Deutsche EU-Ratspräsidentschaft im Recap: August

„Schlag auf Schlag” im außenpolitischen Weltgeschehen

, von  Julia Bernard

„Schlag auf Schlag” im außenpolitischen Weltgeschehen
Der August hat wieder einmal gezeigt: Die außen- und sicherheitspolitischen Herausforderungen der EU sind immens. Schwierige Zeiten auch für Josep Borrell, Hoher Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik. Foto: Flickr / Ministerio de Asuntos Exteriores y de Cooperación / CC BY-NC-ND 2.0

Vor knapp zwei Monaten hat Deutschland die Präsidentschaft im Rat der EU übernommen. Von außenpolitischen Ereignissen in Belarus über humanitäre Herausforderungen im Libanon bis zu reisenden Robotern: Wir fassen zusammen, was im zweiten Monat der deutschen EU-Ratspräsidentschaft angestoßen, diskutiert und beschlossen wurde.

#1 Außenpolitischer Sommer

„Schlag auf Schlag” folgten der offiziellen Seite der deutschen Ratspräsidentschaft zufolge bedeutende außenpolitische Ereignisse diesen Sommer aufeinander: von der schwierigen Lage im östlichen Mittelmeer - damit sind vor allem die Beziehungen zur Türkei gemeint - über die Explosion im Libanon bis hin zu den Protesten in Belarus. Ganz im Sinne der immensen außen- und sicherheitspolitischen Herausforderungen trafen sich am 28. August die EU-Außenminister*innen in informellem Rahmen in Berlin. Das sogenannte Gymnich-Treffen wurde vom Hohen Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, sowie dem deutschen Außenminister Heiko Maas ausgerichtet. Während die EU-Außenminister*innen sich einig wurden, eine friedliche Lösung der Krise in Belarus unterstützen zu wollen, forderten sie in der Beziehung zu Russland eine „prinzipienfeste und aktivere EU-Politik”. Auch mit der Türkei möchte die EU den Dialog aufrechterhalten. Die Türkei hatte zuvor einen Streit um Erdgasfelder im östlichen Mittelmeer losgetreten, in den vor allem die europäischen Mitgliedstaaten Griechenland und Zypern mit verwickelt sind.

Da die außenpolitischen Geschehnisse einen Schwerpunkt der deutschen Ratspräsidentschaft im August ausgemacht haben, werden im Folgenden die wichtigsten Konflikte und Stellungnahmen näher beleuchtet.

# 2 Solidarität der EU: Von Belarus nach Libanon

Anfang August fanden in Belarus Präsidentschaftswahlen statt, die von bis zum heutigen Tag anhaltenden Protesten im Land begleitet werden. Seit Wochen gehen Hunderttausende gegen „Europas letzten Diktator” auf die Straße. Die EU gab den Demonstrierenden in einem Sondergipfel des Europäischen Rates am 19. August recht: Die Wahlen seien weder frei noch fair gewesen und so stehe die EU an der Seite der friedlich Demonstrierenden. Am 14. August hatten die EU-Außenminister*innen bereits die Wahlmanipulation und offenkundige Wahlrechtsverletzung seitens des amtierenden Präsidenten Alexander Lukaschenko bestätigt. Über die genaue Form der Strafmaßnahmen gegenüber Belarus waren sich die Mitgliedstaaten bis zuletzt uneinig. Insbesondere die Erstellung einer Liste mit den Verantwortlichen für Gewalt gegen Demonstrierende und Wahlfälschung sorgt für Schwierigkeiten.

Des Weiteren stand auch die Lage im Libanon auf der Tagesordnung des Gymnich-Treffens. Die libanesische Hauptstadt Beirut wurde am 4. August 2020 von einer verheerende Explosion im Hafen getroffen, welche weit über 150 Tote gefordert, etwa 6000 Verletzte zurückgelassen und rund 300.000 Menschen obdachlos gemacht hat. Während sich die EU mit dem Land solidarisierte und Hilfsgelder zur Verfügung stellte, stellte der deutsche Außenminister Heiko Maas auch klar, dass es für weitere Wirtschafts- und Finanzhilfen ein hohes Maß an Transparenz seitens der libanesischen Regierung bedarf. Bei einer internationalen Geber*innenkonferenz sammelten etwa 30 Staaten 250 Millionen Euro an Soforthilfe, die EU steuerte zusätzlich 30 Millionen Euro bei.

# 3 Geopolitisches: Türkei und China

Die Beziehungen zwischen der Türkei und der EU drohen aufgrund einer anhaltenden Forschungsmission und militärischen Übung der Türkei im östlichen Mittelmeerraum zu eskalieren. Vor allem die EU-Mitgliedstaaten Griechenland und Zypern fühlen sich von der türkischen Präsenz bedroht. Seit der Entdeckung reicher Erdgasvorkommen in den 2000er Jahren nahe Griechenland und Zypern ist die dortige Lage angespannt. Als Gegenreaktion auf die andauernde Präsenz der Türkei haben Frankreich, Griechenland und Zypern umfangreiche militärische Übungen in dem Gebiet begonnen. Trotz der vermehrten Aufrufe der deutschen Bundesregierung und der Nato zu Besonnenheit, scheint ein Abrücken der Türkei aktuell nicht in Aussicht zu stehen. Stattdessen kündigte die Türkei an, den Einsatz ihres Forschungsschiffs zu verlängern. Der Konflikt wurde für die deutsche Ratspräsidentschaft zu einer besonderen Herausforderung, als sich Zypern beim EU-Außenminister*innen-Treffen der letzten Wochen quer stellte, Sanktionen gegen Belarus zuzustimmen, wenn die EU nicht auch zeitgleich den Druck auf die Türkei erhöhe. „Wir wollen keine Doppelmoral oder Zweideutigkeiten“ äußerte sich der zypriotische Außenminister Nikos Christodoulides.

Ein weiterer geopolitischer Tagesordnungspunkt findet sich beim Thema China. Die Führungsspitzen der EU und Chinas planen für Mitte September einen Gipfel per Videokonferenz. Folglich waren die europäisch-chinesischen Beziehungen auch im August Thema der deutschen Ratspräsidentschaft. „Wir brauchen dringend mehr europäisches Handeln im Umgang mit China" fordert Staatsminister Michael Roth Anfang August im Spiegel. Den wunden Punkt der EU sieht Roth in „der durch Peking gezielt betriebenen Bilateralisierung der Beziehungen”. Denn in der Realität bedeutet das: Allein Deutschland hat mit China 80 Dialogformate. Der SPD-Politiker machte hierbei auch auf eine Initiative der deutschen Ratspräsidentschaft aufmerksam: Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik einzuführen. Der Vorschlag ist nicht neu und wird seit Langem von europäischen Spitzenpolitiker*innen diskutiert. Ob Deutschland hier einen Vorstoß erzielen wird, muss sich noch zeigen.

# 4 Kulturprogramm: Was passiert eigentlich in Deutschlands Goethe-Instituten?

Und trotzdem, es gab im August nicht nur Außenpolitisches zu berichten. Aktuell touren zwei kleine, hellgraue Roboter über den Kontinent. Von Mailand bis Riga besuchen sie Goethe-Institute und „erlernen” dort neue künstlerische Fähigkeiten. In einem Abschlussfestival im Herbst nächsten Jahres werden sie ihre neuen Fähigkeiten präsentieren. Die deutsche Ratspräsidentschaft hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Potenzial Künstlicher Intelligenz (KI) der Breite der Gesellschaft zugänglich zu machen. Zudem sollen Debatten rund um das Thema KI über deren Herausforderungen und Chancen geführt werden. In interaktiven Formaten, Umfragen und Online-Diskussionen sollen die verschiedensten Dimensionen von Künstlicher Intelligenz erörtert werden.

Zudem soll in einer Studie die Wahrnehmung junger Europäer*innen bezüglich Künstlicher Intelligenz erfasst werden. Was erwarten junge Erwachsene in Europa von Künstlicher Intelligenz? Welche Ängste und Hoffnungen verbinden 18- bis 30-Jährige mit dem Thema? Wie nutzen sie KI? Und auch darüber hinaus möchte die deutsche Ratspräsidentschaft mit ihrer Kampagne „Generation A=Algorithmus” in den verschiedensten Veranstaltungsformaten Ideen und Informationen sammeln, die im Herbst 2021 in einem Manifest festgehalten werden sollen.

Auch für den generationsübergreifenden Dialog soll gesorgt sein. In der europaweiten Gesprächsreihe „Erzähle mir von Europa” sollen Europäer*innnen verschiedenen Alters zusammenkommen, um über Vergangenheits- und Zukunftsfragen zu diskutieren. „Welche Impulse möchten gerade junge Menschen geben, um das generationsübergreifende Projekt Europa fortzuführen?” Zur Beantwortung dieser und vieler weiterer Fragen sollen in Goethe-Instituten und weiteren Kulturzentren zahlreiche Veranstaltungen stattfinden.

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