Jin, Jyan, Azadi. Die Frauenrevolution in Kurdistan
Die Aufdeckung, Verstärkung und Wiederherstellung des Beitrags der weiblichen Subjektivität zum Prozess der europäischen Integration ist nicht nur eine Übung darin, Wege der Repräsentation im politischen Raum aufzudecken, die strukturell verraten oder behindert wurden. Sie ist auch eine Analyse der Widersprüche, die die Subjektivität von Frauen und anderen an den Rand gedrängten Identitäten in unserer heutigen Gesellschaft noch immer offenbart. Die verschiedenen Formen der Ungerechtigkeit anzugehen bedeutet, ein festgefahrenes System der Unterdrückung und des Leidens infrage zu stellen, das die Menschheit und ihre Geschichte durchzieht, um so die längst vergessenen Kämpfe, Stimmen und Gesichter wiederherzustellen, miteinander zu verbinden und ins Licht zu rücken.
Dazu stützen wir uns auf Foucaults Prinzip der Genealogie, das die Unterbrechungen der Vergangenheit rekonstruiert, ohne sie linear und konsequent zu ordnen. Eine Linse, um die Koexistenz der Welt gemeinsamer Denk- und Handlungshorizonte und deren Verflechtungen zum Vorteil einer nicht unbedingt chronologischen theoretischen Lesart zu rekonstruieren. Das weitere Ziel ist es, Theorien miteinander zu verbinden, die in ihrer Entwicklung nicht miteinander interagiert haben, aber wichtige Ergebnisse liefern können, wenn sie miteinander in Beziehung gesetzt werden. In diesem Fall kommen uns das föderalistische Denken und der Feminismus zu Hilfe, insbesondere in seiner jüngsten „intersektionalen” Ausprägung.
Intersektionalität ist die Sensibilität für unterschiedliche Situationen von Ungleichheit, Diskriminierung und Gewalt bei der Untersuchung sozialer Phänomene und deren Wechselwirkung zwischen Kategorien. Intersektionalität identifiziert und hebt die schmerzhaften Hinterlassenschaften des feministischen und antirassistischen Kampfes hervor und offenbart die Existenz interagierender Achsen der Unterdrückung. Die Theorie zeigt auf, wie verschiedene biologische, soziale und kulturelle Kategorien auf mehreren Ebenen gleichzeitig interagieren. Die klassischen Konzepte von Unterdrückung in der Gesellschaft – wie Rassismus, Sexismus, Homophobie, Transphobie, Fremdenfeindlichkeit und alle Vorurteile, die auf Intoleranz beruhen – wirken nicht unabhängig voneinander, sondern schaffen ein System der Unterdrückung, das miteinander verbundene Formen der Diskriminierung widerspiegelt.
Wenn Nationalismus ein gewaltsamer Vorgang ist, der Gräben zwischen Unterschieden aufreißt, sind Intersektionalität und Föderalismus im Gegenteil Wege, um Vielfalt zu stärken, anzuerkennen und sie bewusst zu Wegen der Bekämpfung von Unterschieden und einer gemeinsamen Zukunft umzugestalten.
Nationalismus und intersektionale Analyse
Die kulturelle Konstruktion der Nation und die Art und Weise, wie Gruppen von Intellektuellen und Politiker:innen, die sogenannten „Sozialingenieure“, „imaginierte Gemeinschaften“ konstruiert haben – also unterschiedliche nationale Identitäten, die auf der Trennung zwischen „wir und sie“ beruhen, auch verstanden als Europa und die anderen, der Westen und der Osten, die Heimat und die Peripherie des Imperiums – ist bekannt. Gleichzeitig war die Entstehung der Nation tief geprägt von der organisierten Konstruktion eines Gesellschaftsmodells durch die neuen herrschenden Gruppen, das in differenzierte und funktionale Rollen von Klasse, „ethnischer” Zugehörigkeit und Geschlecht gegliedert war und durch „Verformungen der Subjektivität” die „natürlichen Interdependenzen” verschleierte und die Herrschaft über Minderheiten und als untergeordnet angesehene soziale Schichten legitimierte.
Genau wie die Familie ist die Staatsbürgerschaft eine der Institutionen, durch die die Gesellschaft ihre Beziehungen der Gleichheit und Teilhabe, aber auch der Herrschaft, Unterdrückung und Ausbeutung reproduziert. Wenn das Geschlecht eine unverzichtbare Linse für die Analyse der Staatsbürgerschaft ist, dann sind es auch die Kategorien „ethnisch-kultureller Hintergrund” und „Klasse”, die eine notwendige intersektionale Analyse ergänzen.
Die Vorstellung von Mann und Frau hat nichts Natürliches an sich, da die kulturellen Grundlagen dieser Konzepte bewertet werden müssen. In den letzten Jahrzehnten wurde die kulturell bedingte sexuelle Repräsentation der Gesellschaft offenbart. Das heißt die Verwirklichung unterschiedlicher Rollen, die die Beziehungen zwischen den Geschlechtern festlegen, getrennte Räume für Männer (öffentlicher Raum) und Frauen (privater Raum, „Hausarbeit”, Fortpflanzung und kulturelle Weitergabe) schaffen und ihnen genaue Wege und Schicksale vorgeben. Ohne die Unterdrückung der Frauen wäre die gesamte Gesellschaft, die auf dem Mythos des Machos und der „patres” gegründet worden ist, undenkbar.
In der „natürlichen” Vorstellung einer Nation wurden gemeinsame Werte, Traditionen und Erinnerungen neu erfunden und überdacht, wodurch neue Ungleichheiten entstanden: zwischen den Geschlechtern, den Klassen und den „Rassen”. Studien über kollektive Identitäten haben inzwischen die relationale Dimension jeder Identität deutlich aufgezeigt, die immer im Gegensatz zu etwas anderem als sich selbst konstruiert wird: Dies gilt für westliche Klassifizierungen nach Geschlecht und Hautfarbe, aber auch für die Nationalität. Die Fortschrittserzählungen des 18. Jahrhunderts hatten das „universelle Modell“ angeboten: Die Würde der westlichen Frau, geschützt und respektiert vom guten Ehemann und Vater der Familie, zeigte den Fortschritt der europäischen Zivilisation gegenüber der Barbarei, dem Primitivismus oder der Unzivilisiertheit nicht-europäischer Völker und Gesellschaften, wie sie sich in der Sklaverei und der moralischen Entwürdigung des weiblichen Geschlechts zeigten. Das Selbstverwaltungsprojekt des revolutionären Frankreichs erforderte die Übertragung der Souveränität vom Monarchen auf das „Volk als Nation”, ein kollektives Subjekt mit eigener Identität. Frauen wurden zwar als Bürgerinnen anerkannt, hatten jedoch keine wirkliche Macht, da ihre Rolle mit der kulturellen und generationsübergreifenden Weitergabe verbunden war. Als mütterliche Figuren, die sich der Fürsorge widmeten und dem Schutz der Männer anvertraut waren. Die Konstruktion der Frau als Figur der Abhängigkeit prägte somit die konkrete Umsetzung der nationalen Planung. Sie legitimierte eine Geschlechterordnung der Nation, die die Garantie des sozialen Zusammenhalts und die national-patriotische Verpflichtung den Frauen auferlegte und die individuelle Autonomie als männliches Eigentum darstellen. Die Definition des „souveränen Volkes“ basierte auf zwei Formen der Ausgrenzung: einer kulturellen und einer geschlechtlichen. Nur diejenigen, die einer vermeintlichen kulturellen und geschlechtlichen Homogenität angehörten, galten als Teil des Volkes mit dem Recht auf Teilnahme an der politischen Debatte, einer ausschließlich männlichen Auseinandersetzung über das Gewicht, welches sozioökonomischen Unterschieden bei der Gewährung des Wahlrechts beizumessen war.
Durch die Untersuchung der Auswirkungen des National-Imperialismus auf das Leben westlicher Frauen zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert haben sich Studien sowohl auf die Ideologie der Mutterschaft, die von London bis Paris, von Berlin bis Rom um die Jahrhundertwende hegemonial wurde, als auch auf die Figur der „neuen Frau” konzentriert, die für die Selbstdarstellung feministischer Bewegungen von zentraler Bedeutung war. Die beiden Forschungsfelder sind miteinander verknüpft. Gefangen im imperialistischen Positivismus sahen westliche Frauen ihre geschlechtliche Unterordnung in der Vorrangstellung der Mutterschaft als biologische Bestimmung im Dienste der Macht der Nation, des Imperiums, der „Rasse” bestätigt. Diese Unterordnung garantierte jedoch auch Privilegien und Formen der sozialen Inklusion, indem sie Frauen mobilisierte, die weiße Vorherrschaft im kolonialen Raum zu schützen, und weibliche Eliten für staatliche Maßnahmen zur Förderung der Geburtenrate und der rassischen Verstärkung rekrutierte, insbesondere zur Unterstützung der Mutterschaft und Kindheit in den Arbeiterklassen.
Zwischen der Mutter des Vaterlandes und der Mutter der Rasse entstand die neue Frau, Tochter der Ausweitung der nationalen und imperialen Funktionen, die den Frauen zugewiesen wurden, und zugleich Vorbote unerwarteter Entwicklungen, da eine bessere Bildung und der Zugang zu bestimmten Berufen im Gegensatz zur anhaltenden sozialen und politischen Minderheit der Frauen standen. Angesichts der Herausforderungen durch feministische Bewegungen konnte das Bild der neuen Frau daher die Forderung nach Rechten unterstützen, indem es sich auf die Vervielfältigung weiblicher Vorbilder konzentrierte und auf Freiheiten bestand oder, viel häufiger, in die Aufwertung spezifischer weiblicher Fähigkeiten für nationale Zwecke investierte. Der Kampf um die Aufhebung der Grenzen der internen Ausgrenzung innerhalb der Nation schützte die Feministinnen daher nicht vor nationalistischen Tendenzen und der Einberufung in nationale und koloniale Kriege.
Nationalismus und Patriarchat
Im Nationalismus sind „Ethnizität” und „Geschlecht” stark miteinander verflochtene Kategorien: Der Nationalismus verwechselt ständig das Biologische mit dem Sozialen, auch wenn in seinem Diskurs alles als „natürlich” und „biologisch” erscheint. In Ländern, die vom Nationalismus erschüttert sind, neigt die Darstellung von Männern und Frauen dazu, vereinfacht und auf den Essentialismus des Subjekts reduziert zu werden. Stereotypen entstehen leicht und werden genährt. Die nationalistische Erzählung konstruiert nicht nur die „Illusion der Gemeinschaft”, „unser Volk”, ein „Wir”, das sich von „denen” unterscheidet, ein „reines” Volk, die Verteidigung des Blutes der Nation, sondern schürt auch die Polarisierung zwischen Männern und Frauen, indem sie die Eigenschaften des patriotischen Vaters oder der patriotischen Mutter verherrlicht. Eine grundlegende Rolle spielen dabei die verschiedenen Formen der populären Unterhaltung, in denen durch fiktive Handlungen und Figuren standardisierte Verhaltensmodelle und eine Fülle gemeinsamer Referenzen und Werte einer Interpretationsgemeinschaft vorgeschlagen werden, die sich zunehmend als Nation versteht. Frauen erfüllen verschiedene Aufgaben für den Erhalt der Nation: als biologische Produzentinnen von Mitgliedern ethnischer Gemeinschaften; als Reproduzentinnen der Grenzen ethnisch-nationaler Gruppen; als Grundlage der ideologischen Reproduktion der Gemeinschaft und der Weitergabe ihrer Werte; als Ausdruck ethnischer/nationaler Unterschiede. Als Symbole innerhalb ideologischer Diskurse, die zur Konstruktion, Reproduktion und Transformation ethnisch-nationaler Kategorien verwendet werden; und schließlich als Nebenprotagonistinnen nationaler Kämpfe. Aus diesem Grund werden Grenzen oft aus einer Genderperspektive visualisiert, Räume als weiblich gelesen und die (männlichen) Mitglieder fremder Armeen als “Eindringlinge” in die Körper eigener Frauen interpretiert (und daher auch getötet).
Wenn die eigenen Frauen die Reproduzentinnen der Nation sind, sind die Frauen anderer Nationen Feinde, da sie die Reproduzentinnen potenzieller Feinde der Nation sind und somit zum spezifischen Objekt von Gewalt werden. Das „Mutterland” wird somit als passives, empfängliches und verletzliches Konzept interpretiert, während die Stärke und Entschlossenheit hinter den Handlungen der Regierungen und deren Armeen eindeutig männlich sind. In ähnlicher Weise bietet die Nation den Rahmen für die Konstruktion einer vollständig männlichen Welt, in der Männer ihr Zugehörigkeitsgefühl auf dem Schlachtfeld – im Krieg – oder beispielsweise beim Anfeuern im Sport – in Zeiten des Friedens – entwickeln können. Männer werden als Krieger und Helden dargestellt, die gezwungen sind, sich patriarchalischen und nationalistischen Idealen anzupassen. Diejenigen, die sich nicht mit diesen Rollen identifizieren, werden als Verräter der Nation bezeichnet.
Die historischen Wurzeln des Nationalismus liegen daher auch in der patriarchalischen Symbolordnung, oder besser gesagt in der historischen Konstruktion dessen, wie Männer und Frauen zu sein haben, welche sich auf Geschlechterbinarität, Hierarchisierung und die Affirmation einer aggressiven Männlichkeit konzentriert, die die Verwandlung des Anderen in einen Feind sozial legitimiert und zur Notwendigkeit einer Wahrnehmung der materiellen und mentalen Ordnung einer „gerechten Gewalt” führt. Geschlechtsspezifische Gewalt wird dann als Bindemittel verwendet, um eine soziale Ordnung in einer Verbindung zwischen Sexismus und Fremdenfeindlichkeit aufzubauen.
Tatsächlich gibt es in einer bestimmten zeitgenössischen Erzählung eine klare Tendenz, geschlechtsspezifische Verbrechen, solange sie von „Anderen” begangen werden, auszunutzen, um nationalistisch-fremdenfeindliche Sicherheitspolitik zu rechtfertigen. Gleichzeitig werden Frauen als Opfer dargestellt, die sich nicht selbst verteidigen können, als Körper, deren Schutz in der Verantwortung der Männer und des Staates liegt. Tatsächlich finden die meisten Fälle von Gewalt in persönlichen Beziehungen statt, und männliche Aggression ist weltweit die häufigste Ursache von Tod und dauerhafte Behinderung von Frauen. Die Beziehung zwischen Geschlechterrollen, Nationen und Nationalismen ist seit Jahren ein Thema, das von den meisten, die sich mit der Dekonstruktion nationaler Ideologien befassen, ignoriert wird. Zwei parallele Prozesse müssen eingehend untersucht werden: „die Nation als Geschlechterkonstruktion und das Geschlecht als Konstruktion nationaler Narrative“.
Die feministisch-nationalistische Bedrohung
Die beispiellose Situation, in der wir uns heute befinden, wurde von Sara Farris als „Femonalismus“ definiert, der sich darin äußert, dass nationalistische Kräfte feministische Themen in einer anti-immigrationistischen und fremdenfeindlichen Weise instrumentalisieren und damit das Andere (Nicht-Christliche, Nicht-Weiße) unter Ausnutzung des Labels der Geschlechtergleichstellung stigmatisieren. Die Verbreitung des Femonationalismus in Europa wurde durch Bedeutungen, Bilder und Symbole begünstigt, die das, was wir fälschlicherweise für westliche und europäische Kultur halten, durchdringen. In Wirklichkeit sind diese aber stark in systemischem Rassismus und Fremdenfeindlichkeit verwurzelt, in dieser Idee einer „Festung Europa“, die aus der Summe der Diskriminierungen entstanden ist, die die einzelnen europäischen Nationalismen ausmachen. Die Idee hinter dem Femonationalismus ist, dass es in Europa keine Probleme mit der Gleichstellung der Geschlechter mehr gibt und, dass wir als Gesellschaft so weit entwickelt sind, dass wir die ganze Komplexität und den Widerstand patriarchalischer Strukturen außerhalb unserer Grenzen lassen können.
Folglich müssen Migrantinnen als Subjekt, die aus einer Kultur kommen, die definitionsgemäß (als anders und außerhalb Europas) rückständig ist, „gerettet” werden. Die nationalistische Instrumentalisierung der Gleichstellung der Geschlechter zeigt den Zusammenhang zwischen Sexismus und Rassismus, indem sie Sexismus als etwas definiert, das zur Kultur des Anderen gehört und zivilisiert werden muss, und indem sie unterschiedliche Prinzipien für Frauen und Männer anwendet, wodurch Rassismus gemäß einer typischen kolonialen Vorstellungswelt sexualisiert wird: Einerseits werden Integrationspolitiken unterstützt, die die Nation reproduzieren, andererseits wird der Glaube an die angebliche Überlegenheit der westlichen Kultur in Bezug auf die Emanzipation gefördert. Mit anderen Worten: Rassifizierte Frauen werden als zentrale Subjekte betrachtet, um die Integration ihrer Kinder zu fördern und die soziale Reproduktion zu gewährleisten. Weit davon entfernt, eine Reaktion auf Ausbeutung zu sein, verbannt der Femonationalismus die Unterdrückung von Frauen in die Welt außerhalb unserer ideologischen Grenzen, externalisiert die Verurteilung anderer Kulturen und spricht damit unsere Gesellschaft a priori frei, da sie nicht analysiert wird, weil sie als „von Natur aus fortgeschrittener” gilt. Die Realität ist, dass wir uns noch immer nicht von Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit und Geschlechterdiskriminierung befreit haben.
Revolutionäre Subjekte: Frauen
Lange Zeit haben Sozialwissenschaften, Recht und Institutionen dazu beigetragen, die Unterdrückung marginalisierter Subjekte unsichtbar zu machen, indem sie die vermeintliche Neutralität sozialer Strukturen und Systeme als gegeben hinnehmen. Die Reflexion über Gender in den letzten Jahren hat eine Analyse der Wurzeln unserer Identität, der Beziehungen zwischen Männern und Frauen und innerhalb derselben Gruppe sowie der damit verbundenen Dynamiken und Machtverhältnisse mit sich gebracht. Diese Reflexion führt auch zu einer Überarbeitung des Selbstverständnisses und der Gleichgewichte, in die der soziale Akteur eingebunden und involviert ist. In diesem Sinne können feministische Theorie und Erfahrung ein umfassendes Paradigma darstellen, durch das andere soziopolitische Fragen in einem intersektionalen Sinne gelesen und neu interpretiert werden können. Hierbei sind Ungerechtigkeit, Diskriminierung und Nichtanerkennung als charakteristische Elemente konfiguriert.
„Geschlecht ist ein primäres Terrain für die Manifestation von Machtverhältnissen. Besser ausgedrückt: Gender ist ein grundlegendes Terrain, in dem oder durch das Macht ausgeübt wird.“ Frauen sind daher das zentrale Subjekt, da die Faktoren der Diskriminierung – wie ethnische Zugehörigkeit, Religion, Alter, persönliche und körperliche Voraussetzungen – zu historischen Diskriminierungen hinzukommen, die seit jeher die Rolle des weiblichen Geschlechts in unserer Gesellschaft geprägt haben.
Die Produktion und Reproduktion kultureller Modelle und vorherrschender Werte erfolgt über die Familie, die Schule, Institutionen, die Algorithmen, die der Funktionsweise künstlicher Intelligenz zugrunde liegen, und den Staat: Keiner dieser Akteure ist neutral. Auf diese Weise werden bestimmte Dynamiken in der Gesellschaft als „natürlich“ wahrgenommen. Dies ist es, was Antonio Gramsci als „Hegemonie“ definiert: eine Reihe von Überzeugungen und Praktiken, die als selbstverständlich angesehen werden, in Wirklichkeit aber das Ergebnis der Verfestigung stark hierarchischer Machtstrukturen sind. Hegemonie wird sowohl durch öffentliche Systeme, durch politische und bildungspolitische Institutionen, als auch durch private Systeme, also Parteien, Gewerkschaften, kulturelle oder religiöse Organisationen und die Familie, ausgeübt. Macht ist in diesem Fall, um Foucaults Terminologie zu verwenden, eine „disziplinierende“ Macht, da die betreffenden Institutionen sich nicht mit der Ausübung von Kontrolle begnügen, sondern Ideensysteme schaffen, die deren Aufrechterhaltung ermöglichen: Auf diese Weise entsteht eine hegemoniale und organische Beziehung zwischen der Zivilgesellschaft und der politischen Gesellschaft, zwischen den Massen und der Autorität.
Diese Überzeugungen, Praktiken, Verhaltensweisen und Werte werden dann im Recht verfestigt. Denn das Recht spiegelt die Gesellschaft wider, die es hervorbringt, und verändert gleichzeitig die Gesellschaft durch die Handlungen, die es hervorbringt. Es gestaltet die Räume der Staatsbürgerschaft und grenzt die Räume der Ausgrenzung im historischen Sinne ab. Das feministische Denken hat sich daher sowohl den universalistischen Anspruch der Staatsbürgerschaft als auch deren fiktive Geschlechtsneutralität zum polemischen Ziel gesetzt und dabei die geschlechtsspezifische Natur des Gesellschaftsvertrags hervorgehoben, der seine modernen Prämissen im Nationalstaat begründet, ausgehend von der Unterscheidung zwischen öffentlich und privat und deren Auswirkungen auf den Zugang von Frauen zu Rechten. Auf der anderen Seite waren Frauen historisch gesehen ein paradoxes Subjekt der Staatsbürgerschaft: Sie durften zwar Teil der Nation sein und sogar die Rolle ihres biologischen Körpers übernehmen, aber lange Zeit wurde ihnen die Anerkennung als politisches Subjekt verweigert und sie wurden somit vom Wahlrecht ausgeschlossen. Die Kritik dieser Ideologie durch das Center for Feminist Foreign Policy schlägt vor, das Machtungleichgewicht, das die Unterdrückung aufrechterhält, zu überdenken, indem marginalisierte Gemeinschaften und generell die Menschen, die von politischen Entscheidungen betroffen sind, in den Entscheidungsprozess einbezogen werden. Im Interesse der Schwächsten ist eine intersektionale Alternative zu staatlichen Eingriffen erforderlich.
Schlussfolgerungen
Wir müssen unsere Abscheu vor Ungerechtigkeit wiedererwecken und eine Revolution der Interpretation und Transformation der Welt bekräftigen. Es wird nicht ausreichen, Nationalismus oder Patriarchat rational zu dekonstruieren, denn viele sind heute von der Notwendigkeit überzeugt, zu einer fiktiven Tradition im Dienste der Sicherheitspropaganda zurückzukehren, die die Gesellschaft in zwei Teile unterscheidet: die Beschützer – den Nationalstaat auf der Makroebene und die Männer auf der Mikroebene – und die Beschützten, die Frauen. Die anderen existieren einfach nicht.
Den Antworten des nationalistischen Denkens muss ein politisches Denken von föderalistischer Komplexität entgegengesetzt werden. Die Gründe, warum Frauen, Minderheiten oder diskriminierte Gruppen keine volle Anerkennung garantiert wird, sind soziokultureller Natur, und deshalb sollten Recht und Institutionen als grundlegendes Element unserer Reflexion verstanden werden.
Sozial und kulturell strukturierte und im Laufe der Zeit festgefahrene Ungleichheitssituationen stellen nicht nur eine Verletzung der Grundsätze der Gleichbehandlung und Chancengleichheit dar, sondern verhindern auch die volle Entfaltung der Fähigkeiten jedes Einzelnen und damit das Recht jedes Einzelnen, sich zu entfalten. Daher geht eine Intervention, die darauf abzielt, jedem Menschen eine echte Entfaltung seiner Fähigkeiten und die Freiheit, diese Fähigkeiten zu nutzen oder auch nicht zu nutzen, zu garantieren, über eine Neugewichtung der Machtverhältnisse und eine Umverteilung materieller und immaterieller Ressourcen hinaus: Es handelt sich um eine Intervention, die das vorrangige Ziel der vollständigen Gleichheit der Chancen und Freiheiten berührt und somit die Möglichkeit jedes Einzelnen bestimmt, sein Leben in Würde zu leben und zu gestalten und sich als Person vollständig und uneingeschränkt zu entfalten.
Institutionen können nicht nur durch die Gesetze definiert werden, die sie charakterisieren, oder auf der Grundlage der Sedimentierung vergangener Entscheidungen, sondern zwangsläufig auch durch die öffentliche Debatte. Soziales Handeln ist also ebenso wie individuelles Handeln nicht das Ergebnis einer Rationalität, die auf der Achtung bereits bestehender Normen beruht, sondern ein Prozess, in dem die Akteure „Institutionen schaffen und aufrechterhalten”.
Deshalb müssen wir eine systemische Antwort definieren, die den Kämpfen für Gerechtigkeit, Freiheit und Zivilisation in einer globalisierten Welt einen institutionellen Rahmen gibt. Ein Paradigma, das dem Nationalismus entgegensteht, ihm entgegengesetzt und in der Lage ist, der Fortsetzung von Diskriminierung und Ungleichheit entgegenzuwirken. Es ist ein Kampf für Gerechtigkeit, der auf verschiedenen Ebenen geführt wird und auf der Umkehrung der Machtausübung beruht: nicht mehr die Macht eines Einzelnen für ein bestimmtes Interesse, sondern die Macht aller im Dienste des Gemeinwohls der gesamten Menschheit. Deshalb sind Minderheiten und Frauen potenzielle revolutionäre Subjekte.
Wenn Nationalismus die politische Kultur der Spaltung der Menschheit ist, lehrt er Fremdenhass, verherrlicht und rechtfertigt Gewalt; das föderalistische Denken wirkt als Verteidigung gegen jede Art von Unterdrückung in diametral entgegengesetzter Richtung. Mit Albertinis Kategorien könnten wir sagen, dass der Föderalismus einen Wertaspekt hat, nämlich den Frieden, der die Unmöglichkeit von Konflikten zwischen Staaten anerkennt und die Grundlage für die Verwirklichung der großen zivilisatorischen Werte unserer Zeit garantiert: Demokratie, Freiheit, Solidarität, Gleichheit und Nachhaltigkeit. Die Garantie des Friedens ist die conditio sine qua non, die die Durchsetzung anderer Werte ermöglicht, denn jedes große universelle Ideal stößt auf das Hindernis internationaler Konflikte zwischen Staaten. Die föderalistische Antwort beschränkt sich nicht darauf, sich die Abwesenheit von Krieg vorzustellen, sondern auch darauf, wie man ihn unmöglich machen kann. Ohne das Ende der Unterdrückung von Rechten kann es keinen Frieden geben. Das Recht auf Frieden ist wie ein Stamm, von dem zahlreiche Äste abzweigen, die verschiedenen Generationen von Rechten. Diese wurden im modernen Staat nach und nach anerkannt, können auf nationaler, europäischer und weltweiter Ebene jedoch nur ausgeweitet und als errungen betrachtet werden, wenn neue Formen der föderalen Staatsform durchgesetzt werden. Der föderale Staat stellt die „Beine” dar, durch die diese Werte konkretisiert werden und die durch die Aufteilung von Souveränität ein weiteres Gegengewicht zu den Mechanismen der klassischen liberalen Demokratie schaffen.
Es sind die Institutionen selbst, die die Selbstbestimmung des Einzelnen innerhalb des verfassungsrechtlichen Rahmens, der seit langem als „universell” definierten Grundsätze und der Freiheit ohne Unterdrückung schützen. Sie sind keine neutralen Instrumente, sondern entwickeln sich mit der Gesellschaft weiter und müssen ihre Errungenschaften vor dem Wiederaufleben alter Probleme verteidigen. Tatsächlich sind es gerade die Institutionen und Gesetze, die für die Gewährleistung des letzten grundlegenden Aspekts des Föderalismus, des historisch-sozialen Aspekts, entscheidend sind. Das Gesellschaftsmodell, in dem Werte ihre historische Verwirklichung in einem neuen „Gesellschaftsvertrag” finden, der nicht nur die Staaten, sondern alle diejenigen berücksichtigt, die sich für die Zugehörigkeit zu dieser Gemeinschaft entscheiden: eine offene, pluralistische, interkulturelle und interdependente Gesellschaft, die auf einer mehrstufigen Zugehörigkeit und auf Vielfalt als Reichtum gegründet ist.
Am Ende dieses Artikels werden viele denken, dass diese Idee eher einer Utopie gleicht als einer Initiative, die sofort umgesetzt werden kann. Aber die wahre Utopie wäre zu glauben, dass sich die Welt von selbst verändern kann oder dass die Lösung für die Probleme einer grenzenlosen Gegenwart in der Rückkehr zu Grenzen, Krieg und fremdenfeindlichen Hass liegt. Das Ziel muss sein, Menschen und nicht nur Institutionen zu vereinen, den Reichtum im Zusammenleben mit denen zu finden, die anders sind. Kurz gesagt geht es darum, uns dafür einzusetzen, Vorreiter einer Zukunft zu sein, die nicht passiv entdeckt, sondern durch unsere Arbeit verwirklicht werden muss.


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