Albanien und die EU: ein umstrittener Kandidat will nach Europa

, von  Robin Alves, übersetzt von Stéphanie-Fabienne Lacombe

Alle Fassungen dieses Artikels: [Deutsch] [français]

Albanien und die EU: ein umstrittener Kandidat will nach Europa
Die bunten Gebäude in Albaniens Hauptstadt Tirana symbolisieren das Wachstum des politischen und wirtschaftlichen Zentrum des Landes. Foto: „The colourful apartment buildings of Tirana“ © David Dufresne / Flickr (https://www.flickr.com/photos/davduf/540431310) / CC BY 2.0-Lizenz (https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/)

„Das Engagement für Europa aufzugeben wäre politischer Selbstmord“- davon ist der albanische Premierminister Edi Rama überzeugt. Nach drei Versuchen ist Albanien am 24. Juni 2014 offiziell Beitrittskandidat der EU geworden. Als wichtiges Land des Balkans kann Albanien eine stabilisierende Rolle in der Region spielen. Wegen der internen Probleme und herrschenden Armut besteht jedoch stets die Gefahr von Unruhen.

Eine umstrittene Kandidatur

Drei Millionen Menschen leben in dem Land, das nordwestlich von Griechenland und südlich von Montenegro liegt. Ein potenzieller Beitrittskandidat war es bereits seit 2000, bis zur Aufnahme erster Beitrittsverhandlungen sollte es allerdings noch lange dauern. Mitglied der NATO ist Albanien bereits seit 2009. Als strategischer Partner für die Balkanregion hat das Land seine Bemühungen um einen EU-Beitritt verstärkt. 2012 wurde der Antrag auf EU-Mitgliedschaft aufgrund politischer Unruhen zurückgewiesen. Am 24. Juni dieses Jahres wurde Albanien schließlich offiziell von der Kommission als Beitrittskandidat ernannt.

Seither ziehen sich die Verhandlungen in die Länge. Das Land hat vierzig Jahre lang unter der kommunistischen Ära gelitten und die Folgen sind noch deutlich zu spüren. Unter der Diktatur von Enver Hoxha hat sich Albanien stark von der Außenwelt abgegrenzt. Die Spuren davon sind noch immer sichtbar: 700.000 Bunker stehen noch, die Straßen sind in schlechtem Zustand. Weiterhin leben 14,3 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze, das heißt mit weniger als zwei Dollar pro Tag. Auch eine Arbeitslosenquote von 15 Prozent und eine Staatsverschuldung, die über 60 Prozent des BIP beträgt, schwächen das Land. Berichte wie der von Europol zeigen, dass Albanien zum Drogenumschlagplatz Europas geworden ist - in höherem Ausmaß als italienische Mafiaorganisationen. Prostitution und Kinderhandel sind ebenfalls weit verbreitet.

Angesichts dieser Situation zieht es viele Albanier ins Ausland. So ist die Bevölkerung in zehn Jahren um 7,7 Prozent geschrumpft. Um dem entgegenzuwirken, hat Albanien mit der Unterstützung des IWF und der Weltbank eine Stabilisierungspolitik begonnen. Die Inflationsrate wird kontrolliert und Unternehmen privatisiert. Erste Erfolge zeichnen sich bereits ab: Das BIP pro Kopf ist rasch gestiegen. Lag es im Jahr 2005 noch bei 2.621 US-Dollar pro Einwohner, so stieg es 2012 auf 4.000 US-Dollar an. Auch wenn das Land somit reicher ist als vergleichsweise die Ukraine, liegt es dennoch weit unter dem BIP von Bulgarien, dem mit 6.900 US-Dollar pro Einwohner bisher ärmsten EU-Mitgliedsstaat.

Doch vielen EU-Ländern reichen diese Bemühungen nicht. Deutschland, Frankreich, Dänemark, die Niederlande und Tschechien sprachen sich im Dezember 2013 gegen eine Aufnahme Albaniens in die Union aus. Der französische Präsident François Hollande war der Meinung, die EU brauche vorerst keine neuen Mitglieder. Prag hingegen wies auf einen - inzwischen beigelegten Streit -zwischen dem eigenen staatlichen Energiekonzern und der albanischen Regierung hin. Demnach unterstützten nur 16 der 28 EU-Mitgliedstaaten einen Beitritt.

Albanien spaltet Europa zwischen der Angst vor einem verfrühten Beitritt und dem Wunsch nach einem Partner zur politischen Stabilisierung der Region, die noch mit den Folgen des Kosovokriegs von 1999 zu kämpfen hat. Albanien ist somit für die Europäische Nachbarschaftspolitik essentiell. Auch wenn sich einige Länder klar gegen einen Beitritt aussprechen, sind sowohl von Seiten der Kommission als auch im Land selbst positive Signale zu vernehmen.

Auf einem guten Weg

Die Europäische Kommission nimmt Albaniens Bemühungen ernst. Stefan Füle, ehemaliger Kommissar für Nachbarschaftspolitik, empfahl Alabanien „ohne Vorbehalte“ als Beitrittskandidat. Diese Empfehlung basiere auf Albaniens Fortschritten im Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität und die Verabschiedung einer Justizreform. Diese Ermunterungen bekräftigen den sozialistischen Premierminister Edi Rama, der nach dem Sieg über seinen konservativen Gegner Sali Berisha 2013 Albanien auf einen europäischen Weg führen möchte.

Als ehemaliger Bürgermeister der Hauptstadt Tirana und ehemaliger Kultusminister vertritt Rama eine ausgeprägte europäische Überzeugung, auch wenn er sich der Herausforderungen, die ein Beitritt mit sich bringt, bewusst ist. Er tritt für Frieden und eine Öffnung nach Europa ein und fordert, Albanien solle endlich mit seiner kommunistischen Vergangenheit abschließen. Die „schlechten Angewohnheiten“ aus anti-demokratischen Zeiten sollten abgelegt werden, sagt er.

Die EU muss sich entscheiden

Rama will sein Land mit Hilfe internationaler Kooperationen und Europäischer Integration modernisieren. Er wolle das Land verändern und ist überzeugt, Albanien brauche die EU genauso wie die EU Albanien. Außerdem kritisierte er die politische Untätigkeit der Union in der Ukrainekrise und wies auf die Schlüsselrolle der albanischen Kandidatur hin. Diese zeige deutlich, in welche Richtung sich die EU entwickeln wolle - ob sie ein großes Projekt sein oder sich lieber in sich selbst zurückziehen wolle. Edi Rama begrüßte Bundeskanzlerin Angela Merkels Initiative, eine Konferenz der Ministerpräsidenten der Balkanstaaten zu organisieren. Trotzdem bleibt er skeptisch und kritisiert den Weg, den Europa momentan einschlägt.

Albanien ist von der Entscheidung der EU-Staaten abhängig. Mazedonien, Montenegro, Serbien, Island und die Türkei sind ebenfalls Beitrittskandidaten. Der Weg zum Beitritt scheint lang. Politisch und wirtschaftlich wird viel Aufwand nötig sein müssen. Jedoch muss sich die EU entscheiden, wie wichtig ihr dieser strategische Partner ist und wie weit das Projekt Europa ausgeweitet werden soll. Die Balkanregion ist demnach für die EU essentiell, um sich diesbezüglich neu zu definieren.

Ihr Kommentar
  • Am 30. November 2014 um 20:45, von  Mengon Als Antwort Albanien und die EU: ein umstrittener Kandidat will nach Europa

    Die EU hat offensichtlich keine preferenzen mehr, absolut instabile Balkanländer als Beitrittskanditaten anzunehmen. Diese bedingungslose Anbiederung mündet zunehmend in Unverständnis vieler Bürger der EU Kernländer. Man fragt sich zunehmend zurecht nach dem Sinn dieser grenzenlosen Erweiterungsmanie. Alles nur wirtschaftliche und geopolitische Interessen? Offensichtlich, denn Sozialstruktur und Gesinnungsideologie spielen da sicher keine Rolle mehr. Als hätten wir sonst keine Probleme wird auf Teufel komm raus mit Ländern verhandelt, die in keinster Weise in die EU passen. Das Gleiche passiert auch mit der Türkei, Serbien, Ukraine, Serbien, Bosnien Herzegowina usw.. Was hat es auf sich, mit dieser ungebremsten Aufnahmewut. Will sich die EU selbst vernichten? Alles scheint sich in ein globales, zentralisiertes Sumpfgebiet zu verwandeln. Wer sind sie und wo sitzen sie, die Interessensvertreter, die dieses Ansinnen initiieren? Die EU muss aufpassen, dass sie nicht zu einem schwammigen Aquarell aus sozial bedürftigen Menschenmassen wird. Man könnte sich vorstellen, dass die USA und die Wirtschaftselite daran Interesse daran hat. Fragt irgend jemand noch eine Bürgervertretung? Denkt man wirklich ausreichend über die möglichen Konzequenzen nach? Ich glaube nicht. Schön langsam wird mir Angst und Bang. Und das sagt ein bekennender EU Befürworter. Gez. S. E. Mengon

  • Am 30. November 2014 um 20:51, von  Mengon Als Antwort Albanien und die EU: ein umstrittener Kandidat will nach Europa

    Die EU hat offensichtlich keine preferenzen mehr, absolut instabile Balkanländer als Beitrittskanditaten anzunehmen. Diese bedingungslose Anbiederung mündet zunehmend in Unverständnis vieler Bürger der EU Kernländer. Man fragt sich zunehmend zurecht nach dem Sinn dieser grenzenlosen Erweiterungsmanie. Alles nur wirtschaftliche und geopolitische Interessen? Offensichtlich, denn sozialstrukturell und Gesinnungsideologie spielen da sicher keine Rolle mehr. Als hätten wir sonst keine Probleme wird auf Teufel komm raus mit Ländern verhandelt, die in keinster Weise in die EU passen. Das Gleiche passiert auch mit der Türkei, Ukraine, Serbien, Bosnien Herzegowina usw.. Was hat es auf sich, mit dieser ungebremsten Aufnahmewut. Will sich die EU selbst vernichten? Alles scheint sich in ein globales, zentralisiertes Sumpfgebiet zu verwandeln. Wer sind sie und wo sitzen sie, die Interessensvertreter, die dieses Ansinnen initiieren? Die EU muss aufpassen, dass sie nicht zu einem schwammigen Aquarell aus sozial bedürftigen Menschenmassen wird. Man könnte sich vorstellen, dass die USA und die Wirtschaftselite daran Interesse daran hat. Fragt irgend jemand noch eine Bürgervertretung? Denkt man wirklich ausreichend über die möglichen Konzequenzen nach? Ich glaube nicht. Schön langsam wird mir Angst und Bang. Und das sagt ein bekennender EU Befürworter. Gez. S. E. Mengon

  • Am 5. April 2015 um 18:29, von  emil Als Antwort Albanien und die EU: ein umstrittener Kandidat will nach Europa

    Heul doch Mengon

  • Am 5. April 2015 um 20:14, von  mengon Als Antwort Albanien und die EU: ein umstrittener Kandidat will nach Europa

    Ja, es ist auch zum Heulen. Heul, heul, heul. Und ich bleib bei meiner Sichtweise in dieser Sache. Auch werde ich in Zukunft jede Möglichkeit die sich ergibt, gegen die Erweiterung der EU zu voten, wahrnehmen. Die EU vertritt nicht mehr die Belange der Durchschnittsbürger, sondern agiert abgehoben und bar jedweden Volkswillen seiner Bürger berücksichtigend. Nochmals ganz laut: Heul, heul, heul.

Ihr Kommentar
Vorgeschaltete Moderation

Achtung, Ihre Nachricht wird erst nach vorheriger Prüfung freigegeben.

Wer sind Sie?

Um Ihren Avatar hier anzeigen zu lassen, registrieren Sie sich erst hier gravatar.com (kostenlos und einfach). Vergessen Sie nicht, hier Ihre E-Mail-Adresse einzutragen.

Hinterlassen Sie Ihren Kommentar hier.

Dieses Feld akzeptiert SPIP-Abkürzungen {{gras}} {italique} -*liste [texte->url] <quote> <code> et le code HTML <q> <del> <ins>. Absätze anlegen mit Leerzeilen.

Kommentare verfolgen: RSS 2.0 | Atom