Lasst uns gemeinsam von und für Europa träumen

Wunschzettel eines Europäers

, von  Stephan Raab

Wunschzettel eines Europäers
Geschmückter Weihnachtsbaum. Foto: Unsplash / Freja Saurbey / Unsplash License

Weihnachtszeit ist Wunschzettelzeit. treffpunkteuropa.de-Autor Stephan Raab wollte seine Wünsche für Europa aufschreiben. Sein Fazit: Dieses Weihnachten sieht sein Wunschzettel ganz anders aus als die Jahre zuvor.

Liebes Christkind,

wieder einmal ist ein Jahr vergangen. Wieder einmal ist es Zeit, Dir einen Brief zu schreiben. Aber vielleicht wirst Du Dich wundern, denn in diesem Jahr möchte ich Dir keinen Wunschzettel schreiben. Vielmehr möchte ich mich bedanken: In diesem Jahr haben sich die Europäer*innen das schönste Geschenk gemacht, das man überzeugten Europäer*innen machen kann. Sie haben sich neue Leidenschaft für viele weitere europäische Jahre geschenkt.

Ein neues Leuchten

Wenn ich durch die leuchtenden Buden der Weihnachtsmärkte wandle, bemerke ich auf einmal wieder ein besonderes Leuchten, das ich lange nicht mehr wahrgenommen habe. Erstmals seit langem sind viele Menschen wieder für Europa auf die Straße gegangen, haben ihre Stimme erhoben, ihre Stimme abgegeben und ihre eigene persönliche, europäische Geschichte erzählt. Sie haben erzählt, dass die Zukunft Europas nicht in der Frage, ob wir Europa wollen, sondern in der Frage, welches Europa wir wollen, liegt.

Weihnachten, das ist auch die Zeit der Weihnachtsfeiern: Egal, ob man religiös ist oder nicht, haben diese Feiern am Ende des Jahres immer etwas Besonderes. Arbeitskolleg*innen, Freund*innen, Bekannte, welche sich vielleicht über das Jahr fremd geworden sind, kommen zusammen, um einander besser kennenzulernen. Gemeinsam bei gutem Essen und Getränken blicken sie auf das Jahr zurück, haben eine fröhliche Zeit zusammen.

Eine besondere Besinnung

Der Advent gilt als die Zeit der Besinnung, sich freudig auf das Weihnachtsfest vorzubereiten. Allerdings habe ich mich in diesem Jahr an meine Kindheit erinnert, als ich jeden Tag ungeduldig die Türchen meines Adventskalenders geöffnet habe. Nach der Europawahl warteten alle gespannt darauf, wer nun als nächstes die Kommission leiten würde. Noch nie zuvor hatte es solange gedauert. Fast wie beim gemeinsamen Weihnachtseinkauf, wollte jede*r etwas anderes. Am Ende stand eine große Überraschung, mit der keiner gerechnet hatte. Fast wie bei der Bescherung unter dem Weihnachtsbaum hat dies viele enttäuscht und Vertrauen gekostet. Eine Union, die nach mehr strebt, muss mehr aufeinander zugehen: Sie braucht dieses Zurückkehren zueinander, sie braucht noch viel Kennenlernen.

Weihnachten als Gemeinschaft

Europa war und ist ein Projekt des Friedens. Weihnachten war und ist ein Fest der Familie. Ironischerweise wird an keinem anderen Fest so sehr gestritten wie an Weihnachten, wenn auf einmal die ganze Familie zusammenkommt. Jeder möchte etwas anderes, manche gar die Feiertage am besten ganz ohne die Familie verbringen. Trotzdem möchte irgendwie niemand an Weihnachten allein sein. Da ist die Oma, welche sich um das Weihnachtsmenü kümmert, während die Enkel bereits Selfies mit dem Weihnachtsbaum um die Welt schicken. Da kommt der Onkel, mit seinen besonderen Geschichten von der Arbeit, oder die Tante, welche gerne kritisch das Weihnachtsprogramm kommentiert. Zwar weiß ich auch, dass es in diesem Jahr wieder ein turbulentes Weihnachten werden wird, aber insgeheim freue ich mich schon darauf.

Weihnachten wohnt ein besonderer Zauber inne. Endlich kommt die Familie zusammen, denn es gibt viel, worüber wir sprechen sollten. Viele Veränderungen, sei es der Klimawandel, die Digitalisierung und eine scheinbar immer schnellere, unverständlichere Welt, drehen sich um uns herum. Viele Brit*innen fragten sich nach dem Referendum zum ersten Mal: „Was ist die europäische Union?“ Eine passende Antwort wäre: „Was soll die europäische Union sein?“ Europa ist eine Familie, die eben diese Gespräche und dieses Ausdiskutieren braucht.

Gemeinsam träumen

An Weihnachten werden Wunder wahr. Aber was ist mit allen, die kein Weihnachten feiern? Aber was ist mit allen jenen, die keinen Kontakt zu ihren Familien haben oder allein leben? Immer wieder erklingen aus dem Radio die alten, schönen Lieder, die jede*r kennt, viele auch nicht mehr hören können. Immer wieder erklingt das große Wort „Frieden“, doch wie oft schon wurde dieses Wort benutzt? Es mag pathetisch klingen, aber träumte man einst davon, ein Europa zu schaffen, ein Europa Wirklichkeit werden zu lassen, in dem wir Europäer*innen leben können. Europa ist die Idee von Frieden sowie von Freiheit und Vielfalt in Gemeinschaft. Nur diese Idee gilt es weiterzuentwickeln für die großen Veränderungen unserer Zeit.

Ob nun religiös oder nicht: Weihnachten, das ist ein Fest, welches gemeinsam gefeiert werden muss. Ebenso funktioniert Europa nur als Gemeinschaft, wenn alle daran mitwirken. Wenn Du, liebes Christkind, so manche Häuser vielleicht vermeintlich nicht besuchst, so hat Weihnachten doch vor allem eine wichtige Botschaft. An Weihnachten sollte niemand allein sein. Es ist die Zeit, um sich einmal füreinander Zeit zu nehmen, ob es mit der Familie telefonieren ist, die Nachbarn besuchen, oder aber einfach an Menschen zu denken, die einem wichtig sind. Europa war ein Traum von wenigen, nur sollten wir diesen Traum gemeinsam weiter träumen.

Liebes Christkind, wahrscheinlich bist Du ganz erstaunt, einmal keinen Wunschzettel zu bekommen. Aber ich möchte Dich nicht enttäuschen, denn einen kleinen Wunsch habe ich doch. Ich wünsche mir ein Europa, das neugierig auf mehr macht, dieses Europa gemeinsam zu entdecken, zu erleben und zu entwickeln. Europa muss erlebt, gelebt werden, um verstanden zu werden. Daher wünsche ich allen im nächsten Jahr viele besondere europäische Momente. Also, liebes Christkind, in diesem Jahr hast Du Dir einmal selbst ein Geschenk verdient.

In dem Sinne: Euch allen eine schöne Adventszeit und eine fröhliches Weihnachtsfest!

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