Der Vertrag von Aachen - Deutsch-französische Freundschaft 2.0

, von  Michael Roth

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Der Vertrag von Aachen - Deutsch-französische Freundschaft 2.0

Ein Gastbeitrag von Michael Roth, Staatsminister für Europa, anlässlich der Unterzeichnung des Vertrags von Aachen am 22. Januar 2019.

Als am 22. Januar 1963, gerade einmal 18 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, der Elysée-Vertrag unterzeichnet wurde, standen vor allem Aussöhnung und Verständigung zwischen den früheren „Erbfeinden“ Deutschland und Frankreich im Vordergrund.

56 Jahre später schlagen wir nun ein neues Kapitel in der deutsch-französischen Partnerschaft auf: Mit der Unterzeichnung des neuen ambitionierten Vertrags am 22. Januar 2019 in Aachen heben wir unsere Beziehungen auf eine neue Stufe und machen sie zukunftsfest.

Mit dem neuen deutsch-französischen Vertrag bieten wir Populisten und Nationalisten entschlossen die Stirn: Der Abbau von Grenzen, mehr Integration sowie noch engere Abstimmung und Zusammenarbeit bringen einen konkreten Mehrwert im Alltag vieler Bürgerinnen und Bürger dies- und jenseits des Rheins. Genau das ist die richtige Antwort in diesen schwierigen Zeiten.

Wir schaffen mehr Raum für Begegnung und Austausch, damit die Bürgerinnen und Bürger noch enger zusammenrücken.

Die Zusammenarbeit in den Bereichen Bildung, Forschung, Medien und Kultur werden wir weiter fördern und den gegenseitigen Spracherwerb ausweiten. Schulpartnerschaften und Austauschprogramme werden ausgebaut und die Mobilität, auch bei der Anerkennung von Schul- und Berufsabschlüssen, verbessert.

Begegnungsmöglichkeiten und gemeinsame kulturelle Projekte werden weiterentwickelt und die neuen Medien genutzt, um einen gemeinsamen Kultur- und Medienraum zu fördern. Eine gemeinsame europäische Öffentlichkeit ist möglich. Wir wollen durch diesen Vertrag dazu beitragen. Ein Bürgerfonds wird das gegenseitige Kennenlernen durch Begegnungen fördern und die Teilhabe am Austausch, insbesondere für Jugendliche und zivilgesellschaftliche Initiativen, verbreitern.

Der Grenzraum ist ein Labor für zukunftsweisende europäische Lösungen.

Grenzen sollen Stück für Stück verschwinden. Deshalb wollen wir den Verantwortlichen in Bundesländern, Regionen und Kommunen künftig größere Spielräume für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit geben. Wir wollen neue Brücken bauen und Verfahren vereinfachen, damit unsere Staaten gesellschaftlich, wirtschaftlich und kulturell noch enger zusammenwachsen können.

Dazu schaffen wir ein neues Abstimmungsgremium für die Grenzregionen, das alle für den Grenzraum wesentlichen Akteure zusammenbringt. Mit dem Aachener Vertrag sollen grenzüberschreitende Projekte wie Kitas, Krankenversorgung, Schul- und Berufsausbildung, Jobvermittlung und Gewerbezonen erleichtert werden.

Gemeinsam treten wir für ein starkes Europa ein.

Deutschland und Frankreich eint das Bekenntnis zum vereinten Europa und einer starken, handlungsfähigen Europäischen Union.

Unsere bilaterale Zusammenarbeit ist kein reiner Selbstzweck, sondern dient stets auch dem gesamteuropäischen Interesse. Vor allem bleibt unsere Kooperation offen für andere: Wir wollen mit gemeinsamen Projekten voranschreiten und anderen EU-Partnern Mut machen: Gemeinsame Lösungen sind besser als nationale Alleingänge.

Dafür werden wir unsere europapolitischen Positionen künftig noch enger miteinander abstimmen. Auch bei der Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Recht werden Deutschland und Frankreich künftig Hand in Hand arbeiten.

Wir stärken unser gemeinsames Handeln in der Welt und unsere Sicherheit. Deutschland und Frankreich rücken in der Außen-, Verteidigungs-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik noch enger zusammen. In der Entwicklungszusammenarbeit, bei Friedens- und Polizeieinsätzen sowie für unsere Zusammenarbeit mit Afrika werden wir gemeinsame Strategien entwickeln.

Künftig wollen wir uns in internationalen Organisationen so eng wie möglich abstimmen und arbeiten für eine starke europäische Stimme im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen.

Im Rahmen der bestehenden Bündnisse werden wir unsere sicherheitspolitische Zusammenarbeit vertiefen. Damit stärken wir auch die EU und die NATO.

Wir übernehmen gemeinsam Verantwortung in der globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts und bringen konkrete Zukunftsprojekte auf den Weg.

Deutschland und Frankreich eint der Anspruch, die Globalisierung regelbasiert und fair zu gestalten. Die Agenda 2030 und das Pariser Abkommen spiegeln die Bewährungsproben wieder, denen wir uns global stellen müssen – und das geht eben nur gemeinsam.

Wir wollen unsere Kräfte in allen entscheidenden Zukunftstechnologien und -fragen bündeln. Es ist unser gemeinsames Ziel, neue Entwicklungen frühzeitig zu aufzugreifen, einzuschätzen, zu erforschen und für die Bürgerinnen und Bürger nutzbar zu machen. Dazu wollen wir unsere Wirtschafts- und Umweltpolitik und unsere Rechtsräume noch stärker annähern. Der Vertrag bietet auch die Chance, bestehende wirtschaftliche und soziale Unterschiede Schritt für Schritt abzubauen.

Die Einrichtung eines Deutsch-Französischen Zukunftswerks als Dialogforum für die Diskussion gemeinsamer Bewährungsproben wird ein wichtiger Baustein sein. Wir brauchen in der deutsch-französischen Zusammenarbeit eine Schnittstelle zwischen Politik, Wirtschaft, Forschung und Zivilgesellschaft. Der Vertrag von Aachen soll nicht alleine der deutsch-französischen Freundschaft dienen. Wir wollen die neue Dynamik in den Beziehungen unserer beiden Länder für einen beherzten Neuanfang in Europa nutzen.

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