Bei der Regionalwahl in der Slowakei Anfang dieses Monats ging es vor allem um Wahl der Präsidenten, welche die verschiedenen „Krays“ repräsentieren. Diese sind den deutschen Bundesländern ähnlich. Die Zahl der sozialdemokratischen Präsidenten wurde dabei durch die unzufriedene Wählerschaft von sechs auf zwei reduziert. Auch in Sizilien verloren die Sozialdemokraten am 5. November per Bürgervotum den Posten des Regierungschefs. In Slowenien zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Hier konnte sich in der zweiten Runde am 12. November zwar der sozialdemokratische Präsident Borut Pahor gegen seinen Mitbewerber Marjan Šarec durchsetzen, allerdings mit einem denkbar knappen Ergebnis von 52,9 zu 47,1 Prozent.
Slovenia: 99.89% counted
Centre-left Borut Pahor (SD-S&D) re-elected President
Pahor (SD-S&D): 52.94%
Šarec (LMŠ-*): 47.06%#Volitve2017— Europe Elects (@EuropeElects) November 12, 2017
Scheinen die genannten Wahlniederlagen zunächst nur regionaler Natur zu sein, so stehen sie doch repräsentativ für verheerende Verluste der Mitte-Links-Parteien, wie sie seit Jahren auf dem gesamten Kontinent zu beobachten sind. Aktuell würden nur noch 21,5 Prozent (-1,5 Prozentpunkte im Vergleich zum Oktober 2017) der Europäer eine sozialdemokratische Partei wählen. Als sozialdemokratisch wird dabei eine Partei betrachtet, die in der S&D-Fraktion organisiert ist.
EPP-Fraktion würde Kommissionspräsidenten stellen
Gleichauf mit den Sozialdemokraten liegen mit 21,5 Prozent (+0,5 Prozentpunkte im Vergleich zum Oktober 2017) die liberal-konservativen Parteien, die in Europa in der EPP-Fraktion organisiert sind. Prominente Vertreter sind unter anderem Sebastian Kurz, Angela Merkel oder Viktor Orbán. Letzterer stellte im vergangenen Monat mit 61% ein Allzeit-Umfragerekordhoch mit seiner ungarischen Regierungspartei Fidesz-Partei auf.
Hungary: PM Orban's Fidesz (EPP) hits 61% record high (Median poll). #Orban #Hungary #Fidesz
— Europe Elects (@EuropeElects) November 1, 2017
Da die EPP-Parteien aktuell die meisten Sitze im Europäischen Parlament stellen würden, käme der Kommissionspräsident aus den Reihen der Liberal-Konservativen. Der regierende Kommissionspräsident Juncker, der ebenfalls aus einer EPP-Partei kommt, hat bereits angekündigt, 2019 nicht mehr zur Wahl zu stehen.
Weiterhin stark sind die liberalen Parteien der ALDE-Fraktion, die derzeit europaweit auf 13 Prozent (+0,5 Prozent im Vergleich zum Oktober 2017) Wähleranteil kommen. Die Gruppierung um Guy Verhofstadt ist aktuell besonders in Spanien (Ciudadanos: 23%) im Aufwind. Hier konnte sich die Gruppierung erfolgreich durch eine pro-europäische Haltung im Konflikt um Katalonien positionieren. Die Partei sieht die Region Katalonien als Teil Spaniens in einem föderalen Europa. Das kommt bei vielen Spaniern gut an. Auch in Deutschland (FDP: 12%) und in Frankreich (EM: 28%) sind die Liberalen nach Wahlerfolgen im Sommer und Herbst dieses Jahres vergleichsweise stark.
Spain: Liberal pro-european Cs (ALDE) hits record high in Sigma Dos poll: 21%.#catalonia #Bundestag
— Europe Elects (@EuropeElects) October 24, 2017
Nach wie vor liegen die euroskeptischen Konservativen (ECR-Fraktion) bei 9,5 Prozent. Ihr gehören die britischen Torys und die polnische Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ an. Die Linksfraktion GUE/NGL um Alexis Tsipras und Jean-Luc Melénchon würde weiterhin 8 Prozent der Wählerstimmen in Europa erhalten.
AfD als Teil der Brexit-Fraktion
Bei den rechten Gruppierungen im Europaparlament kommt es zu strukturellen Verschiebungen. Marine Le Pens ENF-Fraktion verliert im vorliegenden Modell die Unterstützung der AfD. Dazu haben zwei Entwicklungen der letzten Wochen beigetragen. Bislang wurde die AfD zur ENF gezählt, weil die Parteispitze um Frauke Petry die Nähe zu Marine Le Pen, zur FPÖ und zur Lega Nord suchte. Petry gab dann nach der Bundestagswahl den Parteivorsitz ab. Zudem war der EU-Parlamentsabgeordnete Marcus Pretzell (AfD) offiziell Teil der ENF-Fraktion. Pretzell schied dann im September ebenfalls aus der Partei aus. Damit besteht keine offizielle Verbindung mehr zwischen AfD und ENF. Die zuletzt verbliebene AfD-Abgeordnete im Europäischen Parlament war bis zu ihrem Wechsel in den Bundestag Beatrix von Storch. Sie gehörte der populistischen EFDD-Fraktion an. Bis ihr Nachfolger Jörg Meuthen (AfD) eine Entscheidung für eine der beiden Fraktionen trifft, wird die AfD künftig als Teil der EFDD und nicht mehr als Teil der ENF gezählt.
Infolge sackt Le Pens ENF-Fraktion von sieben auf nur noch sechs Prozente Wählerschaft europaweit ab. Die innerlich zunehmend zerstrittene EFDD-Fraktion, ist nun durch die Unterstützung der AfD und ein Anwachsen der niederländischen EFDD-Verbündeten FvD zurück auf ihrem Allzeithoch von sieben Prozent (+2,5 Prozent).
Netherlands: Right-wing FvD (potentially EFDD) at 7%, record high (peil.nl poll). #Netherlands
— Europe Elects (@EuropeElects) October 29, 2017
Mit einem Nettogewinn in diesem Monat von 1,5 Punkten profitieren die euroskeptischen, rechten Kräfte aber vom Zerfall der Sozial- und Christdemokraten in Europa.
Nach der herben Wahlniederlage in Österreich fallen die Grünen auf ihr Allzeittief von vier Prozent. In vielen Regionen Europas, vor allem im Süden und Osten des Kontinents, sind die Grünen zunehmend bedeutungslos.
Austria: Green GRÜNE (G/EFA) with worst result since 1995: 4.9% (SORA exit poll). #nrw17 #wahl17 #orfwahl17 pic.twitter.com/qnV1F1Cy79
— Europe Elects (@EuropeElects) October 15, 2017
Die NI-Fraktion käme auf drei Prozent, andere Parteien lägen bei sechs Prozent Wähleranteil.
Bis zum Jahresende wählen noch die Bürger*innen in Katalonien (21. Dezember), Korsika (3. Dezember) und Dänemark (21. November) neue Regionalparlamente. Ein Referendum über die gleichgeschlechtliche Ehe soll darüber hinaus noch in Rumänien abgehalten werden. Ein Datum steht noch nicht fest. Das Wahljahr 2018 startet dann mit den Präsidentschaftswahlen in Tschechien (12. und 13. Januar), Finnland (28. Januar) und Zypern (28. Februar).
Mehr zum Thema: FRAKTIONEN IM EUROPAPARLAMENT: DAS HERZSTÜCK DER EUROPÄISCHEN DEMOKRATIE: Teil 1: EVP und S&D
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