Sozialdemokraten enttäuschen
Die sozialdemokratischen Parteien in der Europäischen Union erreichen in diesem Monat nur noch 23 Prozent (-1 im Vergleich zum europeanmeter extra vom 22. Mai) der Stimmen. Noch nie seit der Einführung der Europawahlen standen die Parteien der heutigen S&D-Fraktion so schlecht da. Nimmt man die sechs Gründerländer der Europäischen Union als Vergleichswert, dann waren die Sozialdemokraten zuletzt 1956 schwächer als heute. Damals erreichten die sozialdemokratischen Parteien in Deutschland, Italien, Frankreich und den Beneluxstaaten rund 22 Prozent. Besonders düster sieht es für die Mitte-links-Parteien in Griechenland, Irland, den Niederlanden und Polen aus. Hier erreicht die Partei Werte von unter zehn Prozent. Nur in Malta und Rumänien erreicht die Sozialdemokratie noch Zustimmungswerte von über 35 Prozent.
Grüne überzeugen als Flüchtlingsfürsprecher
In diesem Monat profitieren die Grünen von den Verlusten der Sozialdemokraten. In einigen Ländern präsentiert sich die Partei als größter Kontrast zu den Positionen der erstarkten Rechtspopulisten in der Flüchtlingsfrage. In Deutschland, den Niederlanden oder auch in Finnland scheint dies Wähler zu überzeugen. Dennoch ist die Parteiengruppierung mit europaweit 5 Prozent weiterhin schwach. In großen Staaten wie Italien, Polen oder Rumänien binden die Grünen praktisch keine Wähler.
Die Rechtspopulisten liegen europaweit weiter auf Rekordniveau. Sie binden vor allem schlecht gebildete und einkommensschwache Wählergruppen, die vor zwanzig Jahren durch die Sozialdemokratie repräsentiert wurden. Seitdem sind sozialdemokratische Parteien im Zuge von New Labour, der Agenda 2010 und der Austeritätsmaßnahmen jedoch stärker von links nach rechts gewandert. Le Pens radikalere Rechtspopulisten (ENF-Fraktion) liegt bei 8 Prozent, Nigel Farages wirtschaftsliberale Rechtspopulisten (EFDD-Fraktion) schaffen es in diesem Monat auf 6 Prozent.
Die Liberalen in Europa (ALDE-Fraktion) liegen weiterhin bei 11 Prozent. Die euroskeptischen Konservativen der ECR-Fraktion um David Cameron erreichen 10 Prozent. Auch die Linksparteien (GUE/NGL-Fraktion) um Alexis Tsipras können ihr Ergebnis von 8 Prozent von Mitte Mai halten.
Andere Parteien, die nicht in den Fraktionen organisiert sind, erreichen 4 Prozent europaweit.
Die Christdemokraten um Präsident Juncker erhalten aktuell weiterhin 25 Prozent.
Gewinner und Verlierer bei EU-Austritt Großbritanniens
Sollte Großbritannien die Europäische Union beim Referendum verlassen, ginge dies vor allem zulasten der Parteiengruppierungen, die im Vereinigten Königreich überdurchschnittlich stark sind: Die euroskeptischen Konservativen würden von 10 auf nur noch 7 Prozent zurückschrumpfen. Die grünen und separatistischen Parteien, in Großbritannien vor allem durch die schottische SNP vertreten, würden statt fünf nur auf vier Prozent kommen. An Einfluss gewinnen würden Christdemokraten (von 25 auf 27), Liberale (von 11 auf 12) und Linke (von 8 auf 9). Der Wähleranteil der anderen Strömungen bliebe unverändert.
Spitzenkandidaten-Vorwahlen: Juncker unbeliebt
Im Zuge der Diskussion um die Abschaffung der Spitzenkandidaten stellte der Twitteraccount EuropeElects die Frage, welchen Spitzenkandidat die Wähler gerne als Präsidentschaftskandidaten für ihre jeweilige Parteiengruppierung sehen würden. Binnen weniger Stunden beteiligten sich zum Teil mehr als 1.000 Voter an der nicht-repräsentativen Umfrage.
Christdemokraten – EPP: Unter den vier vorgeschlagenen Kandidaten genießt Angela Merkel mit 39 Prozent den höchsten Zustimmungswert und würde demnach Spitzenkandidatin der EPP-Parteien. Sollte sie verzichten, würden die Wähler mit 33 Prozent Donald Tusk in dieser Rolle begrüßen. Joseph Daul (15%) und Amtsinhaber Juncker (13%) schneiden schwach ab.
Sozialdemokraten – S&D: Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und Martin Schulz (jeweils 35%) sind die klaren Favoriten bei den Sozialdemokraten. Frans Timmermans (18%) und der Fraktionsvorsitzende Gianni Pittella (12%) schneiden schwach ab.
Liberale – ALDE:: Mit 54 Prozent ist Guy Verhofstadt klarer Favorit unter den liberalen Politikern in Europa für die Rolle des Spitzenkandidaten. Es folgen weit dahinter der Franzose François Bayrou (19%), der Spanier Albert Rivera Díaz (18%) und der Este Andrus Ansip (9%). Verhofstadt war schon 2014 Spitzenkandidat der europäischen Liberalen.
Konservative – ECR: Weite Teile der polnischen Konservativen brennen weiter für Jarosław Kaczyński. Das bringt ihn in die Pole Position für die Spitzenkandidatur für die euroskeptischen Konservativen: 69% Prozent würden ihn in dieser Rolle begrüßen. David Cameron und Boris Johnson liegen mit jeweils 11 Prozent abgeschlagen dahinter. Noch weniger erhält Sayed Kamall mit 9%. 2014 hatte die ECR auf einen Spitzenkandidaten verzichtet.
Linke – GUE/NGL: Alexis Tsipras war bereits 2014 Spitzenkandidat der Europäischen Linken. Ginge es nach der Online-Umfrage von EuropeElects, würde der Grieche heute wieder in diese Position gelangen. 45 Prozent stimmten für den Regierungschef. 33 Prozent würden gerne Pablo Iglesias von Podemos in dieser Rolle sehen. Pierre Laurent (12%) und die Fraktionsvorsitzende Gabriele Zimmer (10%) aus Deutschland sind den Wählern weitgehend unbekannt.
Rechtspopulisten – ENF: Bei den radikalen Rechtspopulisten macht Marine Le Pen (61%) das Rennen vor Geert Wilders (18%), Matteo Salvini (11%) und Frauke Petry (10%).
Gemäßigte Rechtspopulisten – EFDD: Nigel Farage (56%) ist unter den EFDD-Anhängern beliebter als Beppe Grillo (27%). Jimmie Åkesson (12%) von den Schwedendemokraten und der Fraktionsvorsitzende David Borrelli (5%) wären bei einer europaweiten EFDD-Präsidentschaftsvorwahl wohl chancenlos.
Grüne – G/EFA: Die Grünen stellten 2014 mit José Bové einen Mann und mit Ska Keller eine Frau als Listenführer europaweit auf. Bei einer grünen Primary erhielte Ska Keller heute 43 Prozent der Stimmen und damit 22 Prozentpunkte mehr als die Fraktionsvorsitzende Rebecca Harms. Auch José Bové könnte wohl in die alte Rolle zurück: Er schlägt Philippe Lamberts mit 20 zu 16 Prozentpunkten.
Bei einer Direktwahl zwischen Schulz und Juncker würden sich aktuell nur rund 45 Prozent für den Amtsinhaber und 55 Prozent für Parlamentspräsident Schulz aussprechen.
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