Liebe Tschechen, willkommen in der EU!
Verdient habt ihr es. Denn schon historisch war Tschechien, oder das, was später dazu werden sollte, immer Teil Europas. Karl IV. wählte im 14. Jahrhundert Prag zu seiner Residenzstadt. Karl IV. war Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, ein europäisches Großreich, das noch heute gelegentlich als Gründungsmythos europäischer Einheit herhalten muss. Einige hundert Jahre und zahllose Grenzverschiebungen später wart ihr Teil der Donaumonarchie Österreich-Ungarn. Nach dem ersten Weltkrieg gründete sich dann die Erste Tschechoslowakische Republik. Bis 1939 hieltet ihr diesen, heute als ureuropäisch angesehenen Wert der Demokratie hoch, auch dann noch, als im europäischen Kernland Deutschland schon die unerträglichste Barbarei Einzug gehalten hatte.
Die Wahrnehmung Tschechiens als ein irgendwie fremdes „die da“ begann erst nach 1948, als in den Augen derer, die westlich des Eisernen Vorhangs lebten, ganz Osteuropa nur noch „der Ostblock“ war. Wenig Anerkennung wird euch heute für eure Auflehnung gegen den Stalinismus im „Prager Frühling“ 1968 entgegengebracht, die ihr teuer bezahlen musstet.
Nach dem Zerfall der Sowjetunion und einer Verfassungsänderung zum demokratischen Rechtsstaat dauerte es dann noch einmal etwa 12 Jahre, bis ihr als Mitglied der EU euren angestammten Platz im Herzen Europas einnehmen konntet.
Durch und durch europäisch - historisch und kulturell
Misstrauen wird euch auch heute noch entgegengebracht, vielen Menschen gerade in Deutschland gilt Osteuropa immer noch als unterentwickelt, kulturlos - der Schatten des Kalten Krieges. Ein Irrglaube, wenn man sich den Beitrag Tschechiens zur europäischen Kultur ansieht.
Smetana? Tscheche. Seine Komposition „Die Moldau“ ist Bestandteil des Musikunterrichts in Schulen in ganz Europa
Kafka? Tscheche. Verbrachte den Großteil seines Lebens in Prag. „Deutsch ist meine Muttersprache, aber das Tschechische geht mir zu Herzen“, schrieb er in einem Brief. Für euch Tschechen ist das beinahe ein Unglück - durch die deutsche Sprache ist es für uns Dichter und Denker im Nachbarland ein leichtes gewesen, Kafka irgendwie als „einen von uns“ darzustellen. Doch es sei einmal dahingestellt, ob es den „Prozess“ geben würde, wenn der junge Franz nicht die Melancholie Prags in sich aufgenommen hätte.
Kundera? Tscheche (wenn auch nicht unbedingt stolz darauf). Und das beste Beispiel, dass man auch aus großem Unglück noch große Kultur machen kann.
Abschließend bleibt also nur, all denen eine Absage zu erteilen, die an einer tschechischen EU-Mitgliedschaft zweifelten und zweifeln. Tschechien liegt im Herzen Europas, geographisch, historisch und kulturell.
Willkommen Tschechien, Vítejte Česko, es ist schön, dass ihr da seid. Auf die nächsten zehn Jahre!
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