Zwischen Wirtschaft und Geopolitik: Die neue China-Politik des Kanzlers

, von  Annika Fischer

Zwischen Wirtschaft und Geopolitik: Die neue China-Politik des Kanzlers
Ob die neue Koalition aus Union und SPD den härteren Kurs des Kanzlers gegenüber China umsetzen kann, muss sich noch zeigen. Foto: KI generiert via chatgpt

Der Dreiklang, der in den letzten Jahren regelmäßig benutzt wurde, um die europäischen und deutschen Beziehungen zu China zu kategorisieren, lautet “Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale”. Der neue Bundeskanzler Friedrich Merz hebt nun insbesondere die Bedeutung Chinas als systemischen Rivale hervor und lässt erkennen, dass er China vor allem als sicherheitspolitische Bedrohung sieht.

Grundsatzrede des neuen Kanzlers

In einem Interview aus dem Jahr 2024 mit der dpa legte Merz seine grundlegende Einschätzung der Rolle Chinas dar: „China verhält sich nach innen immer repressiver und nach außen immer aggressiver. Die Volksrepublik China wird damit zu einer zunehmenden Bedrohung auch unserer Sicherheit.“ Merz nannte in diesem Zusammenhang insbesondere Chinas Unterstützung von Ländern wie Nordkorea und dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine sowie die zunehmende militärische Präsenz in Südostasien und die direkten Drohungen gegenüber Taiwan als Zeichen einer aggressiven Außenpolitik auch gegenüber Europa. Er betonte außerdem den stark gestiegenen Einfluss Pekings auf ausländische Firmen in China und richtete auch eine deutliche Warnung an deutsche Unternehmen. Mit Blick auf das zunehmend repressive Vorgehen der chinesischen Staatsführung mahnte er: „Wer heute in China investiert, muss das erhöhte Risiko abschätzen. Und die Unternehmen müssen auch früh genug wissen, dass wir nicht bereit wären, Unternehmen zu retten, die ein zu hohes Risiko in Ländern wie zum Beispiel China eingegangen sind.“ Auch im Hinblick auf einseitige wirtschaftliche Verflechtungen äußerte Merz sich kritisch: “Bei strategisch wichtigen Ressourcen und Gütern muss der Staat den Rahmen für Investitionen und Handel auch klar abstecken, damit wir uns nicht wie beim russischen Gas wieder in gefährliche Abhängigkeiten begeben.“ Was bei alledem auffällt: Diese verschärfte Haltung des damaligen Oppositionsführers Merz stellt auch eine deutliche Abkehr von den Positionen der Vorgängerregierung Scholz dar.

Die Chinapolitik der Ampel

Als die damalige Außenministerin Annalena Baerbock am 13. Juli 2023 die erste deutsche China-Strategie vorstellte, konnte dies bereits als ein Vorzeichen dafür gesehen werden, dass auch diesem Vorhaben dasselbe Schicksal anderer Projekte der Ampel-Regierung beschieden war. Standen bei der Ankündigung des Projekts noch Kanzler, Außenministerin und weitere Kabinettsmitglieder auf der Bühne, trat Baerbock bei der Vorstellung nun allein vor die Presse. In Auftrag gegeben war die China-Strategie mit dem Ziel, einen klaren Rahmen für die verschiedenen Positionen von Ministerien und Koalitionsparteien zu geben und schließlich als fester Anhaltspunkt für das Regierungshandeln zu dienen. Unter Federführung des Außenministeriums erarbeitet, bekräftigt diese Strategie zwar das Bekenntnis zu der oft genannten Trias von Partner, Wettbewerber und systemischem Rivalen, doch lässt sich eine Verschiebung hin zu einem selbstbewussteren Auftreten Deutschlands gegenüber China erkennen. Ein Kernpunkt dieser Erklärung bildet zum Beispiel das Kapitel "Stärkung Deutschlands und der EU”, dessen Unterpunkte wie “Diversifizierung von Lieferketten”, “Risiken auf dem chinesischen Markt” oder “Schutz von kritischer Infrastruktur” eine deutlich vorsichtigere Haltung gegenüber wirtschaftlicher und sicherheitspolitischer Abhängigkeiten und möglichen Bedrohungen zeigen.

Doch die ambitionierte Strategie, die in weiten Teilen wohl die Handschrift des damaligen Grünen-geführten Außenministeriums trägt, wurde bereits kurz darauf durch unabgestimmtes Verhalten anderer Koalitionspartner konterkariert. So reiste Kanzler Scholz nur wenig später mit einer Delegation hochrangiger deutscher Industrievertreter*innen nach China und bekräftigte dabei gegenüber der chinesischen Regierung seine Ablehnung der von der EU gemeinsam ausgehandelten Ausgleichszölle auf chinesische E-Autos. Kurz darauf flog außerdem der damalige Verkehrsminister Volker Wissing nach China und unterzeichnete eine Erklärung zum Datentransfer mit China - laut Medienberichten wohl im Alleingang und ohne vorherige Abstimmung mit anderen Kabinettsmitgliedern. Auch im Streit um den Einsatz von Huawei-Bestandteilen im deutschen 5G-Netz haben sich Scholz und Wissing - entgegen der Warnungen aus Innen-, Wirtschafts- und Außenministerium - mit ihrer Linie durchgesetzt, die Frist für ein vollständiges Verbot von Huawei-Produkten im Bereich der Netzinfrastruktur von 2026 auf 2029 zu verlängern. War die erste deutsche China-Strategie in Kombination mit einer nationalen Sicherheitsstrategie noch ambitioniert gestartet, versandete deren Umsetzung wie auch andere Ampel-Projekte schlussendlich durch Differenzen innerhalb der Koalition.

Deutsch-chinesische Wirtschaftsbeziehungen

Währenddessen verdeutlicht ein Blick in die Handelsbilanz zwischen Deutschland und China die stark gestiegene Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von chinesischen Importen. Lag der Anteil der Importe aus China im Bereich der seltenen Erden seit 2013 noch bei 37 %, so stieg dieser bis ins Jahr 2023 (ein Jahr nach Vorstellung der China-Strategie) auf 91 %. Auch in anderen Bereichen, die kritisch für Industrie und öffentliche Versorgung sind, wie etwa Rohstoffe und Mineralien oder im Bereich der chemisch-pharmazeutischen Erzeugnisse, stammten 2023 jeweils 75% aus chinesischer Produktion. Gleichzeitig stehen deutsche Unternehmen in China vor diversen Erschwernissen. Im Rahmen der Devise “Eine Wirtschaft, zwei Systeme”, konkurrieren ausländische Firmen auf dem chinesischen Markt in bestimmten Sektoren mit teil-staatlichen Konzernen, welche durch starke Subventionen besonders günstige Preise anbieten können und somit einen Wettbewerbsvorteil genießen. Gleichzeitig gibt es in bestimmten Wirtschaftsfeldern den sogenannten “Joint Venture Zwang”, bei dem Unternehmen, um Zugang zum chinesischen Markt zu bekommen, verpflichtet sind, eine Unternehmenspartnerschaft mit einem chinesischen Konzern einzugehen. Ziel solcher Kooperationen ist ein Technologietransfer Richtung China, bei welchem Know-How insbesondere europäischer Marktführer chinesischen Firmen zufließt.

Neue deutsche Linie

Ob die neue Koalition aus Union und SPD diesen harten Kurs umsetzen kann, muss sich jedoch noch zeigen. In der CDU verdeutlicht ein Positionspapier der Fraktion die neue Härte gegenüber China. Darin wird etwa der Aufstieg des "kommunistischen Chinas [als] zentrale, epochale Herausforderung des 21. Jahrhunderts” bezeichnet. Gleichzeitig zeichnet sich hier jedoch auch eine Differenz gegenüber der außenpolitischen Linie der SPD ab. In der CDU wird Merz’ Linie geteilt und sich deutlich von der Politik Merkels abgesetzt. Die Partei erklärt, das Prinzip “Frieden durch Handel” sei mit Blick auf Russland, aber auch China gescheitert, weshalb es nötig sei, in den Handelsbeziehungen Deutschlands und der EU zu China deutlich eigene europäische Interessen zu formulieren. Die SPD unter Klingbeil hingegen, der vor zwei Jahren auf einer China-Reise den Ministerpräsidenten Li Qiang kennenlernte, scheint weiterhin freundliche und deutlich weniger kritische Umgangsformen mit der Partei- und Staatsführung in Peking zu pflegen.

Zusammenfassend lässt sich erkennen, dass die neue deutsche Regierung wohl härter gegenüber China auftreten will. Dennoch wird Merz sich während seiner Kanzlerschaft wohl auch mit dem Zwiespalt konfrontiert sehen, dass er immer wieder seine Wirtschaftsnähe als besondere Qualifikation hervorhob und dabei gleichzeitig in seiner Kanzlerschaft seinen Fokus auf die Außenpolitik zu legen scheint. Doch seine Grundsatzrede zeigt, dass Merz geneigt ist, den großen außenpolitischen Strategien und der gesamtwirtschaftlichen Risikominimierung Vorrang vor einzelnen Geschäftsinteressen einzuräumen. Da sich in Teilen Berlins die Auffassung durchgesetzt zu haben scheint, erneute Abhängigkeiten zu vermeiden, dürfte die Regierung Merz ihren Schwerpunkt im Umgang mit China auch auf europäische Sicherheit und eine Wirtschaftspolitik des “De-Risking” legen. Ob dies dem Kanzler und den Koalitionsparteien in dieser Konsequenz auch gelingen wird, bleibt jedoch offen.

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