Eigentlich dürfte Zypern gar kein Mitglied der EU sein. Zwar trat völkerrechtlich am 1. Mai 2004 ganz Zypern der EU bei, faktisch ist allerdings nur der griechische Süden Teil der EU. Damit endet die Umsetzung europäischer Regeln und Gesetze an der Demarkationslinie, die den griechischen vom türkischen Teil trennt.
Die Lösung des Zypern-Konflikts war damals zwar eines der EU-Beitrittskriterien für den Inselstaat, allerdings hatte die griechische Regierung Ende der 1990er Jahre einen Trumpf ausgespielt: Athen würde dem Beginn der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zustimmen, wenn die „Zypernfrage“ von der To-Do-Liste Zyperns gestrichen wird.
Kritik an Zyperns Rolle in der EU
Die Kritik am Verhalten Zyperns in der europäischen Staatengemeinschaft wurde in den vergangenen Jahren immer lauter. Das Land hat 2008 den Euro eingeführt, was eigentlich zu wirtschaftlicher Stabilität und finanziellem Wachstum führen und der Bevölkerung Wohlstand bescheren sollte. Allerdings musste die zypriotische Regierung kurz vor Beginn seiner EU-Ratspräsidentschaft im Juli 2012 die EU und den IWF um finanzielle Unterstützung bitten.
Da Zypern als Paradies für russische Steuerflüchtlinge bekannt war, gewährte die EU-Troika nur zehn der 17 Milliarden Euro benötigten Finanzspritze. Die zypriotische Regierung holte sich das restliche Geld damals hauptsächlich bei den eigenen Bürgern: Alle Vermögen über 100.000 Euro wurden mit einer Zwangsabgabe belegt. Der daraus resultierende Unmut von Zyperns Sparer richtete sich zwar größtenteils auf die eigene Regierung, aber auch die EU, die als Ursprung allen finanziellen Übels ausgemacht worden war, wurde beschuldigt die Bevölkerung in den Ruin treiben zu wollen.
Anfang 2014 gewährte Nikosia der russischen Marine ihren Hafen in Limassol mitzubenutzen. Was europäische Sicherheitsexperten dazu veranlasste, Parallelen zum Kalten Krieg zu ziehen.
mittelmäßige zypriotische Ratspräsidentschaft
Von Juli bis Dezember 2012 bekam die Regierung in Nikosia dann die Gelegenheit ihren Ruf in Europa wiederherzustellen und durch ihre Rolle als EU-Ratsvorsitzende die Politik in der EU zu gestalten. Zusammen mit Polen und Dänemark hatte sich es Zypern zur Aufgabe gemacht, für ein „effizienteres und nachhaltiges Europa“, für ein „Europa mit einer leistungsfähigeren Wirtschaft, die sich auf Wachstum gründet“, für ein „Europa, das seinen Bürgern mehr bedeutet, somit ein Europa mit Solidarität und sozialem Zusammenhalt“ und für ein „Europa in der Welt, seinen Nachbarn näher“, einzustehen.
Doch die europäische Gesellschaft blieb kritisch: „Problemstaat an Europas Spitze“ quittierte Spiegel Online die Übernahme der EU-Führung Zyperns am 1. Juli 2012. „Chipre, rescatada, asume la presidencia de la UE“ titelte El Mundo und „Mis sous tutelle de l’Europe, Chypre en prend la présidence“ kommentierte der Figaro. Vor allem auf die finanzielle Abhängigkeit der Insel von der EU wurde hingewiesen, denn „der Griff nach dem Euro-Rettungsfonds steigert nicht die eigene Glaubwürdigkeit. Und die Milliarden aus Brüssel könnten nicht der einzige Kredit bleiben,“ schrieb Klaus Hillenbrand auf Spiegel Online.
Das Fazit der Regierung in Nikosia fiel dagegen positiv aus: Das Land habe ein einheitliches Patentpaket und einen Aufsichtsmechanismus (SSM) erzielt, es wurden Anstrengungen bei den Verhandlungen für den mehrjährigen Finanzrahmen unternommen, es wurde ein signifikanter Fortschritt zum gemeinsamen europäischen Asylsystem gemacht, bei dem eine Einigung in Reichweite gerückt sei und es wurde ein bedeutender Fortschritt in allen ausstehenden Bereichen der Binnenmarktakte I erreicht.
Es stimmt wohl, dass die zyprische Präsidentschaft „vom ersten Tag an dafür gearbeitet“ hat, „ihr Bestes zu geben für ein besseres Europa“, allerdings fällt die Zusammenfassung vieler Stakeholder weniger positiv aus.
„Von Zypern hat Irland als Nachfolgeland in der EU-Ratspräsidentschaft ein schweres Erbe übernommen, da zentrale Fragen über die Zukunft der Europäischen Union nicht gelöst wurden,“ schreibt zum Beispiel der NABU in seinem Resümee zur zyprischen Präsidentschaft.
Zyperns Neuerfindung: Energiereserven
Zypern muss sich umorientieren, um endlich Erfolgserlebnisse verbuchen zu können, die einerseits seinen Stand in der EU, aber andererseits auch seine finanzielle Lage verbessern. Die Lösung liegt im Bereich Energie.
2013 bescheinigte ein Gutachten der Royal Bank of Scotland (RBS) Zypern unerschlossene Gasreserven im Wert von über 600 Milliarden Euro. „Zypern wird geopolitisch wichtig für Gaspipelines, und Europa dürfte von einer größeren Energiesicherheit fernab von Russland profitieren“, heißt es in dem RBS-Bericht. Tatsächlich ist aber noch nicht geklärt, ob das Gas wirklich Zypern gehört.
Die Finanzanalystin Fiona Mullen schätzt, allein die aktuellen Funde könnten der Volkswirtschaft Zyperns jährlich Einnahmen von mindestens einer Milliarde Euro bringen. „Die Einnahmen werden ganz beträchtlich sein – wenn sie kommen“. Zuletzt hat Zypern Abkommen mit Anrainern unterzeichnet, die die exakten Ländergrenzen im Mittelmeer bestimmen und die Gasvorkommen zuweisen.
Erdgas oder Erneuerbare
Zypern hätte also die nötigen Voraussetzungen durch die Erschließung heimischer Gasreserven ein – vorerst – verlässliches Einkommen zu generieren und dabei auch noch die Abhängigkeit der EU von russischen Gaslieferungen zu verringern und ganz nebenbei sein Ansehen bei den anderen EU-Mitgliedern zu verbessern. Die Analystin Mullen bleibt beim Thema allerdings noch vorsichtig: „Ich denke, wir werden in den nächsten 15 Jahren noch keine bedeutenden Geldflüsse sehen.“ Es bleibt an Zypern, diesen Prozess zu beschleunigen – oder ihn zu nutzen, um gleich in Erneuerbare zu investieren.
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