Könnt ihr euch und euer Projekt kurz vorstellen?
Wir sind zwei junge Französinnen aus der Bretagne, die ein Dokumentarfilmprojekt mit dem Namen Toi d’Europe gestartet haben. Mathilde ist Handelsvertreterin im Süden Frankreichs und studierte an einer Schule für internationalen Handel. Ich wiederum bin Sophie und habe soeben mein Journalismus-Studium abgeschlossen. Das Konzept unseres Projekts Toi d’Europe besteht darin, junge Europäer*innen (18-35 Jahre) zu treffen und sie hinsichtlich ihrer Erwartungen bezüglich der Zukunft der EU zu befragen. Seit Projektstart haben wir bereits um die zwanzig Länder besucht und dabei wirklich interessante und bereichernde Begegnungen gehabt.
Wie kamt ihr auf die Idee, euch mit der europäischen Jugend auseinanderzusetzen? Warum ausgerechnet die Jungen?
Die Idee kam von Mathilde, im Januar 2017. Anfang ebendieses Jahres waren 6 Monate seit dem Brexit-Votum vergangen, die Amtseinführung Donald Trumps fand statt und in zahlreichen europäischen Ländern war die extreme Rechte bei Wahlen auf dem Vormarsch. In vielen Ländern wird Europa in Frage gestellt und wir wunderten uns, ob das auch bei der Jugend der Fall war, jenen also, die seit jeher in der EU gelebt haben, die schon immer den Euro als gemeinsame Währung hatten, die dank Schengen immer schon frei herumreisen konnten und denen die Welt des Erasmus-Programms offensteht... Wir meinen, dass es die Generation von morgen ist, die der Union ihre Zukunft geben wird, und daher ist es interessant zu verstehen, was diese Generation über ebenjene momentan denkt und was sie sich erwartet.
Dernier reportage vidéo de #toideurope sur la #croatie et l’#ue vu par sa jeunesse : https://t.co/a6HExSugfe @ddesesquelle @ErasmusplusJeun @likeeurope @carolinegillet @CarrefourEurope @FrequenceEurope @EuropeAlternat1
— Sophie Hériaud (@Sophie_Hrd) 25. Juli 2018
Welchen Schwierigkeiten seid ihr während der Realisierung des Projekts begegnet?
Es ist ein Projekt mit langer Vorbereitungszeit, besonders hinsichtlich der Finanzierung (Crowdfunding und Subventionen). Es ist ein Projekt, das durch Betreiben einer Website und Social Media Zeit in Anspruch nimmt, dem Hochladen von Videos, der Aufbereitung der Doku und der Durchführung der letzten Interviews in noch zehn Ländern (Estland, Irland, Dänemark, Portugal, Schweden, Finnland, Bulgarien, Zypern und Malta). Aber wir können uns auf die Hilfe der Leute vor Ort und unser Netzwerk verlassen, uns bei der Arbeit zu unterstützen.
Was ist eure schönste Erinnerung?
Jede unserer Begegnungen stellt ein wichtiges und einzigartiges Erlebnis dar, sei es mit jemanden, der eher euroskeptisch eingestellt ist, oder Europabegeisterten. Jeder Austausch ist konstruktiv! Außerdem waren alle Leute, die wir trafen, mitgerissen vom Projekt und wir sind wirklich ins Leben jedes Landes eingetaucht: ein Nachtspaziergang durch einen Park in Bukarest, die Organisation einer Straßenumfrage in Leeds, der Besuch der Orte der Revolution gegen die Diktatur in Athen, etc.
Habt ihr eine lustige Anekdote zum Teilen?
Da gab es einige, aber wenn wir euch zwei geben sollen, erzählen wir euch von den 17 Zugstunden zwischen Budapest und Bukarest im Juni 2017. Wir waren gerade am Ende von zehn Tagen Berichterstattung aus dem Osten der EU, hatten wenig geschlafen und die Müdigkeit machte sich langsam bemerkbar. Es war der erste Moment, in dem wir uns wirklich ausruhen konnten und der Zug kam so langsam voran, dass wir die rumänische Landschaft wirklich bewundern konnten... stundenlang! Die zweite Geschichte handelt von unserer ersten Reportage aus England. Wir kamen am Sonntag des zweiten Wahlganges der französischen Präsidentschaftswahlen 2017 in Leeds an. Sowie wir Engländer trafen, fragten sie uns nach allen Resultaten. Es waren vor allem die jungen Briten, meist anti-Brexit, und alle hatten sie Angst, dass nach der Wahl Donald Trumps und Brexit nun Frankreich Marine Le Pen wählen könnte und das wir uns in Richtung Frexit bewegen könnten. Darüber diskutierten wir viel mit ihnen, spaßten darüber, bis sie nun endlich zugaben, dass die Franzosen die besseren Entscheidungen als die Engländer treffen. Britisch-französische Liebe eben!
Was braucht es heute noch, damit euer Projekt ein Erfolg wird?
Das Projekt ist bereits gut fortgeschritten! Die Web-Doku ist bereits online (http://toideurope.eu/) und wird jede Woche mit Artikeln zum europäischen Zeitgeschehen, Foto Serien und Videos zu jedem Land ergänzt. Zehn Länder haben wir im Herbst 2018 noch abzufahren, um dann gegen Ende des Jahres die finale Doku präsentieren zu können. Es ist ein Projekt, das ständiges Investment verlangt und somit sind wir immer auf Suche nach Subventionen oder Sponsoren. Aber jeder kann uns helfen, das Projekt voranzutreiben: ein Like oder Teilen in den sozialen Netzwerken, Artikelvorschläge, Interviewkontakte oder auch Ideen für Videos etc. Es ist ja vor allem ein Projekt zum Mitmachen!
Und wie seht ihr nun, da ihr all diese Kilometern zurückgelegt und zahlreiche junge Europäer*innen getroffen habt, das Europa von morgen?
Nach allem, was wir gehört haben, ist die Zukunft der Union eher positiv. Es ist einiges zu reformieren und es gibt den Wunsch, die Bürger*innen wieder ins Herz des europäischen Projektes zu rücken. Nachdem wir über hundert Personen getroffen haben, können wir sagen, dass die Union von morgen menschlich sein muss. Die europäischen Bürger*innen, das ist die primäre Kraft der Union, aber das ist zuweilen aus dem Blick verschwunden. Die EU hängt immer noch zu sehr an den Institutionen, die viele als zu wenig demokratisch und fern wahrnehmen. Es liegt auch an den nationalen Politiken, auch wenn sich der politische Diskurs langsam ändert. Es gibt da ein Zitat Jean Monnets, das uns gut gefällt und das für uns zusammenfasst, was die Union sein soll: „Wir vereinigen nicht Staaten, wir bringen Menschen zusammen.“
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