Liebe Europäer*innen,
ich war am 15. März auf der Straße, als eine von über 300.000 Demonstrierenden in Deutschland. Weltweit waren wir mehr als 1,3 Millionen bei Fridays For Future. Unter diesem Motto demonstrieren seit Ende letzten Jahres immer mehr Schüler*innen freitags während der Schulzeit für einen besseren Klimaschutz. Vorbild für diesen Klimastreik ist die junge Schwedin Greta Thunberg. Sie protestiert seit Herbst letzten Jahres für einen nachhaltigere Klimapolitik. In Deutschland begannen die ersten Schüler*innen Ende letzten Jahres zu streiken. Seitdem wächst die Teilnehmerzahl, aber auch die Zahl der Ortsgruppen rasant.
Die Ortsgruppen organisieren zum größten Teil unabhängig voneinander die Klimastreiks, über 150 dieser Ortsgruppen gibt es mittlerweile in ganz Deutschland. Man findet sie in großen Städten wie Hamburg, Berlin, München und Köln, aber auch in vielen kleineren Orten haben sich engagierte Jugendliche gefunden, die die Klimastreiks organisieren. Mit den steigenden Teilnehmerzahlen hat sich natürlich auch die Aufmerksamkeit erhöht. Die Bewegung ist eines der Themen, über die in letzter Zeit am meisten diskutiert wurde - allerdings weniger über die Ziele und Anliegen der Streikenden sondern vielmehr über den Weg, den sie wählen: am Freitag statt in die Schule auf die Straße zu gehen.
„Sie haben erkannt, wie wichtig es ist, dass wir den Klimawandel bekämpfen“
Nicht wenige Spitzenpolitiker*innen kritisieren das, zum Beispiel Wirtschaftsminister Peter Altmaier, CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer oder der FDP-Vorsitzende Christian Lindner. Die Schulpflicht hat ihren Grund, die Kinder müssten etwas lernen und außerdem sind die Streiks doch nur ein Vorwand, um die Schule schwänzen zu können, hört man immer wieder. Und ja es mag sein, dass manche die Demonstrationen als Vorwand nehmen, um nicht zur Schule zu gehen. Aber schwarze Schafe gibt es überall.
Wer einmal freitags auf der Straße war, der weiß, wie ernst und wichtig es allen Teilnehmer*innen ist. Sie haben erkannt, wie wichtig es ist, dass wir den Klimawandel bekämpfen – und zwar jetzt und nicht erst in 10 Jahren, wenn es zu spät ist. Gleichzeitig sehen sie, wie viele Politiker*innen mit dem Thema Klimapolitik und Klimaschutz umgehen, nichts machen und - wenn überhaupt - nur darüber reden. Diese Tatenlosigkeit ist der Hauptgrund für die Bewegung und ihr schnelles Wachstum. Die Streikenden in Deutschland fordern von der Bundesregierung einen umfassenden Klimaschutz und einen schnellen Kohleausstieg, bis 2038 wollen sie damit nicht warten. Sie wollen eine Klimapolitik, die die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad begrenzt.
Auch wenn man vor allem junge Menschen freitags auf der Straße trifft, sind sie längst nicht mehr die einzige Altersgruppe, die für Klimaschutz kämpft. Mittlerweile gibt es parents for future, teachers for future, grandparents for future, artists for future und auch scientists for future. Die Wissenschaftler*innen von scientists for future unterstützen die Schüler*innen in ihrem Anliegen und begründen aus wissenschaftlicher Sicht, warum Klimaschutz ein zentraler Punkt der Politik sein muss. Innerhalb kürzester Zeit haben 23.000 Wissenschaftler*innen ihre Stellungnahme unterschrieben und so ein deutliches Zeichen an die Politik gesendet.
„Ich war das erste Mal dabei und überwältigt!“
Man könnte also sagen, es herrscht gerade Aufbruchsstimmung auf dem Weg zu einem echten Klimaschutz. Gepackt von dieser Stimmung habe ich mich am 15. März auf zum Klimastreik in Lüneburg, meinem Wohnort, gemacht. Ich war das erste Mal dabei und schon von der Zahl der Teilnehmer*innen in der doch eher kleinen Stadt überwältigt! Aber nicht nur die reine Zahl der Teilnehmer*innen hat uns alle überrascht, auch die Atmosphäre. Die Entschlossenheit, etwas anzupacken und in der Politik etwas verändern zu können, war zu spüren – ebenso wie Wut auf die derzeitige Klimapolitik. Diese Wut hat an diesem Tag circa 2.500 Leute in Lüneburg auf die Straße getrieben und sie das schlechte Wetter vergessen lassen.
Es waren Menschen allen Alters, viele von ihnen mit Pappschildern ausgerüstet. „We have no Plan(et) B“, „Wir haben nur die eine Erde“, „Rettet unseren Planeten“ liest man an diesem Tag häufig, aber auch „Stoppt den Kohleabbau!“, „Keine Kohle für die Kohle“ und „Wir schwänzen nicht, wir kämpfen“. Die zentralen Forderungen der Bewegung, richtiger Klimaschutz und der damit verbundene schnellstmögliche Kohleaussteig, werden auch an diesem Tag ständig wiederholt, nicht nur in Lüneburg, sondern in ganz Deutschland und überall auf der Welt, sogar in der Antarktis.
Individuelle Lösungen und strukturelle Probleme
Es wurde aber auch niemand müde zu betonen, dass jeder etwas zu einem besseren Klimaschutz beitragen kann, ja sogar muss. Wer im Alltag bewusst mit Ressourcen umgeht, hört jedoch oft, dass es eine einzige Person wenig erreichen könnte. Das stimmt nur bedingt – schließlich brauchen wir Vorbilder und sollten unseren Lebensstil an unseren eigenen Werten und nicht an den Handlungen anderer orientieren. Zugleich stoßen wir damit jedoch an Grenzen, denn es gibt eben auch viele Dinge, die man alleine nicht verändern kann. Dazu braucht es die Politik: Sie muss strukturelle Konflikte lösen – angefangen von dem Umgang großer deutscher Konzerne mit Kohlestrom bis zu der aktuell klimapolitisch nicht vertretbaren Subventionierung von Kerosin.
Fridays for Future ist eben dafür da, die Politik dazu bewegen, genau solche strukturellen Probleme zu lösen. So hilflos man sich im Alltag oft fühlt, wenn man sieht wie wenig in der Politik für den Klimaschutz gemacht wird, auf der Straße fühlt man sich mächtiger. Mächtig etwas bewirken zu können, Teil von etwas Großem zu sein.
Auch weiterhin werden Schüler*innen jeden Freitag für ihre Ziele auf die Straße gehen, am 24. Mai ist der nächste große Streiktermin, dann gibt es einen europaweiten Klimastreik, um während der Europawahl nochmal Aufmerksamkeit auf den Klimaschutz zu lenken. Viele der Teilnehmer*innen der Klimastreiks dürfen selber noch nicht wählen und versuchen so alle Wähler*innen auf die Wichtigkeit des Klimaschutzes aufmerksam zu machen und damit alle Politiker*innen dazu aufzufordern, ihr Amt zu nutzen um den Klimaschutz entscheidend voranzubringen, denn ein Land alleine kann die Erderwärmung nicht aufhalten: Es braucht eine Zusammenarbeit aller Länder.
Europäische Zusammenarbeit für die Klimaziele
Ein wichtiger Schritt auf dem Weg dahin ist eine europäische Zusammenarbeit. Die Pariser Klimaziele sind ein Anfang, aber sie reichen nicht aus. Und vor allem müssen sich auch alle an die vereinbarten Ziele halten. Papier ist geduldig, die Menschen sind es nicht mehr. Wir brauchen eine bessere Klimapolitik, um uns und den nächsten Generationen ein Leben auf unserem Planeten sichern zu können. Die Welt, in der wir leben, ist die Grundlage für alles andere und das Klima bestimmt, wie diese Welt aussieht. Das müssen endlich alle verstehen und anfangen zu handeln anstatt sich über schwänzende Schüler*innen aufzuregen.
Solange der Klimaschutz von der Regierung hier in Deutschland und den Regierungen weltweit weiterhin so stiefmütterlich behandelt wird, wird man freitags viele Schüler*innen und junge Menschen auf der Straße treffen. Mich auch!
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