Europäischer Filmpreis

„The Favourite“ als bester europäischer Film des Jahres

, von  Arnisa Halili

„The Favourite“ als bester europäischer Film des Jahres
Foto: Unsplash / Patrick Reichboth / Unplash License Erster Europäischer Filmserien-Preis geht an „Babylon Berlin“

Während die vergangenen Oscar- Verleihungen unter großer Kritik standen, als zu weiß* und zu männlich deklariert wurden und förmlich nach #metoo schrien, ist der Europäische Filmpreis 2019 an den meisten spurlos vorbeigezogen. Wir von treffpunkteuropa.de fassen für euch die wichtigsten Film - Highlights zusammen.

Am 7. Dezember 2019 wurde der 32. Europäische Filmpreis, auch bekannt als „europäischer Oskar“, in Berlin verliehen. Es handelt sich dabei um einen paneuropäischen Filmpreis, der seit 1988 jährlich von der Europäischen Filmakademie (EFA) vergeben wird. Mit der Filmpreisvergabe soll dabei der Bekanntheitsgrad europäischer Filme gestärkt werden. Unter den diesjährigen Gewinnern befanden sich sieben Filme, die über das Creative Europe Media Programm der EU gefördert und mit 15 Preisen ausgezeichnet wurden.

Auswahl der Filme: Wer ist dabei?

Jedes Jahr werden von der Europäischen Filmakademie (EFA) und der EFA Productions GmbH in Berlin eine sogenannte „Longlist“ mit etwa 40 Spielfilmen bekannt gegeben. Alle Nominierungen müssen zwischen Juli des vorherigen Jahres sowie Juni dieses Jahres auf Filmfestivals oder in Kinos gezeigt werden. Die ausgewählten Filme werden dabei unter anderem von EFA-Mitgliedern als auch von europäischen Filminstitutionen, Festivals und Fachzeitschriften vorgeschlagen und über das Auswahlkomitee des Europäischen Filmpreises festgelegt. Ähnlich wie bei der Oscarverleihung stimmen die Mitglieder der Europäischen Filmakademie per Briefwahl über die Nominierten ab. Diese werden jedes Jahr Anfang November auf dem Europäischen Filmfestival in Sevilla bekannt gegeben. Daraufhin stimmen in einem weiteren Wahlgang die EFA-Mitglieder über die Gewinner*innen der einzelnen Kategorien ab. Als europäische Filme gelten Produktionen von Regisseur*innen, die in Europa geboren wurden oder einen europäischen Pass besitzen. Darunter fallen auch Beiträge aus Israel und den Palästinensischen Autonomiegebieten.

„The Favourite“ als großer Gewinner des Abends

Der griechische Filmemacher Yorgos Lanthimos sahnte mit seinem Historienfilm „The Favourite“ insgesamt acht Europäische Filmpreise ab – in den Kategorien Bester Film, Beste Komödie, Beste Regie, Beste Kamera, Beste Darstellerin, Bester Schnitt, Bestes Kostümbild und Bestes Maskenbild. Der Film portraitiert Queen Anne aus dem England des 18. Jahrhunderts. Diese kümmert sich jedoch mehr um ihren Kleintierzoo, als um die Regierungsgeschäfte ihres Landes. Dabei zeigt Lanthimos über verschiedene Kameraperspektiven, wie der Alltag des britischen Hofes zu Beginn des 18. Jahrhunderts von Intrigen, Eifersucht und Gier bestimmt war.

„Systemsprenger“ geht (fast) leer aus

Das deutsche Drama „Systemsprenger“ von Nora Fingscheidt war in den Kategorien Bester Spielfilm und Beste Schauspielerin nominiert, wurde letzten Endes jedoch „nur“ für die Filmmusik ausgezeichnet. Unsere Redaktion empfiehlt dennoch sich den Film anzusehen, weil er eine besondere Perspektive auf ein neunjähriges Mädchen wirft, das sich radikal allen Verhaltensnormen verweigert und trotz aller Bemühungen von Helfer*innen und Pädagog*innen in eine Abwehrtsspirale zu geraten droht. Emotionale Anteilnahme bei den Zuschauer*innen ist somit vorprogrammiert!

Der Preis für den besten Europäischen Darsteller ging an den Spanier Antonio Banderas für seine Rolle in Leid und Herrlichkeit. Den Europäische Drehbuchpreis gewann die Französin Céline Sciamma für Porträt einer jungen Frau in Flammen. Neu seit diesem Jahr ist die Vergabe der besten Europäischen Serie, die an die deutsche Produktion Babylon Berlin vergeben wurde.

Hype um Nachhaltigkeit

Auf der offiziellen Seite der European Film Academy gibt es eine Rubrik Close-Up bei der jedes Jahr von Seiten der Filmbranche zu gegenwärtigen „issues“ Stellung bezogen wird. Im Jahr 2019 widmet sich die Europäische Film Akademie dem Thema „Nachhaltigkeit“. Mit Sprüchen und Zitaten wie „Films are carbon-farting-adventures“ (Isländischer Schriftsteller und Regisseur Benedikt Erlingsson) oder „The way films are produced in general is not very sustainable“ (von Journalistin Birgit Heidsiek) sowie 10 Tipps, wie Festivals nachhaltiger gemacht werden können, möchten die Organisator*innen des Europäischen Filmpreises Teil des Nachhaltigkeitsdiskurses sein und zum Nachdenken anregen. Die abendliche Garderobe der Gäste, die pompöse Dekoration sowie aufwendige Bühnenauftritte auf der Europäischen Filmpreisvergabe, lassen die Ernsthaftigkeit des Dokuments jedoch anzweifeln.

Ist das jetzt Vielfalt?

Es bleibt zu kritisieren, dass „The Favourite“ bereits mit vielen internationalen Preisen ausgezeichnet wurde und die Vergabe von zusätzlichen acht Preisen die Vielfalt des europäischen Films beeinträchtigt hat. Andere Filme hätten ebenso den Preis für die beste Regie verdient, so Filmkritiker Jörg Taszman, wie beispielsweise Pedro Almodóvars Leid und Herrlichkeit. Zwar wurde den Abend über mehrfach die europäische Vielfalt gelobt, aber diese bildete sich nicht in den Auszeichnungen ab. Céline Sciamma war die einzig nominierte Regisseurin und gewann auch einen Preis für das beste Drehbuch, dennoch dominierten ältere Männer* den Abend des Europäischen Filmpreises.

The End

Unser Redaktionsteam kann nur wärmstens ermutigen, sich ein eigenes Bild von den Nominierungen und Gewinner*innen zu machen und den ein oder anderen europäischen Lieblingsfilm zu entdecken. Mehr Informationen zu den eingereichten Filmen sowie Nominierungen findet ihr auf der offiziellen Webseite der European Film Awards. Wir sind gespannt auf die nächste Verleihung 2020 in Reykjavík.

„Weiß“ bezeichnet hier keine biologische Eigenschaft und keine reelle Hautfarbe, sondern eine politische und soziale Konstruktion. Mit „Weißsein“ ist die dominante und privilegierte Position innerhalb des Machtverhältnisses Rassismus gemeint, die sonst zumeist unausgesprochen und unbenannt bleibt (Amnesty International Glossar für Diskriminierungssensible Sprache)

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