Es ist Spargelzeit. Von Mitte April bis zum Johannistag am 24. Juni können die Gemüsestangen in den Supermärkten und an den Marktständen gekauft werden. Danach ist Schluss. Bei Tomaten sieht das anders aus: Zu jeder Jahreszeit finden sie sich in den Regalen der Einkaufstempel, obwohl in Mitteleuropa spätestens im Oktober keine einzige Frucht mehr geerntet wird. Im Winter kann der Gemüseliebhaber einfach zur spanischen Tomate greifen. Auch wenn sie wenige Geschmack besitzen, etwas mehlig und hart sind, reißenden Absatz finden die Früchte aus dem Süden Europas trotzdem: Insgesamt 955.000 Tonnen Tomaten exportierte Spanien im vergangenen Jahr. Hauptabnehmer waren Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Insgesamt befinden sich unter den zehn Ländern mit den höchsten Importmengen neun EU-Staaten.
Es gibt wohl kein Mitgliedsstaat, in dem sich die spanische Tomate nicht auf Anhieb finden lässt. Sie ist damit zum Zeichen eines geeinten Marktes auf dem Kontinent avanciert, in dem jedes EU-Land seine Stärken einbringt und alle profitieren – zumindest wenn es sich um Europäer handelt. Denn auf der 30.000 bis 40.000 Hektar umfassenden Anbaufläche in der Region Almeria, auf der ein Großteil der Tomaten produziert wird, arbeiten vor allem Einwanderer. So stammen von den geschätzten 110.000 Landarbeitern etwa 80.000 bis 90.000 aus nicht EU-Ländern, vorwiegend aus Marokko, Schwarzafrika und Lateinamerika. Sie bekommen zum Teil Gehälter unterhalb des Mindestlohns, da sie illegal beschäftigt werden. Häufig leben sie in kleinen Hütten ohne fließend Wasser und Strom. Schuld daran tragen auch die Konsumenten: Selbst im Winter ist kaum einer von ihnen bereit, mehr als zwei Euro pro Kilo zu bezahlen, sodass die Produktionskosten nicht über 50 Cent liegen dürfen.
Daneben haben die Spanier einen mächtigen Verbündeten im Kampf um die Preishoheit: die Sonne. In der Region Almeria gibt es die höchste Sonneneinstrahlung Europas, sodass sie keine teuren Gewächshäuser mit aufwendiger Lichttechnik wie ihre holländischen Konkurrenten errichten müssen. Etwas Plastikfolie reicht, um die Wärme zu speichern und die Pflanzen vor Wind und Wetter zu schützen. Was sich jedoch unter den Planen abspielt, ist alles andere als natürlich. Damit drei bis vier Mal jährlich geerntet werden kann, setzen die Produzenten auf ein Sand-Düngergemisch als Nährboden und Pestizide, die in die Frucht und die Umgebung gelangen können. Die Tomaten werden zudem grün geerntet, sodass sie erst auf den Weg in das 1.900 Kilometer entfernte Paris oder 800 Kilometer weiter nach Berlin ihre gewohnt rote Farbe erhalten. Darunter leiden nicht nur der Geschmack, sondern auch die gesundheitsfördernden Inhaltsstoffe, denn Tomaten reifen nicht nach, sie verändern nur ihre Farbe. Hinzu kommt, dass in Almeria auch das Grundwasser zu Bewässerung der Pflanzen eingesetzt wird. Die Folge ist eine zunehmende Versalzung der niederschlagsarmen Region.
Trotz dieser Tatsachen: Ein Konsumentenboykott bringt nicht viel und würde letztendlich vor allem den Landarbeitern schaden, die auf das, wenn auch spärliche Gehalt angewiesen sind. Besser ist es, auf die einschlägigen Siegel zu achten, die den biologischen Anbau belegen. In dieser Hinsicht hat Spanien eine enorme Entwicklung hingelegt: Seit den 1990er Jahren sind die Anbauflächen für Bio-Gemüse kontinuierlich angewachsen, sodass das Land nach Italien die meisten ökologischen Produkte in Europa herstellt. Klar ist aber auch: Am besten schmeckt die Tomate aus der eigenen Region zur richtigen Jahreszeit. In der Hinsicht steht sie dem Spargel in nichts nach.
Kommentare verfolgen: |