Ein angepasstes Budget - unter Zwängen statt aus Überzeugung
Mit einer Höhe von 1.279,4 Milliarden Euro (zu Marktpreisen) für den Zeitraum 2021-2027, steigt das europäische Budget von 1,0 % des Bruttonationaleinkommens (BNE) der Europäischen Union im Zeitraum 2014-2020 auf circa 1,1 % in den nächsten sieben Jahren an. Weit davon entfernt die Größe des Haushalts zu revolutionieren, hat sich die Europäische Kommission vielmehr an Anpassungen seiner Unterstützungsprogramme und Struktur gemacht. Zwischen dem Rückzug im Bereich der Kohäsionspolitik und der gemeinsamen EU-Agrarpolitik um die 30% des europäischen Bruttonationaleinkommens (ein historischer Trend für letztere, im Falle der Kohäsionspolitik umstrittener), liegt der Schwerpunkt auf den Strukturreformen, der Unterstützung für Investitionen und Stärkung von neuen Bereichen wie unter anderem Migration, Sicherheit und Verteidigung, Forschung und Innovation (35% des europäischen BNE).
Gleichzeitig hat die Kommission Möglichkeiten zur Straffung des europäischen Haushalts vorangetrieben. Dies soll beispielsweise durch die Zusammenfassung von bereits existierenden Programmen und durch die Einrichtung einer „Reserve der Union“, die aber klein bleibt, geschehen, um die Verteilung von Ressourcen zu optimieren und auf unvorhergesehene Notsituationen und Krisen reagieren zu können.
Die Kommission hat also versucht ein Gleichgewicht zwischen dem notwendigen Kompensieren des britischen Austritts aus der Union im März 2019, der Beibehaltung von grundlegenden Politikprogrammen der EU (insbesondere die gemeinsame Agrarpolitik und die Kohäsionspolitik), und der Aufstockung der Mittel für neue europäische Prioritäten (Wissenschaft, Migration, Digitalisierung etc.) zu finden. All dies soll geschehen, ohne die Mitgliedsstaaten mit einem zu großen Anstieg der nationalen Beiträge zum EU-Haushalt zu belasten.
Der gemeinsame europäische Finanzrahmen – vielmehr ein Spiegel nationaler Interessen als europäischer Ambitionen
Weit davon entfernt über einige Diskurse für ein stärkeres Europa nachzudenken, bestand die Reaktion der meisten Mitgliedsstaaten darin, sich für ihren Teil einzusetzen anstatt den fehlenden Ehrgeiz auf europäischer Ebene zu bedauern. Dieser Ehrgeiz könnte jedoch hilfreich sein in Feldern, wo die Kontrolle über die Entwicklung schon seit langem verloren ist: Umwelt, Migration, Digitalisierung, Terrorismus, Steuerbetrug, etc.
Die Staaten des Nordens haben auch gegen die Erhöhung des Haushalts protestiert und eine Revision zur Senkung des Budgets proportional zu den finanziellen Auswirkungen des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU gefordert. Zugleich haben die Netto-Beitragsländer (hauptsächlich West- und Nordeuropa) das Prinzip eines „Kontrollmechanismus zur Wahrung von Rechtsstaatlichkeit“ unterstützt nach dem europäische Gelder zum Respekt der Europäischen Werte eingesetzt werden. Das richtet sich besonders an Polen und Ungarn, sowie an alle „antiliberalen“ Versuchungen in Europa. Ohne dieses Prinzip könne laut der Kommission eine gute Verwaltung der finanziellen Ressourcen nicht gewährleistet werden.
Logischerweise wurde dieser Mechanismus von den betroffenen Ländern abgelehnt. Diese gehen davon aus, dass die Veränderbarkeit der europäischen Fonds (von denen der Großteil der zentral- und osteuropäischen Länder die ersten Begünstigten sind) ein Hebel für politischen Druck werden würde, der von ihren europäischen Nachbarn benutzt werden könnte, um ihrer Nationalpolitik entgegenzuwirken. Dennoch ist über den streitbaren Ansatz in politischer Hinsicht hinaus festzuhalten, dass der Vorschlag der Kommission, abgesehen von der Notwendigkeit einer Zustimmung im Europäischen Parlament, im Rat einstimmig angenommen werden müsste...
Generell hat die Europäische Kommission die progressive Unterbrechung von Reduzierungen in den nächsten Jahren vorgeschlagen, die verschiedenen Staaten zugestanden wurden, um eine Gleichheit wiederherzustellen.
Doch zu einem Zeitpunkt, wo die Kommission einen „europäischen Mehrwert“ „in den Leben der BürgerInnen und Unternehmen“ fordert, lassen die angekündigten Kürzungen in der Kohäsions- und Agrarpolitik an den Möglichkeiten zur Erreichung dieser Ziele zweifeln. Der Europäische Ausschuss der Regionen warnt so vor der Gefahr einer Zentralisierung der Ressourcen und Entscheidungsprozesse beispielsweise im Rahmen des Reformprogramms zum Nachteil der lokalen und regionalen Ebenen (und dementsprechend zum Nachteil des Kohäsionsprogramms), die das Subsidiaritätsprinzip selbst hinterfragen könnte.
Ein interaktiverer Haushalt – also ein komplexerer?
Über die Umstrukturierung einiger Ressourcen hinaus, insbesondere hinsichtlich der Verschiebung von Strukturpolitik zu europäischen Prioritäten in einigen Sektoren, hat die Kommission den Schwerpunkt auf soziale und wertemäßige Kohäsion in Europa gelegt. Dies ist die Reaktion auf aktuelle Debatten über die Einhaltung europäischer Werte und auf die Sorgen europäischer BürgerInnen angesichts von wirtschaftlichen Krisen und Migration.
Zum Beispiel müsste die Kohäsionspolitik im nächsten Finanzrahmen mit dem Handeln der öffentlichen Organisationen im Zusammenhang mit den Strukturreformen zur Aufnahme der MigrantInnen und zur Verbesserung der Werte auf dem Kontinent verbunden werden.
Nichtsdestotrotz, auch wenn man diesen sozialen Ansatz loben mag, verkompliziert das Verbinden von Politik mit den genannten Zielen häufig den Einsatz für diese politischen Ziele und Strategien. Nebenbei könnten die lokalen und regionalen Ebenen die direkten Opfer der schlechten Ausführung der strukturellen Reformen sein, die immer vom staatlichem Niveau abhängen und die Verteilung der europäischen Gelder beeinflussen könnten. Der Wunsch nach mehr Effizienz darf sich nicht zum Nachteil von nötigem Realismus und Verhältnismäßigkeit entwickeln.
Nach der Präsentation des generellen Finanzrahmens Anfang Mai, müsste die Kommission in den nächsten Wochen die Details der Programme sowie die Maßnahmen der Revision der Strukturpolitik präsentieren, die den europäischen Haushalt bilden. Auf dieser Basis werden sich nachfolgend die Diskussionen zwischen den Mitgliedsstaaten und den europäischen Institutionen entwickeln. Diese werden geprägt sein vom Versuch die eigene Lage zu sichern. Tatsächlich ist es unwahrscheinlich, dass auf kurze Sicht ein europäisches Bewusstsein entsteht und dies darüber hinaus in einem Kontext von Spannungen, der nicht neu ist.
Das Ziel ist also die Verhandlungen zwischen Parlament und Rat spätestens Anfang 2019 abzuschließen, um vor den europäischen Wahlen abstimmen zu können. Die Entscheidung weiter zu verschieben würde dazu führen, in einem politisch stärker rechts orientierten europäischen Parlament nach den Wahlen im Mai 2019, als Reaktion auf die neuesten Tendenzen der nationalen Wahlen, zu verhandeln.
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