Beitrag zum Online-Bürgerdialog „The Future is Female! Forderungen von Frauen an die Konferenz zur Zukunft Europas“ der überparteilichen Europa-Union Deutschland e.V. am 15. Juni 2021

„The Future is Female!“ - aber wie können wir diese Zukunft erreichen?

, von  Friederike Graupner

„The Future is Female!“ - aber wie können wir diese Zukunft erreichen?
The future is female-connecting women on the rise! Foto: Unsplash / CoWomen / Unsplash Lizenz

„Gleichheit der Geschlechter“ ist eines der Kernziele der EU. Eine Chance, diesen Prozess als Zivilgesellschaft voranzutreiben, bietet die Konferenz zur Zukunft Europas. Doch wie sind Frauen aktuell repräsentiert? Wie kann ein gleichberechtigtes Europa gestaltet werden? Und: Welche konkreten Forderungen haben Frauen an die Konferenz zur Zukunft Europas?

Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat nach ihrem Amtsantritt gezeigt, dass das Ziel der Geschlechtergleichstellung auch in Spitzenämtern der EU umsetzbar ist. 13 von 27 Posten innerhalb der Europäischen Kommission werden aktuell von Frauen besetzt. Die Erfüllung von vollständiger Parität scheiterte nur aufgrund mangelnder Nominierungen für die Posten vonseiten der Mitgliedstaaten. Bis 2024 sollen zudem die Hälfte aller Führungskräfte innerhalb der Kommissionsverwaltung Frauen sein.

Vor diesem Hintergrund hat sich die überparteiliche Europa-Union Deutschland (EUD) am 15. Juni 2021 im Rahmen des Online-Bürgerdialogs „The Future is Female!“ mit den Forderungen von Frauen an die Konferenz zur Zukunft Europas auseinandergesetzt. Dr. Hannah Neumann, die als Mitglied des Europäischen Parlaments für Bündnis 90/Die Grünen im Ausschuss für Sicherheitspolitik sitzt und sich für eine feministische Außenpolitik einsetzt, arbeitet täglich an der Stärkung der Rolle der Frau und diskutierte zusammen mit Prof. Dr. Ingeborg Tömmel, Trägerin des „Preis Frauen Europas“ 2021 und Politikwissenschaftlerin mit Schwerpunkt Europäische Integration der Universität Osnabrück. Durch die Veranstaltung führte die freie Moderatorin Mareen Hirschnitz, die im Sinne des partizipativen Veranstaltungsformates die Fragen und Wortbeiträge der Teilnehmer*innen aktiv einband.

Kommission und Europäisches Parlament als treibende Kraft für Gleichberechtigung in der EU

Prof. Dr. Tömmel erklärt, dass „sich Frau von der Leyen [als Kommissionspräsidentin] stark für die Gleichheit von Männern und Frauen in der Europäischen Union einsetzen wird“ und betonte, dass sich auch das „Europäische Parlament seit seiner Direktwahl 1979 immer sehr stark für Frauenrechte eingesetzt hat und dort bereits sehr viel erreicht hat.“ Progressive Vorschläge zur Beseitigung des Gender Pay Gaps blieben allerdings häufig im Rat der Europäischen Union stecken, ergänzt Dr. Neumann. Ein Beweis dafür, dass Ambitionen und Forderungen in der EU gehört würden, aber letztendlich an den nationalen Regierungen scheitern. Die Konferenz zur Zukunft Europas ermöglicht es Bürger*innen, genau solche progressiven Forderungen an die EU zu richten und so den nationalen Regierungen zu demonstrieren, dass eine proaktive und zukunftsorientierte Politik gefordert wird.



Einige Forderungen für die Zukunft von Frauen in der EU der Teilnehmer*innen des virtuellen EUD-Bürgerdialogs. / Europa-Union Deutschland


Forderungen für eine gleichberechtigte Zukunft

Tolerante Aufklärung durch Bildung , eine Frauenquote für Führungspositionen, der Beitritt der EU als Ganzes zur Istanbul-Konvention und die Stärkung von Frauennetzwerken sind Forderungen der Teilnehmer*innen, um die Zukunft der Frauen in der EU positiv zu beeinflussen. „Die Hälfte der Macht den Frauen, Parität in allen Parlamenten“ ergänzt Dr. Neumann, da dies eine wichtige Ausgangsvoraussetzung für die Erfüllung der genannten Forderungen sei. Dies zeige sich aktuell gut am Beispiel der Besetzung von Kommissionsposten durch Ursula von der Leyen. Für Dr. Hannah Neuman heißt das, „Es geht!“, Gleichberechtigung ist möglich. Zudem, so ergänzt sie, „sei das die Voraussetzung für all [die anderen genannten Vorschläge der Zuschauer*innen], damit diese mit mehr Nachdruck funktionieren.“

Auch Prof. Dr. Tömmel stimmt den Forderungen der Zuschauer*innen zu, möchte aber noch einen Schritt weitergehen. Sie fordert, dass in allen politischen Entscheidungsgremien und Unternehmensvorständen eine Frauenquote eingeführt werden müsse. Ihre Berufspraxis habe ihr gezeigt, dass es ohne Frauenquote aktuell einfach nicht funktioniere. Egal, ob in Berufungsgremien an Universitäten oder in der Wirtschaft, Frauen seien aktuell bei der Stellenbesetzung benachteiligt. Dafür sei es in Branchen mit derzeit niedrigem Frauenanteil in einer Übergangsphase möglich, nicht direkt bei einer Frauenquote von 50 Prozent zu starten, sondern einen niedrigeren Anteil anzustreben, der dann gestaffelt gesteigert werde. „Aber bitte nicht auf einen Zeitraum von 100 Jahren, sondern auf fünf oder maximal acht Jahre“, ergänzt Tömmel.

Frauen im Europäischen Parlament

Im Europäischen Parlament sitzen aktuell 39,4 Prozent Frauen. Das sind fast neun Prozent mehr Frauen als im Deutschen Bundestag, aber auch immer noch fast zehn Prozent entfernt von einer paritätischen Besetzung des Parlaments. Zudem, so warnt Tömmel, ist dieser vergleichsweise hohe Frauenanteil keinesfalls für die Ewigkeit gesichert. Mit der steigenden Zahl an Sitzen für rechte Parteien auch im Europäischen Parlament gehe eine Schwächung der Frauen einher. Betrachtet man die Verteilung der Frauen in den unterschiedlichen Ausschüssen des Europäischen Parlaments, so befinden sich diese auch heute noch häufig in Ausschüssen, die als „klassische Frauenthemen“ wahrgenommen werden. Dr. Neumann ergänzt, dass sie in sicherheitspolitischen Sitzungen häufig die einzige Frau im Raum gewesen sei. Solange eine Frauenquote schmerze, sei es das beste Zeichen, dass sie benötigt werde.

Eine Möglichkeit dafür wäre eine Quotierung der Wahllisten, die zu einer paritätischen Vergabe von Mandaten führt. Solche Paritätsgesetze gibt es innerhalb der EU bisher in Belgien, Frankreich, Portugal, Spanien und Slowenien. Diese schreiben gesetzliche Geschlechterquoten für Kandidierendenlisten von jeweils zwischen 40 und 50 Prozent vor. Aber hier, so ergänzt eine der Teilnehmerinnen, sei man mit dem Problem konfrontiert, dass es kein gemeinsames europäisches Wahlrecht gibt. Die Anforderung, Wahlzettel für die Wahlen des Europäischen Parlaments zu quotieren, müsse also in jedem Mitgliedstaat separat geregelt oder generell ein europäisches Wahlrecht eingeführt werden.

Frauen in nationalen Parlamenten der EU

Bei der Repräsentation von Frauen in nationalen Parlamenten hapert es, die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten sind teils sehr groß. Schweden hatte im Jahr 2020 49,6 Prozent Frauen innerhalb des nationalen Parlaments, während in Liechtenstein und Ungarn im selben Jahr nur 12 Prozent und 12,6 Prozent Frauenanteil in den nationalen Parlamenten saßen.

Dabei sind diese starken prozentualen Unterschiede zwischen nationalen Parlamenten und dem Europäischen Parlament auf zwei Aspekte zurückzuführen: erstens würden die Länder mit hohem Frauenanteil auf europäischer Ebene diejenigen mit geringem Frauenanteil ausgleichen und zweitens sei die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen in als „weniger wichtig“ wahrgenommene Parlamente, wie das Europäische Parlament, gewählt werden, höher. Die Europaabgeordnete Neumann erklärt, dass diese Einschätzung allerdings falsch sei, „da dieses Parlament mittlerweile wahnsinnig viel zu sagen hat, auch wenn das keiner mitkriegt. Aber in dem Fall würde ich sagen, genießen und schweigen.“

Was kann ich für Gleichberechtigung in der EU tun?

Die Teilnehmer*innen stellten zahlreiche Fragen dazu, welchen Beitrag sie zur Gleichberechtigung in der EU leisten könnten. Dr. Neumann war es dabei wichtig zu betonen, dass Parlamente am besten Forderungen durchsetzen können, die aus der Zivilgesellschaft kommen, da Parlamente Verstärker*innen von Forderungen seien. Außerdem wies sie auf die progressive Einstellung des Europäischen Parlaments hin, welches Forderungen wie die Schließung des Gender Pay Gaps bereits verabschiedet hat. Diese zukunftsweisenden Beschlüsse würden aber meistens an den nationalen Vertreter*innen im Rat der EU, auch Ministerrat genannt, scheitern. Denn ohne dessen Zustimmung ist die Verabschiedung neuer Verordnungen und Richtlinien auf europäischer Ebene nicht möglich. Wer also auf europäischer und nationaler Ebene eine höhere Repräsentation von Frauen erreichen möchte und Probleme wie Gender Pay Gap, Gender Care Gap und Gender Pension Gap beseitigen möchte, kann das am besten in seinem Wahlverhalten umsetzen - auf nationaler und EU- Ebene.

Eine weitere Chance zur eigenen Beteiligung bietet zudem die am 9. Mai offiziell gestartete Konferenz zur Zukunft Europas und deren mehrsprachige interaktive Online-Plattform. Diese sei ein guter Rahmen für die Forderungen der Bürger*innen Europas für die Zukunft Europas. Die Bürger*innen Europas haben auf dieser Plattform die Möglichkeit, sich virtuell über die zukünftige Entwicklung Europas in Form von eigenen Forderungen und durch die Unterstützung bereits bestehender Beiträge aktiv einzubringen. Denn, so die Moderatorin Mareen Hirschnitz, die aktuellen Vorschläge seien immer noch sehr männlich dominiert und beinhalten häufig keine Genderperspektive.



Online Dialog der EUD zu Forderungen von Frauen an die Konferenz zur Zukunft Europas. Graphik zur Verfügung gestellt von Larissa Montag / Europa-Union Deutschland


Forderungen an die Konferenz zur Zukunft Europas

Wenn du jetzt motiviert bist, allein, mit einer Gruppe von Freund*innen oder innerhalb eines Vereines einen Vorschlag auf der Plattform zur Konferenz zur Zukunft Europas einzureichen oder dich über die bereits eingebrachten Forderungen, die im Rahmen des Online-Bürgerdialogs bereits auf der Plattform eingebracht wurden zu informieren, schaue gerne hier vorbei.

Dort findet ihr auch einige der Vorschläge, die für die Konferenz zur Zukunft Europas während der Veranstaltung gesammelt wurden und hier im Veranstaltungsbericht kursiv markiert sind. Außerdem kannst du auf der Plattform zur Konferenz zur Zukunft Europas auch fremde Beiträge mit einem Like unterstützen und so zeigen, dass der Beitrag relevant ist!

Dieser Beitrag ist im Rahmen einer Kooperation zwischen der Europa-Union Deutschland und treffpunkteuropa.de entstanden, in der wir über die bundesweite Bürgerdialogreihe „Europa - Wir müssen reden!“ berichten. Die interaktiven Online-Bürgerdialoge ermöglichen einen offenen Austausch und ehrliche Verständigung, um politische Beteiligung auch während der COVID-19-Pandemie aufrechtzuerhalten. Der Bürgerdialog am 15. Juni wurde von der Europäischen Union kofinanziert und unterstützt vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung.

treffpunkteuropa.de ist Medienpartner der Reihe und erhält im Rahmen dieser Partnerschaft eine Aufwandsentschädigung. Die Inhalte der Berichterstattung sind davon nicht betroffen. treffpunkteuropa.de ist frei und allein verantwortlich für die inhaltliche und redaktionelle Gestaltung seiner Artikel.

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