Die Region Friaul-Julisch Venetien in Nordostitalien ist eine sehr vielfältige Gegend. Die Republik Venedig hat deutliche Spuren hinterlassen, ebenso wie die Herrschaft der Habsburgermonarchie. Über Jahrhunderte kamen hier Menschen und Kulturen zusammen – vor allem aus Italien, Mitteleuropa und dem südslawischen Raum. Mit dem Kalten Krieg endete der Austausch mit dem Osten jedoch auf abrupte Weise.
In Görz, einer verschlafenen Kleinstadt nördlich von Triest, war der Eiserne Vorhang buchstäblich zu spüren. 1906 hatte dort der Thronfolger Österreich-Ungarns, Erzherzog Franz Ferdinand, vor dem gleichnamigen Bahnhof den Piazza della Transalpina feierlich eingeweiht. 40 Jahre später wurde entschieden, die Stadt genau an dieser Stelle zu teilen. Diesseits der Grenze blieb das italienische Gorizia, jenseits des anderthalb Meter hohen Metallzauns entstand die sozialistische Mustersiedlung Nova Gorica. Der Platz wurde somit zum Symbol für die West-Ost-Teilung Europas – und sollte die Berliner Mauer um 15 Jahre überleben.
Erst mit dem EU-Beitritt Sloweniens im Jahr 2004 wurde der Zaun teilweise entfernt. Somit durften Besucher aus Italien und Slowenien frei über den gesamten Platz laufen – aber auch nur auf dem Platz. Ein Grenzübergang war dort theoretisch nicht gestattet, sodass sogar das Bahnhofsgebäude auf slowenischer Seite für Italiener nicht direkt zugänglich war. In der Praxis wurden die Grenzkontrollen in den darauffolgenden Jahren jedoch eher zur Seltenheit. Nur noch die zwei Hauptgrenzübergangsstellen in der Stadt waren rund um die Uhr besetzt.
2007 trat Slowenien schließlich dem Schengenraum bei. Nach 60 Jahren wurde der Platz wieder zu einem Symbol der europäischen Integration: Die übriggebliebenen Betonsockel und Zaunelemente wurden endgültig beseitigt, Bahnreisende aus beiden Ländern überqueren den Platz in allen Richtungen, es gibt eine direkte Busverbindung zwischen Gorizia und Nova Gorica. Auf Slowenisch heißt der Platz seit 2008 sogar Trg Evrope – „Europaplatz“. Nur noch eine kleine Ausstellung im Bahnhofsgebäude und eine Gedenktafel in der Platzmitte erinnern an die „letzte Mauer“ Europas.
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