verfolgt die EU eine ambitionierte Agenda. Der Rechtsruck im Europäischen Parlament könnte diese jedoch erheblich beeinflussen. In Ländern wie Ungarn, Italien und Österreich zeigt sich, wie rechtspopulistische Akteur*innen die europäische Klimapolitik herausfordern. Doch ist ihr Einfluss auf den Klimaschutz wirklich so sabotierend, wie oft vermutet – und sind Rechtspopulist*innen automatisch Klimakiller?

Extreme Wetterereignisse, die mit der Klimakrise in Verbindung stehen, haben in den vergangenen drei Jahrzehnten weltweit mehr als 765.000 Menschenleben gefordert – auch in Europa. Laut dem aktuellen Climate Risk Index von Germanwatch zählen Länder wie Italien, Griechenland und Spanien zu den am stärksten betroffenen Staaten weltweit. Dennoch gerät die europäische Klimapolitik zunehmend unter Druck: Mit rechtspopulistischen Parteien gewinnt eine Agenda an Einfluss, die Klimaschutz als Bedrohung für nationale Interessen und wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit darstellt.

Aber wie gefährlich ist die Agenda zentraler rechtspopulistischer Akteur*innen in Europa für die Klimapolitik? Viktor Orbán in Ungarn, Giorgia Meloni in Italien und Herbert Kickl in Österreich. Die drei Politiker*innen sind prägende Figuren innerhalb des europäischen Rechtspopulismus, und ihre klimapolitischen Ansätze reichen von Skepsis bis hin zu pragmatischen Anpassungen.

Darüber hinaus stehen sie beispielhaft für verschiedene politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen: Während Ungarn unter Orbán eine illiberale Demokratie mit einer stark zentralisierten Regierung darstellt, bewegt sich Melonis Italien innerhalb der EU-Mainstream-Politik, versucht aber, rechte Narrative mit Klimapolitik zu verbinden. Kickl verkörpert eine radikale Ablehnung von Klimaschutzmaßnahmen und positioniert sich als Gegner europäischer Klimaziele.

Bild: Pixabay

Ungarns machtpolitische Spiele

Ein Blick auf den Einfluss rechter Regierungschefs auf die europäische Klimapolitik führt unweigerlich zu Viktor Orbán. Dieser hat seine Haltung in den letzten Jahren einige Male verändert: Nachdem die öffentliche Unterstützung für Klimaschutz in Ungarn wuchs, versuchte er, sich als Befürworter grüner Energie darzustellen. Doch trotz dieser rhetorischen Wende hat seine Regierung keine wirklichen Maßnahmen zur Erreichung von Klimaneutralität ergriffen. Orbán setzt weiterhin auf Atomenergie, während der Windkraftausbau im Land stagniert. Dies spricht dafür, dass seine Klimapolitik überwiegend von innenpolitischen Überlegungen bestimmt ist.

Dieses Muster setzt er auf EU-Ebene fort: Obwohl das Land Klimavereinbarungen wie das Pariser Abkommen unterstützt, blockierte er wiederholt EU-Klimapolitiken, etwa die Emissionsziele für 2050. Ein weiterer Bestandteil von Orbáns EU-Strategie ist die finanzielle Unterstützung des ungarischen Thinktanks MCC Brussels, der gezielt den europäischen Konsens zur Bekämpfung des Klimawandels infrage stellt. Diese Förderung ist Teil einer breiteren politischen Agenda: Orbán nutzt diese Institutionen, um eigene Narrative in die europäische Debatte einzuspeisen.

Insgesamt folgt sein Kurs weniger einem ernsthaften klimapolitischen Ansatz als vielmehr machtpolitischen Interessen: Er nutzt Klimafragen strategisch, um sich als Verteidiger ungarischer Unabhängigkeit zu inszenieren und gleichzeitig unliebsame europäische Regulierungen abzulehnen.

Zwischen Greenwashing und wirtschaftlichem Pragmatismus

Auch in Italien zeigt sich ein ähnliches Muster wie in Ungarn: Premierministerin Giorgia Meloni erkennt den Klimawandel zwar offiziell an - stellt aber wirtschaftliche und nationale Interessen klar über progressive Klimapolitik. Bereits 2022 kündigte sie an, sich für eine Überarbeitung und Rückabwicklung des Green Deals einzusetzen. Dieses EU-Klimapaket umfasst eine Vielzahl von Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen, darunter strengere Emissionsvorgaben für Unternehmen, verbindliche Energieeffizienzmaßnahmen und Regelungen für nachhaltige Landwirtschaft. Meloni argumentiert, dass Klimapolitik nicht auf Kosten von Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätzen gehen dürfe. Sie plädiert dafür, dass finanzielle Mittel nicht nur für erneuerbare Energien, sondern auch für fossile Übergangslösungen wie Erdgas verwendet werden dürfen. Dies steht im Widerspruch zu den Zielen des Green Deals. Zusätzlich fördert sie den Ausbau von Gasprojekten und spricht sich gegen verpflichtende EU-Gebäudesanierungen aus. Sie setzt auf Wasserstoff und Atomkraft als Alternativen. Das sind Maßnahmen, die als industriepolitische Strategie zur Sicherung nationaler Energieunabhängigkeit gelten.

Rhetorisch verfolgt Meloni eine neue Erzählstrategie: Sie will Klimapolitik zu einem Thema der Rechten machen. Bereits 2022 erklärte sie, dass„nichts rechter sei als Ökologie“, weil die Rechte „die Heimat und das Land liebe“. Diese Argumentation verbindet Umweltschutz mit nationalistischem Denken und grenzt sich von klassischen Narrativen ab. In diesem Zusammenhang unterzeichnete ihre Partei auch die Center Right Climate Action Declaration, eine Initiative wirtschaftsliberaler Akteur*innen, die Klimapolitik mit marktwirtschaftlichen und nationalen Interessen verbinden will.

Trotz ihrer öffentlichen Bekenntnisse zur Klimapolitik bleibt unklar, wie ernsthaft ihre Regierung tatsächlich nachhaltige Maßnahmen verfolgt. Während sie offiziell die EU-Klimaziele bis 2050 unterstützt, kritisiert sie deren wirtschaftliche Auswirkungen und fordert eine Neuausrichtung der EU-Fördermittel für die grüne Transformation. Ihr Widerstand gegen zentrale Maßnahmen des Green Deals zeigt, dass ihre Politik eher auf fossile Übergangslösungen als auf konsequenten Klimaschutz setzt.

Klimaschutz als Feindbild rechtspopulistischer Mobilisierung

Anders als Meloni, die versucht, Klimaschutz für die Rechte neu zu definieren, verfolgt die FPÖ einen deutlich konfrontativeren Kurs: Die Partei leugnet wissenschaftliche Erkenntnisse und diffamiert Klimaschutzmaßnahmen als „Klimahysterie“. Sie fordert die Abschaffung der CO2-Bepreisung und die Streichung steuerlicher Vorteile für E-Autos. Auch der Ausbau erneuerbarer Energien kommt in FPÖ-regierten Bundesländern kaum voran.

Ein weiterer Punkt ist die Kriminalisierung von Klimaprotesten durch die FPÖ gemeinsam mit der Österreichischen Volkspartei (ÖVP), eine zentrale Kraft in der Politik des Landes. Beide Parteien versprachen im Wahlkampf härtere Strafen für „Klimakleber“- eine Bezeichnung für Klima-Aktivist*innen der Letzten Generation, die mit Straßenblockaden auf die Klimakrise aufmerksam macht. Hier geht es also nicht nur um die Blockade von Klimaschutzmaßnahmen, sondern um eine gezielte Einschränkung des zivilgesellschaftlichen Protests. Indem Klimaproteste kriminalisiert werden, nutzen die Parteien das Thema, um Repressionen gegen kritische Stimmen im öffentlichen Raum einzuschränken. Diese Kriminalisierung mag der Regierung innenpolitisch nützen, trägt jedoch wenig zu einer konstruktiven Lösung der Klimakrise bei.

Sind Rechtspopulist*innen automatisch Klimakiller?

Rechtspopulistische Akteur*innen bremsen Klimaschutzmaßnahmen durch wirtschaftsnationalistische Politik, populistische Rhetorik oder EU-Skepsis. Dabei verfolgen sie keine einheitlichen Muster: Ihre Strategien reichen von Klimaleugnung bis zur selektiven Unterstützung von Klimaschutzmaßnahmen. Gerade diese Uneindeutigkeit macht rechtspopulistische Klimapolitik so gefährlich. Anstatt sich grundsätzlich konträr zu positionieren, lehnen sie gezielt einzelne Maßnahmen ab oder verzögern sie. Indem sie Klimaschutz mit wirtschaftlichen Nachteilen oder vermeintlicher Bevormundung durch die EU gleichsetzen, schwächen sie den gesellschaftlichen Konsens für eine ökologische Transformation.

Die kommenden Jahre werden zeigen, ob es gelingt, Klimapolitik als Säule europäischer Zusammenarbeit zu verteidigen – oder ob rechtspopulistische Akteur*innen ihren Fortschritt weiter ausbremsen.

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