Studie: Britische Landwirtschaft könnte nach dem Brexit „global führend“ sein

, von  Samuel White | Euractiv.com, übersetzt von Tim Steins

Studie: Britische Landwirtschaft könnte nach dem Brexit „global führend“ sein
Schafe in Wales Andrew / Flickr / CC BY 2.0

Mit einem stärker marktorientierten Ansatz könnte Großbritanniens Landwirtschaft innerhalb von zehn Jahren nach dem EU-Austritt global führend werden, heißt es in einem heute veröffentlichten Bericht.

Ein solches Landwirtschaftsmodell würde darüber hinaus die Möglichkeiten des Landes in Sachen Umweltschutz und im Kampf gegen den Klimawandel verbessern, gleichzeitig aber auch für weitreichende Umbrüche im Sektor sorgen und politisch sehr schwer umzusetzen sein, heißt es im Bericht mit dem Titel ‚The implications of Brexit for UK, EU and global agricultural reform in the next decade‘.

Das vom Think-Tank Chatham House – the Royal Institute of International Affairs erarbeitete Dokument zeigt vier mögliche Landwirtschaftsmodelle für Großbritannien nach dem Brexit auf und beleuchtet deren Vor- und Nachteile.

In einem protektionistischen Wirtschaftsmodell wie in Japan, der Schweiz und Norwegen würde die einheimische Produktion durch Handelsschranken und hohe Preise gefördert. In einem subventionistischen Modell ähnlich der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU würden die Einkommen der Bauern durch Zahlungen des Staates gestützt. Dabei müsse aber darauf geachtet werden, dass keine Anreize für Überproduktion geschaffen werden. Im einkommenssichernden Modell, ähnlich den Ansätzen der USA oder Kanadas, werden die Landwirte zumindest in Krisen unterstützt, während ansonsten Wettbewerb herrscht.

Schließlich beleuchtet der Bericht auch ein rein marktorientiertes Modell, wie es in Neuseeland und Australien verfolgt wird. Mit diesem Ansatz würden Anreize für effiziente Landwirtschaft geschaffen, die Lebensmittelpreise niedrig gehalten, die Kosten der Landwirtschaftssubventionen für die Steuerzahler verringert und im Gegensatz zu Subventionsmodellen der Preis für Land nicht aufgebläht. Subventionen sowohl für Landnutzung und Produktion würden gestrichen. Außerdem würden Handelshemmnisse verringert, sodass die Verbraucher leichteren und kostengünstigeren Zugriff auf Produkte aus der ganzen Welt erhalten, heißt es im Bericht.

Für den Autor der Studie, Ian Mitchell von Chatham House, ist dieses letzte Modell „der einzige Ansatz, der Großbritannien eine echte Chance bietet, außerhalb der EU im kommenden Jahrzehnt zu einer global führenden landwirtschaftlichen Macht zu werden.“ Mit ihm würde das Land „vom freien Handel profitieren, während gleichzeitig die Umweltziele der Regierung umgesetzt werden könnten.“

Der Übergang zu einem solchen Modell würde jedoch nicht reibungslos verlaufen: Zum einen müsste die britische Regierung die Landwirte überzeugen, die den Verlust der landbezogenen Subventionen der GAP fürchten. Zweitens müssten eine weitläufige Umwälzung des Sektors und Arbeitsplatzverluste bewältigt werden.

Wenn adäquate Sicherheitsnetze gespannt werden, könnten diese Herausforderungen jedoch gemeistert werden – und zwar bei niedrigeren Kosten als unter der derzeitigen GAP, argumentiert Mitchell. So eingesparte öffentliche Gelder könnten dann anderweitig ausgegeben werden, beispielsweise für Arbeitsbeschaffungs- und Umschulungsprogramme sowie für den Umweltschutz.

Harte Zeiten für britische Landwirte

Eine Öffnung des britischen Landwirtschaftsmarktes für Wettbewerber aus dem Rest der Welt würde Gewinner und Verlierer schaffen: Während die britischen Verbraucher von niedrigeren Preisen der großen, kosteneffizienten Farmen in Ländern wie Brasilien oder Neuseeland profitieren würden, hätte beispielsweise die britische Viehzucht mit großen Verlusten zu kämpfen.

Ein Beispiel: Im ländlichen Wales spielt die Schafzucht eine wichtige wirtschaftliche Rolle. Aufgrund der niedrigen Preise und des schwierigen Terrains sind die Höfe allerdings klein und meist unprofitabel. In einem marktorientierten System wären sie die ersten Opfer, da größere Höfe und Landkonzentration, die so in großen Teilen Wales schlicht nicht möglich ist, Vorteile hätten. Für die kleinen walisischen Landwirte bedeutet ein Ende der Subventionen und mehr Konkurrenz aus dem Ausland den wirtschaftlichen Tod.

Mitchell glaubt allerdings, dass die Jobverluste aufgrund dieser Änderungen nicht allzu dramatisch ausfallen würden und dass „Arbeitsplätze, die verlorengehen, in anderen Sektoren neu geschaffen werden, wie es in einer gesunden Wirtschaft nun einmal passiert“. In einer Region wie dem ländlichen Wales, in der bereits ein Viertel der Bevölkerung von Armut betroffen ist, wäre dies aber wohl ein schwacher Trost – und politisch schwer zu verkaufen.

Das ist Mitchell bewusst: „Die Regierung wird weiterhin im Spannungsfeld zwischen ihrer erklärten Verpflichtung für Märkte und Freihandel einerseits und ihren engen Beziehungen zum Landwirtschaftssektor andererseits manövrieren müssen.“

Auswirkungen auf die Umwelt unklar

Aus Mitchells Sicht würde ein marktorientiertes Modell für die britische Landwirtschaft auch potenzielle Verbesserungen in Sachen Umweltschutz bieten. Allerdings hängt dies davon ab, wie der Umweltschutz vor Ort tatsächlich umgesetzt wird. Wenn die Produktion von Schafsfleisch aus Wales nach Neuseeland verlagert würde, würden sich in Wales lokale Verbesserungen in Bezug auf die Gesundheit der Böden, den Erhalt von Kohlenstoffsenken und niedrigeren Ausstoß von Treibhausgasen ergeben. Diese Vorteile könnten aber leicht durch negative Umwelt-Auswirkungen der Produktion in Neuseeland und des Transports übertroffen werden.

Laut der grünen Europaparlamentarierin Molly Scott-Cato hat der neuseeländische Wandel hin zu einem rein marktorientierten Landwirtschaftsmodell zu einer „Vergrößerung der Landwirtschaftsbetriebe und zu ernsthaften Umweltschäden geführt“, darunter die Zerstörung des Lebensraums von Pflanzen und Tieren sowie stark erhöhte Nitrat-Verschmutzung der Böden und Gewässer. Scott-Cato weist auch darauf hin, „dass die Rate der aussterbenden Spezies in Neuseeland eine der höchsten der Welt ist.“

Dieser Artikel ist zuerst bei unserem Medienpartner Euractiv.com erschienen.

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