Nachdem 25 000 Flüchtlinge aus Tunesien in Italien gelandet sind, streiten die EU-Innenminister darüber, wie man sich verhalten soll. Am 7. April gab die italienische Regierung bekannt, dass sie befristete Aufenthaltsgenehmigungen gewährt [1]. Ziel sei, dass die betroffenen Tunesier innerhalb der EU frei reisen können und nicht nur in Italien bleiben. Darauf reagieren Länder wie Frankreich und Deutschland und drohen die Grenzkontrollen wieder einzuführen. [2]. Was ist daran schlimm und inakzeptabel?
Was dürfen die betroffenen Tunesier machen?
Die befristeten italienischen Aufenthaltsgenehmigungen gelten für drei Monate und erlauben damit den Personen, sich innerhalb des Schengen-Raums [3] frei zu bewegen. Offiziell dürfen sie also nicht mehr als drei Monate bleiben, aber sie können theoretisch nach Deutschland oder Frankreich reisen, wo eine wichtige tunesische Gemeinschaft lebt. [4]. Das wollen beide Länder nicht und um dies zu vermeiden, denken sie darüber nach zurück in den 80er Jahre zu gehen und Grenzkontrollen wiedereinzuführen.
Grenzkontrollen sind eine inakzeptabler Rückkehr zu nationalen Grenzen
Zwar dürfen die Zollbeamten solche Kontrollen überall im Territorium eines Mitgliedstaates durchführen, doch dies reicht anscheinend nicht aus. Die vorläufige Wiedereinführung der Grenzen zwischen den Mitgliedstaaten ist erlaubt, jedoch nur für eine bestimmte Periode und im Fall einer ernsten Bedrohung der öffentlichen Ordnung, etwa wenn Hooligans im Rahmen eines Fußballspiels einreisen um zu randalieren. Hier hingegen haben wir einen Missbrauch der rechtlichen Instrumente des Schengen-Abkommens, der ganz klar gegen die Werte der europäischen Integration verstößt. Selbst wenn Frankreich und Deutschland überhaupt nichts von Solidarität gegenüber Italien hören wollen, ist es sehr zweifelhaft, dass sie die Flüchtlinge nach Italien zurückschicken können.
Eine weitere Integration im Bereich Asylpolitik ist dringlich
Die betroffenen Tunesier dürfen frei innerhalb der EU reisen, weil sie Dokumente haben, die ihnen von einem EU-Mitgliedstaat gewährt wurden. Herr Guéant und Friedrich können kontrollieren, was sie wollen, aber die Freizügigkeit gilt auch für Bürger der Drittstaaten, die gültige Dokumente haben. Entweder gibt es Europa, oder nicht! Hier erreicht jedoch das aktuelle System seine Grenze. Auch wenn eine immer stärkere Zusammenarbeit der Regierungen bei den Fragen Asyl und Einwanderung zu bemerken ist, wird hier deutlich, dass wir ein Legitimationsproblem haben. Die Europäische Union ist ein Raum, wo die Menschen sich – mit einigen Ausnahmen – frei bewegen können, und das ist auch gut so, weil EU-Bürger davon profitieren. Eine Zersplitterung dieses Raums, wie zwei Regierungen es nun fordern, ist nicht mehr und nicht weniger als eine Rückkehr zum Nationalstaat. Herr Guéant und Friedrich leben zum Teil wohl noch im 19. Jahrhundert.
Die Notwendigkeit einer europäischen Behörde
Die Entscheidung, ob Personen in der EU als Ganzes einreisen dürfen, betrifft mehr als einen Mitgliedstaat und kann also nicht länger nur den 27 nationalen Behörden überlassen werden. Die Aufnahmefähigkeiten der Länder müssen berücksichtigt werden und da lässt sich bezweifeln, dass nationalen Regierungen die Lage objektiv beurteilen können. Die Frage, wie offen die Grenzen sein müssen und wie viele Flüchtlinge einreisen dürfen, ist eine politische Frage. Dazu brauchen wir eine EU-weite Debatte. Anders formuliert: Die Gewährleistung von Visum oder Aufenhaltsgenehmigungen muss durch eine föderale, EU-weite Behörde geschehen, unter der Kontrolle des Europäischen Parlaments. Nur diese direkt gewählte Institution ist legitim, um zu entscheiden, wie die Migrationspolitik europaweit aussehen soll. Damit wäre auch das Problem der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten gelöst.
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