Wenn US-Präsident Barack Obama am kommenden Sonntag an der Eröffnungsveranstaltung der Hannover Messe teilnimmt und am Montagvormittag mit Bundeskanzlerin Angela Merkel dort einen Rundgang macht, dann dürfte es in den Gesprächen auch um TTIP gehen. Denn während die Verhandlungen über das transatlantische Freihandelsabkommen in die nächste Runde gehen, sind immer weniger Bürger – auf beiden Seiten des Atlantiks – gegen das geplante Abkommen.
Laut einer neuen Studie der Bertelsmann Stiftung in Gütersloh, die von YouGov Ende Februar durchgeführt wurde, wächst die Skepsis nicht nur in Deutschland, wo sich demnach mittlerweile jeder dritte Bundesbürger gegen TTIP stellt. Noch im Jahr 2014 war nur jeder vierte Deutsche gegen das Freihandelsabkommen. Damit ist die Unterstützung von damals noch 55 Prozent auf aktuell 17 Prozent gesunken – vor allem aus Furcht vor künftig aufgeweichten Standards beim Verbraucherschutz und Arbeitnehmerschutz.
Erst am Donnerstag waren Dokumente veröffentlicht worden, die die Einflussnahme der US-Gentechniklobby auf den EU-Regulierungsprozess für neue Gentechnikmethoden aufzeigen. Ein Beweis, so Harald Ebner, Sprecher der Grünen für Gentechnik- und Bioökonomiepolitik und seine Parteikollegin Katharina Dröge, dass die US-Gentechniklobby „wirksamen Druck “ auf die TTIP Verhandlungen ausübe. „Die Gentechlobby nutzt TTIP erfolgreich, um eine Regulierung neuer Gentechnikmethoden in der EU zu verhindern.“ Dies strafe erneut alle Beteuerungen Lügen, dass TTIP am Umwelt- und Verbraucherschutzniveau nichts ändern würde. „Aussagen von US-Vertretern wie Landwirtschaftsminister Tom Vilsack lassen kaum Zweifel daran, dass es ohne Marktöffnung der EU für Gentechnik keine US-Zustimmung geben wird“, so Ebner und Dröge.
Vorbehalte auch in den USA groß
Unter den US-Bürgern ist die Zustimmung für TTIP allerdings sogar noch mehr gesunken. Lediglich 15 Prozent der US-Amerikaner befürworten das Freihandelsabkommen inzwischen explizit, 2014 waren noch mehr als 50 Prozent dafür.
Lori Wallach, US-Amerikanische Handelsrechte-Expertin, hat dafür eine Erklärung: „Besonders schwer wiegt für die US-Bürger der Mangel an Informationen zu TTIP, meint die Direktorin von Global Trade Watch bei Public Citizen, der größten Verbraucherschutzorganisation der Welt, gegenüber EurActiv.de. 500 offizielle handelspolitische Berater würden auf der US-amerikanischen Seite an den Verhandlungen teilnehmen – die meisten aus der Großindustrie. „Das sichert nicht gerade ab, dass die öffentlichen Interessen vertreten werden“, sagt Wallach.
Dies bestätigt auf die Befragung von Yougov. Demnach fühlt sich fast die Hälfte der US-Bevölkerung (46 Prozent) nicht ausreichend informiert.
Wallach sieht aber noch ein weiteres Argument vieler Amerikaner: „Die Menschen fürchten, dass die momentan starken Regulierungsmaßnahmen im Finanzsektor und Medizinsektor aufweichen.“ Die Globalisierungskritikerin warnt zudem vor dem Sinken sowohl des Durchschnittseinkommens und des Bruttoinlandsprodukts sowie höhere Preise für Medikamente. Und auch der Datenschutz würde zunehmend gefährdet, sagt sie.
Dass dennoch nicht ansatzweise so viel Kritik und Gegenrede von seiten der amerikanischen Bürger zu hören ist, wie sie in Deutschland immer wieder erlebt wird, begründet Wallach ganz pragmatisch: „Die Amerikaner sind grundsätzlich weniger an TTIP interessiert, weil es noch nicht da ist“, sagt sie. Auch die große Mehrheit der Präsidentschaftskandidaten würde TTIP aus diesem Grund auch kaum thematisieren. „Die Menschen gehen ohnehin nicht davon aus, dass die Europäer sich darauf einlassen werden.“
Das, sagt Wallach, sei auch Barack Obama klar. „Er weiß, dass TTIP gerade feststeckt und bemüht sich, die Verhandlungen optimistisch voranzutreiben.“ Dass TTIP überhaupt abgeschlossen wird, meint Wallach, sei dennoch immer unwahrscheinlicher.
Dieser Artikel erschien zuerst bei unserem Medienpartner EurActiv.de.
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